Kolumnen

Man lernt nie aus

Ich bin normalerweise keiner, der sich großartig oder intensiv oder überhaupt mit der Theorie des Pokerns auseinandersetzt. Ich analysierte nicht, ich lernte nicht, ich ignorierte bislang vehement und mit bewusster Nachlässigkeit alle Pokerschulen dieses Planeten. Ich bekenne auch, dass ich noch nie ein Buch über Pokerstrategien und über die reine Lehre dieses Spiels gelesen habe. Ich spiele nicht nach Können, Kalkulation, strategischer Mathematik und geplantem Vorausschauen, sondern anhand der Kriterien Gefühl, Bauch, Spaßfaktor und Alkoholpegel. Und, nein, ich wundere mich nicht, dass meine spielerische Leistung ebenso wie die Häufigkeit meines Sitzens am finalen Tisch stagnieren. Auf unterem Niveau. Auf einer zu vernachlässigenden Mikro-Ebene.

kalhamer 3Nun hatte ich zuletzt aber die Möglichkeit eines Coachingseminares mit niemand Geringerem als Stephan Kalhamer. Einen Tag nach dem German Poker Days-Charity Event in Osnabrück gab es ein mehrstündiges Event. Quasi Level zwei. Sieben Teilnehmer. Und ich. Und ich habe völlig neue Sichtweisen auf dieses Spiel, vor allem aber auf mein Spiel bekommen. Ich habe begriffen, dass Straddle und Open Limps völliger Unsinn sind. Ich habe verstanden, dass der Call eine Luxusvariante des Raise ist. Natürlich bleibt Poker nach wie vor eine Mischung aus Liebe und Enttäuschung, aber dank eines bald schon geänderten Spielstils werde ich den Stress zu meinem Gegner transportieren. Soll er sich doch quälen. Poker ist ein freiwilliges Investieren in ein feindliches Umfeld.
Ich werde ab sofort immer drei Schritte vorausplanen. Und ich freue mich ab sofort auch über Suckouts gegen mich. Weil sie beweisen, dass ich zu dem Zeitpunkt vorne war. Ich werde das Privileg vorne zu sein auch entsprechend würdigen und genießen. Ich werde weiterhin an meiner Routine arbeiten; auch das ein Originalzitat von Stephan Kalhamer; und wenn ich es nicht schaffe, sie selber aufzubauen, warte ich darauf, dass der Gegner abbaut.

kalhamer 2Ich habe verstanden, das der erste Call einfach ist, dass parallel jedoch die Folgeentscheidungen total schwer werden und Chips kosten können. Stacks sind sterblich, deshalb werde ich auch nie mehr eine emotionale Bindung zu diesen runden Plastikdingern aufbauen. Wenn man die Nuts non-standard spielt, hat man etwas verkehrt gemacht.  Auch das hört sich auf einmal logisch an.
Alles ein Darwinismus der Ideen. Wie es Poker halt ist. Über die ich mir aber bislang viel zu wenig Gedanken gemacht habe. Das hole ich jetzt alles nach.

Unter den Teilnehmern war auch Franzi Winkler. Gewinnerin u.a. des Montesino Damentages. Ihr Statement zu dem Tag:
Ich bin im Prinzip ohne große Erwartungen hingefahren, war aber schnell erstaunt und überrascht, welche Facetten des Spiels ich noch nicht kannte. Welche Sichtweisen Stephan Kalhamer auf das Spiel und die Spieler hat. Ich werde mein Art am Pokertisch nicht wirklich ändern, wohl aber meine Spielweise. Es war ein geiler Nachmittag, der viel zu schnell vorbeiging.

kalhamer 1Dem kann ich mich vollinhaltlich anschließen. Ich habe viel gelernt. An einem launigen und unterhaltsamen Nachmittag, der doch nicht so wissenschaftlich und theoretisch war, wie ich anfangs gedacht habe. Ich bin eines Besseren belehrt worden. Ich werde demnächst abstrakter und um mehrere Ecken denken. Ich bin begeistert und überlege mir ernsthaft, ein Pokerbuch zu kaufen. Nicht mein eigenes, sondern eine wirkliche Lernlektüre. Mein Buch habe ich schon, sogar signiert. Vom Autor. Mit einer total süßen Widmung.

Meine neuen Pokeransätze werde ich in die nächsten Spiele einbringen. Und ich werde mein Spiel daraufhin umstellen. Umstellen müssen. Und wollen. Also – Final Tables aufgepasst – ich komme.


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