Kolumnen

Nehmen wir einfach mal an…

Nehmen wir einfach an wir sprächen heute nicht über Poker, sondern über die Formel 1.

Bad Boy

Nehmen wir einfach mal an, Umfragewerte hätten ergeben, dass Sebastian Vettels Sympathiewerte gleich wie jene von Bambi und Pooh dem Bären sind. Ein sehr junger und sehr braver Knabe, der immer frisch rasiert ist und so aufregend wie eine Wiederholung von GZSZ ist. Das entspricht aber so gar nicht dem coolen, toughen Draufgänger-Image, das Red Bull seit Jahren verfolgt. Wie sehr Red Bull das Bad Boy Image mag, zeigt u.a. die Geschichte mit dem Skispringer Andy Goldberger, als dieser „wirklich-nur-einmal-gekokst“ hatte und alle Sponsoren sich verabschiedeten, war Red Bull der einzige internationale Konzern der zu ihm stand.
Im Sommer 2012 sagte Jacques Villeneuve über Sebastian Vettel, dass ihm das Profil eines wahren Champions fehlen würde. „Mit dem schnellsten Auto aus der Poleposition heraus von Sieg zu Sieg zu rollen, mache ihn noch längst zu keinem großen Formel-1-Piloten – allen WM-Titeln und Bestmarken zum Trotz“, so der Ex-Weltmeister. (Quelle: Die Welt)
In den finalen Rennen des letzten Jahres emanzipierte sich Vettel durch fahrerisch grandiose Siege. So strafte er zumindest Villeneuve und den anderen Kritikern Lüge.
Aber so richtig verwegen machte ihn das noch immer nicht.

Bambi verliert Vettel als Vorbild

Auf jeden Fall müsste das Image von Sebastian Vettel etwas verschlechtert werden. Drogen, Prostituierte oder Disco-Schlägerei kämen nicht in Frage. Erstens würde man das  Bambi nicht zutrauen und zweitens dürfte das Image von Red Bull nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Was läge also näher, als eine  „sportliche Bad Boy Situation“ zu inszenieren?
Durch das Überholmanöver zeigte Vettel „Kampfgeist“ und stellt seine Interessen über den „Teamgeist“. Zwei Standpunkte, welche die beiden großen F1-Zusehergruppen ansprechen. Die, die Loyalität  in den Vordergrund stellen und jenen, die Einzelgängerromantik als emotionell verfolgungswürdig erachten. Beide Gruppen sind unterschiedlicher Meinungen, respektieren sich aber gegenseitig. Das Image von Vettel ist sportlich positioniert (ab sofort:  draufgängerischer Kämpfer, der für seinen Sieg unberechenbar wird) und wird trotzdem oder „erst recht“ respektiert.

Stallorder

2010 erklärte Red Bull Chef Dietmar Mateschitz in einem Interview noch: „Bei uns gibt es keine Stallorder, sondern der Bessere oder auch der Glücklichere von beiden möge gewinnen“ (Quelle: motorsport-magazin.com). Das sagte Mateschitz aber nicht am Anfang der Saison, sondern als es bereits um die Weltmeisterschaft ging. Genau derselbe Rennstall soll nun im zweiten Rennen Team-Order ausgeben? Wen interessiert das zweite oder dritte Rennen einer Saison, die noch X Rennen dauert? Wahrscheinlich wenige. Was wäre logischer als der mangelnden Aufregung durch eine „gebrochene Teamanweisung“ etwas nachzuhelfen? Das ganze „Rennmanöver“ war zudem noch völlig Regelkonform.

Webber

Webber hatte genug Vorsprung und war so gar nicht verwundert, dass Vettel von Runde zu Runde schneller wurde, obwohl die Order „Schonung“ ausgegeben wurde. Weshalb wurde Webber nicht vorsichtig? Gute Freunde waren sie nie, also musste er mit einem Angriff rechnen. Und es war nicht so, dass Webber seinen Kontrahenten einfach so vorbeifahren ließ. Vielmehr drängte er ihn an die Boxenmauer und riskierte so einen Unfall. Und sehr nervös war die Kommunikation zwischen Webber und Teamchef Christian Horner auch nicht, als Vettel angerast kam und nicht so tat als bestünde zwischen den beiden ein Waffenstillstand, so wie Webber sagte, dass er gedacht hätte.

Der Gewinn

Der „Krieg bei Red Bull“ wie viele Zeitungen die kommende Kontroverse zwischen Vettel und Webber prognostizieren, lässt die Quoten für alle Beteiligten steigen und die Marketingabteilung von Red Bull jubeln.
In den letzten Wochen hatten fast alle  Tages und Wochenzeitungen Red Bull am Titelblatt. Der Eye-Catcher der Vorberichterstattung für den kommenden Grand Prix in Shanghai/China wird „das Gift zwischen Seb und Marc“ („La Repubblica“, Italien) sein. Das ganze unter genauer und ständiger Beobachtung des „Bürgerkrieges bei Red Bull“ („The Guardian“, England)  durch die internationalen Medien – Nachanalyse inkusive und überall steht Red Bull drauf. Unbezahlbare Sendezeit vom Hauptabendprogramm bis zur Sportsschau.
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Irgendwie traue ich der Marketing-Abteilung von Red Bull so eine Nummer zu. Kühl kalkuliert, die richtigen Moves im richtigen Augenblick und wenig Einsatz für Maximum Gewinn.
Nehmen wir einfach an wir hätten nicht über Poker gesprochen.

Rab B. Hunting exklusiv für Pokerfirma.com

PS: Dem findigen Beobachter hätte das Bad Boy Image von Vettel schon vor dem  Rennen auffallen müssen. Seb war mit einem verwegenen Dreitage-Bart an den Start gegangen. Na wenn das kein Beweis ist?


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