Kolumnen

Kleiner Sprachkurs für eine unheimliche Zukunft

Herr Geheimrat in spe Wilfried Lehner MLS, Leiter der Stabsstelle Finanzpolizei im Bundesministerium für Finanzen in Wien, wird nach diesem letzten, groß vorbereiteten Coup eine dicke Havanna in seiner gepflegten Hand zwischen Zeigefinger und Daumen rollen und zufrieden über die Schließung des letzten Poker-Clubs nachdenken. Plötzlich fühlt er eine beklemmende Leere in sich aufsteigen – seine Mission ist beendet.

hunting bullenIm selben Augenblick sitzt Peter Zanoni mit seinen Anwälten in einem neonbeleuchteten Büro zwischen Kaffeetassen, Beschlagnahmungsbestätigungen und Polizeiprotokollen. Die Lage wird von seinen Anwälten als „ernst, aber nicht hoffnungslos“ bezeichnet. „In zwei, maximal drei Monaten läuft alles wieder normal“, wird die Durchhalteparole von Zanonis Pressesprecher sein.

Martin ist Pressesprecher einer Industriellen-Vereinigung. Er, der Doktor (phil.) und Mark, der Schweizer Austauschstudent trafen sich einmal in der Woche im Montesino zu einem kleinen, gemütlichen Pokerturnier und nachdem alle drei noch vor der ersten Pause das Turnier verlassen hatten, setzten sie sich noch zu den Cashgame-Tischen und verballerten oder vermehrten ihre Chips – je nach Kartenglück. In Summe stiegen sie immer „plus/minus even“ aus. Jetzt nach der Schließung des privaten Card Casinos bleibt ihnen nur das Casino in der Innenstadt Wiens um ihre wöchentlichen Pokerabende abzuhalten. Irgendwie ist ihnen das Casino etwas zu „gespreizt“ und die Cashgame-Tische so langweilig wie eine italienische 1:0 Führung. Vor kurzem hörten sie von einer 2/4 Runde in einem Randbezirk. Der Name des Etablissements, „Chattanooga Espresso, Snackbar“, schreckte sie nicht ab. Das hätte er, angesichts des verrauchten Hinterzimmers, in dem sie da gelandet waren, allerdings besser getan. Drei Plätze waren noch frei und die Drei zu feige einen Rückzieher zu machen.

Die Runde setzte sich außer ihnen drei, einem Tätowierten, einem spielsüchtigen, ehemaligen, evangelischen Pfarrer, dem versoffenen Herausgeber einer Tages-Zeitung, einem der aussieht wie ein Zuhälter (und auch einer war) und einem weiteren Herren, dem ein Naheverhältnis zur Rotlichtszene nachgesagt werden könnte. Das Spiel in der Illegalität lief zu ihrer Überraschung freundlich und höflich ab. Trotz der seltsam anmutenden Runde, zog niemand ein unterarmgroßes Bowie-Knife aus dem Mantel und bedrohte sein Gegenüber mit einem „Nieren/Leber-Stich“ nur weil dieser aus übermäßigem Jacky/Cola-Konsums dem tätowierten „Berater“ eines Inkasso-Unternehmens unabsichtlich geslowrollt hatte. Als sie sich verabschiedeten, hatte sie zwar alle drei verloren, aber sie waren überzeugt wieder mal vorbei zu kommen. Der Verlust war Varianz. Beim Hinausgehen dachten sie, dass sie in einer fremden Stadt mit einer ihnen völlig fremden Sprache gewesen waren.

Liebe Pokerfreunde, die Rituale des Wiener Hinterzimmers sind besondere, und die  Sprache ist es ebenso. Hier ein kleiner Diskurs:

Wenn „Der Bankerer für die Galerie schneidet“, dann mischt der Spielbetreiber für die Spielteilnehmer.
Die „Galerie“ setzt sich aus „Strizzis“, „Frankisten“ und „Wurzen“ zusammen. Das bedeutet, dass am Spiel Ganoven, wohlhabende Amateure, sowie unerfahrene Spieler teilnehmen. Wenn, „Schurl und der Mundl die Außen- und Innenschmiere für’n Koberer“ machen, dann sind Georg und Edmund die strategisch eingesetzten Aufpasser für den Gastronomiebetreiber. Wenn der Bankerer „g’fehlt g’schnitten“ hat, oder am Ende gar „verkehrte Briefe“ verschickte, dann hat der Spielbetreiber falsch gemischt oder Trickbetrügerkarten verteilt.  Wenn die Galerie dann „flach“ (pleite) ist, kommen die „Saugerln“ ins Spiel. Dies sind Herren, welche im Kreditgeschäft tätig sind und vor Ort Schnellkredite zu etwas erhöhten Zinssätze anbieten.

Noch ist es nicht so weit und hoffen wir auf den oft angeflehten Pokergott „Onetime“, dass es in Wien nie mehr soweit kommen muss. Auch wenn ein paar ewig Gestrige das nicht wahr haben wollen.

Rab B. Hunting


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