Rudi Weißes, Hessens bekanntester Poker-Kolumnist, führte nach der Poker-EM 2011 in Baden mit Matthias Rohnacher, dem ersten deutschsprachigen WSOP Braceletgewinner ein Interview.
Rudi: Matthias, das war ja gerade für die älteren Spieler eine große Überraschung, Dich plötzlich nach fast elfjähriger Abwesenheit von Pokerturnieren wieder mal zu sehen.
M.R.: Ja, nachdem sie mich erkannt hatten. Das letzte Mal als ich auf einem Pokerturnier war hatte ich noch einen Vollbart und ne Brille.
Rudi: Und der große Bauch, oder?
Rudi: Wie war die Reaktion der Spieler?
M.R.: Sigi Stockinger sah mich im Saal, aber erst beim dritten Hinschauen kam ihm die Idee, dass ich das sein könnte. Surinder Sunar, der im Heads-Up bei meinem Braceletgewinn Zweiter wurde, erkannte mich gar nicht, erst als Sigi ihn anschubste und es ihm erklärte, machte es klick. Andreas Krause ist mehrmals an mir vorbei gerauscht ohne was zu merken, aber als ich an der Registrierung neben ihm stand und mich (im Spaß) beim Personal über ihn beschwerte, erkannte er mich an der Stimme. Solche Szenen gab es dann an allen drei Tagen, auch am Tisch mit Spieler, die direkt neben mir saßen. Aber es haben sich alle gefreut und viele kamen ja auch direkt auf mich zu, weil sie gehört hatten, dass ich da bin. Es war schön viele, teilweise sogar sehr gute Freunde von früher zu treffen.
Rudi: Viele junge Spieler kennen Dich gar nicht oder haben nur von Dir gehört. Die ältere Generation natürlich schon, aber ich glaube alle interessiert es sehr was Du in den vergangenen elf Jahren gemacht hast.
M.R.: Ich war dem Poker als Aktiver bis auf etwa zweieinhalb Jahren immer treu. In der Zeit war ich aus gesundheitlichen Gründen ans Haus gebunden und konnte so das Treiben im Pokerzirkus nur übers Internet oder durch Mails von Freunden mit verfolgen. In den elf Jahren habe ich selbst nicht soviel gespielt, aber immer an Poker Projekten gearbeitet. Pokerschüler betreue ich immer und regelmäßig gab es auch Beratung für Poker-Casinos oder Poker-Veranstalter. Viele Länder sind im Umbruch gerade was die Glücksspielgesetzgebung betrifft und da werden sich in den nächsten Jahren viele interessante und spannende Projekte ergeben.
Rudi: Es gab in den Jahren 2005/06 eine Unterbrechung Deiner physikalischen Abwesenheit vom Pokerzirkus. In der Zeit hast Du auch selbst gespielt und sogar Turniere gewonnen. War das eine Art zeitlich begrenztes Comeback?
M.R.: Nein, das hat sich einfach so ergeben. Zu der Zeit hatte ich einen Intensiv Pokerschüler, den ich auf die WSOP vorbereitete. Er lag mir von Anfang an in den Ohren, dass er sich wünschte, dass ich ihn auch zu Turnieren begleite. Zu Beginn sind wir für damalige Verhältnisse zu kleineren Veranstaltungen wie Bad Homburg, Schenefeld oder auch nach Holland oder Spanien. Gegipfelt hat das Ganze damit, dass wir auf der WSOP 2006 in einem Haus gewohnt haben, auch mit anderen Pokerspieler. In den Monaten danach habe ich auch den Entschluss gefasst wieder verstärkt selbst Poker zu spielen. Leider hatte ich dann die schon erwähnten gesundheitlichen Probleme, die mich bis letztes Jahr davon abhielten aktiv zu werden.
Rudi: Gab es Highlights in der Zeit, als Du mit Deinem Pokerschüler unterwegs warst?
M.R.: Neben den Turniergewinnen, erinnere ich mich besonders daran, dass ich auf einer Veranstaltung in Schenefeld in allen drei Turnieren an den Final Table kam und auch die Overall-Wertung gewann. Lustig war dabei, dass sehr viele ganz junge Spieler teilgenommen haben, die keine Ahnung hatten, wer ich bin. Die meisten waren von Poker-Strategy und auch ihr Chef nahm daran teil. Teilweise hochtalentierte Spieler und es machte sehr viel Spaß mit ihnen zu spielen. Beim ersten Turnier nahm mich von denen keiner ernst. Am nächsten Tag wussten sie inzwischen wer ich bin und sie hatten einen spürbaren Respekt vor mir. Als ich dann zum zweiten Mal an den Finaltisch kam, gingen sie mir beim dritten Turnier merklich aus dem Weg. Die andere sehr schöne Erinnerung an unsere Reisen war, dass wir beide an einen Final Table während der Master Classics Of Poker in Amsterdam kamen. Shortstacked musste ich mich zwar bald verabschieden, aber mein Schüler wurde Zweiter und ich platze beinahe vor Stolz. Wenn ich ehrlich bin, freue ich mich über Turniererfolge eines Schülers mehr als über eigene. Darum werde ich in Zukunft auch öfters Schüler begleiten und natürlich auch selbst spielen.
Rudi: Also ist das kein Zufall, dass Du gerade jetzt aufgetaucht bist?
M.R.: Mehr oder weniger schon. Es war geplant, dass ich mich im Sommer in Velden bei der Wörther See Trophy zum ersten Mal wieder blicken lasse. Es ist das letzte große Seven Card Stud Turnier in Kontinentaleuropa und es ist nach wie vor mein Lieblingsspiel. Aber wegen des Ausfalls von Mitarbeiter musste ich den Besuch leider verschieben. Jetzt hat es aber geklappt und ich bin auch u.a. mit einem Pokerschüler in Baden gewesen, der sogar das 300 Euro No Limit Hold´em Turnier gewinnen konnte. Ich sehe sehr viel Potential in dem jungen Mann und was mir sehr gut gefällt neben seiner Wissbegierigkeit und seinem Ehrgeiz, ist seine Bescheidenheit. Zu oft habe ich es schon erlebt, dass Arroganz, Selbstherrlichkeit und die meist damit einhergehende völlig überzogene Selbstübereinschätzung dazu geführt hat, dass die wahren Talente und die guten Anlagen nicht zur Geltung kamen und das oft mit sehr negativen Folgen.
Rudi: Wie hast Du es empfunden hierher zurück zu kommen. Immerhin hast Du in den 1990er Jahren jahrelang auf der Poker-EM teilgenommen.
M.R.: Im Vorfeld hatte ich mich sehr darauf gefreut hierher zu kommen, aber als ich mit dem Taxi vor dem Casino ankam, merkte ich die Anspannung und dieses unbeschreibliche Gefühl, das Turnierspieler haben, wenn ein tolles Turnier bevorsteht. Als ich dann die Treppe hochging und in den großen Spielsaal schaute, da merkte ich, dass ich hierher gehöre, dass ich auch als Spieler wieder Teil des Pokerzirkus sein möchte.
Rudi: Wir beide kennen uns schon seit vielen Jahren und ich muss sagen, dass ich Dich seitdem Du aus Baden zurück gekommen bist noch nie so gut drauf erlebt habe. Du bist also zufrieden mit dem Verlauf Deiner Poker-EM Reise?
M.R.: Rundum sogar. Alle die mit mir hier waren, hatten eine tolle Zeit, mein Pokerschüler gewinnt ein Turnier und ich selbst habe auch eine „Ehrung“ erhalten: Nach dem Turniergewinn meines Schülers, spielte ich noch in einem Satellite. Ein alter Freund von mir kam zum Tisch und schaut mich kopfschüttelnd ne Weile an. Dann sagt er quer über den Tisch: „Matthias, es ist ja schon schlimm genug, dass Du wieder da bist und uns das Leben schwer machst, aber musst Du jetzt auch noch Deine Schützlinge mitbringen.“ Der ganze Tisch bog sich fast vor Lachen.
Rudi: Jetzt noch eine abschließende Frage zum derzeit bewegendsten Moment in der deutschsprachigen Poker-Welt. Was erhoffst Du Dir durch den Main Event Sieg von Pius Heinz für Poker im deutschsprachigen Raum?
M.R.: Erhoffen tue ich mir einiges, die Frage ist was wird realistisch passieren. Das jetzt schon sehr positive ist, dass durch die umfangreichen Berichte in den Medien auch bekannt wurde, dass Pius nicht nur für sich alleine an seinem Spiel gearbeitet hat, sondern auch einige Fachleute zu Rate gezogen hat. Neben reinen Pokerlehrern, gibt es auch einen Mental-Trainer und vor dem Final Table hatte er sich auch intensiv mit Körpersprache und professionellem Profiling befasst. Viele Leute hatten bis zu diesem Ereignis eine neutrale oder sogar negative Einstellung zum pokern, aber die Kombination, dass ein junger Deutscher über Nacht zum Helden wird und dem Bekannt werden des jahrelangen und am Ende sogar intensiven monatelangen Trainings lässt auch für diese Leute das Spiel nun in einem neuen Licht erscheinen. Speziell für Deutschland erhoffe ich mir, dass die Behörden, die seit Jahren schon dankenswerterweise die Sachpreisturniere dulden vielleicht noch einen Schritt weitergehen und das Pokerspiel in den Spielbanken vom regulären Glücksspiel trennen. Das soll nicht heißen, dass es da verschwinden soll, sondern es könnte mit einer deutlich niedrigeren Besteuerung belegt werden, damit die Spielbanken in der Lage wären niedrigere Limits bzw. Blinds an zu bieten.
Rudi: Ich bedanke mich für dieses aufschlussreiche Gespräch und wünsche Dir bei Deinen zukünftigen Aktivitäten und besonders bei Deinen Turnierteilnahmen viel Spaß und Erfolg.
M.R.: Und ich wünsche mir, dass Du Deine Artikel in Zukunft, endlich mal in digitaler Form und nicht mit der Schreibmaschine geschrieben UND VORALLEM pünktlich ablieferst.