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Kein Livegame mehr im Casino am Alex?

„Im Jahr des 20-jährigen Bestehens erfindet sich das Casino Berlin neu. Gemeinsam mit dem Automatenspiel lädt das Klassische Spiel an den modernisierten Standort am Fuß des Fernsehturms. Und überrascht die Gäste am Alexanderplatz mit einem neuen Konzept.“

„Ob Roulette, Black Jack, Slot-Machine oder Mystery Jackpot: Lassen Sie sich das Spiel von unseren Profis erklären. Oder werfen Sie einen Blick hinter die Kulissen und gehen auf Tour durch das neue Casino Berlin.

Kulinarische Köstlichkeiten
Freier Eintritt
Gewinnspiele

So vollmundig wird das neue Casino am Alex in „Casinonews 3/2010“, der Firmenzeitschrift der Westspielgruppe und im Newsletter vom 24.09.2010 angekündigt.

Daher machte ich mich heute um 14:00 Uhr bei strahlendem Sonnenschein auf in Richtung Zentralberlin. Mich lockte nicht die Einheitsfeier am Brandenburger Tor, nein, ich war neugierig auf das neue Casino am Alex. Die neue Spielbank ist im Fußgebäude des Berliner Fernsehturms untergebracht. Rechts neben der Eingangsdrehtür kündigt die Inschrift ein 7-Sterne Casino mit American Roulette, Black Jack, Poker und Automatenspiel an.

Jenseits der Drehtür betrete ich lindgrünen Teppichboden und habe zwei Rezeptionen zur Auswahl. Das Einchecken geht schnell, heute ist freier Eintritt, aber die Personalien müssen trotzdem registriert werden.

Und dann? Ich finde mich in einem düsteren Labyrinth von Automatenschluchten wieder, wie sie in Las Vegas nicht besser gestylt werden könnten. Slotmachines der neuesten Generation, Hybridroulette-Inseln mit echtem Rouletterad, zwölf Bedienerbildschirmen und keinem Croupier. Mich umfängt eine Kakophonie der typischen Geräusche: Klingeln, Tröten, digitales Gedudel. Es ist nicht leicht, sich hier zurechtzufinden, vielleicht ist es aber auch konzeptionell so gewollt.

Zunehmend genervt taste ich mich durch die verwirrende Automatenlandschaft. Dann plötzlich mehr Licht, freie Fläche, ein paar verstreut erscheinende Bistrotische und Stühle, Fenster und ein Treppenaufgang, eingerahmt mit einem Schriftzug, der unter anderem die Worte „Poker-Mekka“ enthält. Nun, das sieht doch einladend aus – abgesehen von der zweiten Worthälfte, die hoffentlich niemanden islamischen Glaubens provoziert – immerhin untersagt der Koran seinen Anhängern das Glücksspiel.

Mit zwei Stufen pro Schritt haste ich die Treppe hoch. Doch oben – Enttäuschung. Der gleiche lindgrüne Teppichboden, die gleichen nervigen Automatenklänge und die gleichen düsteren Gänge mit Slotmachines. Kein Unterschied zu unten. Wieder taste ich mich herum, durchquere auch oben mindestens zweimal die komplette Fläche. Außer Automaten nichts zu sehen. Das Pendant zur Freifläche des Untergeschosses hat immerhin eine Wandbemalung mit Pokerbezug. Nach genauerem Hinsehen erkennt man neben einem Royal Flush in Pik den Schriftzug „Poker Nights“ die Wände im Casino wurden von zwei Graffitikünstlern – Klub7 aus Berlin und David Schmidt aus Kassel gestaltet.

Doch auch hier im Obergeschoss ist weit und breit kein Spieltisch zu sehen. Dafür wieder Bistrotische, an denen niemand sitzt.

Was ist hier los, frage ich mich und stelle dem ersten Angestellten, der sich durch seine Kleidung als solcher zu erkennen gibt die Frage: „Wo sind denn hier die Spieltische versteckt?“
Seine Antwort ist etwas lakonisch: Die Spieltische konnten aus rechtlich-technischen Gründen noch nicht aufgestellt werden. Ich möchte den armen Mann nicht mit bohrenden Fragen nerven, was „rechtlich-technisch“ bedeutet, denn er fühlt sich offenbar nicht sehr wohl angesichts meiner Nachfrage.

Neugierig geworden begebe ich mich nach untern zur Rezeption. Auch dort erhalte ich auf meine Fragen ähnlich lautende Antworten. Weit und breit ist kein Saalchef, Direktor oder sonstiger Verantwortlicher zu sehen. Die Versuche des Rezptionsmitarbeiters, jemanden ans Telefon zu holen scheitern.

Am 1.10.2010 war auf „isa-guide.de“ folgende Information aus ver.di Gewerkschaftskreisen zu lesen:
„Das Entsetzen in der Belegschaft im Casino Berlin ist riesig“, so Bernhard Stracke von der Bundeskoordinierung Spielbanken von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di). Die Beschäftigten bangen um ihre Arbeitsplätze.
Nach Informationen von ver.di wird mit der Eröffnung des Casinos Berlin am neuen Standort ab dem 03.10.2010 kein klassisches Spiel mehr angeboten. „Den Beschäftigten aus diesem Bereich wurde am 30.09.2010 mitgeteilt, sie seien vorerst von der Arbeit unter Bezahlung freigestellt“, so Stracke. Nähere Informationen wurden ihnen nicht gegeben.“
Diese Information passt ins Bild. Die Eröffnung des neuen Casinos am Alex war für August 2010 angekündigt, unter anderem mit einer großen Pokerturnierwoche (http://www.pokerfirma.de/news/aktivitaten-des-casino-berlin-am-alexanderplatz-2010/46459). Davon hat man sich sang- und klanglos verabschiedet. Den Qualifikanten für die Turnierwoche wurden bereits ihre gewonnenen Buy-In Beträge ausgezahlt.

Die Eröffnung hat sich um knapp zwei Monate verzögert – offiziell wegen Schwierigkeiten bei den Umbaumaßnahmen. Wann war jemals eine weniger glaubwürdige Begründung zu hören? Meines Wissens hagelt es Konventionalstrafen für Handwerker und Bauausführende, wenn sie Termine nicht einhalten. Und es scheint auch, dass am Alex ein ganz neuer Wind weht. Eventuell kein Livegame mehr, mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Poker.

Ich bleibe dran und werde die für den 06.10.2010 angekündigte „Große Eröffnungsfeier“ besuchen.


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