Kolumnen

Nottingham, eine Eidechse und warum Poker so schön ist

Gerne hätte ich hier einen Bericht mit einem Turniererfolg von der “APAT Amateur Poker Weltmeisterschaft (WCOAP)” im Dusk Till Dawn Pokerclub in Nottingham, England geschrieben. Denn wieder einmal stand für mich ein schönes Deepstack Turnier auf dem Programm. Für GBP 100 (ca. €114) gab es 10.000 Startchips und 45 min. Blindlevel. Kein Wunder, dass das Turnier mit 314 Teilnehmern schon lange ausgebucht war.

Aber aus dem Turniererfolg wurde leider nichts. Im Main-Event war ich an Tag 1A bei noch 100 von 157 verblieben Spielern und sechs Stunden Spielzeit gut im oberen Viertel des Chipcounts dabei. Und dann war innerhalb von 30 Minuten alles vorbei. Alles richtig gemacht und trotzdem lief falsch, was nur falsch laufen kann – raus auf einem enttäuschenden 96. Platz. Bei den Side-Events lief es dann auch nicht besser. AK verliert den Coinflip gegen ein Paar und ein Paar verliert den Coinflip gegen AK, um nur zwei Beispiele zu nennen. Irgendwie schaffte ich es, dieses Wochenende gutes Poker zu spielen und am Ende trotzdem immer auf der falschen Seite der Coinflips zu stehen. Eigentlich ein Frustwochenende, eigentlich…!

Denn an meinem letzten Tag, bevor es zu meinem letzten Turnier ging, hatte ich mich nämlich entschlossen, bei einem netten Mexikaner in Nottingham zum Essen zu gehen. Am Eingang dieses Restaurants fiel mir eine kleine Eidechse aus Holz auf und daneben ein Schild: “Rub the Lizard for some luck”. Nun sind richtige Pokerspieler natürlich nicht abergläubisch. Aber es kann ja nicht schaden!

Für mein Turnier hat mir die Eidechse wie schon beschrieben kein Glück gebracht. Aber in anderer Hinsicht vielleicht schon. Denn, während ich auf mein Essen wartete und ich auf die verregneten Straßen von Nottingham hinabsah, wurde mir bewusst wie glücklich ich eigentlich bin und was ich dem Pokern alles zu verdanken habe.

Ohne Frage ist es das Ziel zu gewinnen und wenn man gewinnt, macht das Spiel natürlich noch viel mehr Spaß. Aber wäre ich ohne Poker z.B. jemals nach Nottingham gekommen? Ich denke eher nein. Wäre aber schade gewesen. Denn abgesehen davon, dass die Stadt einen der besten und schönsten Pokerclubs in Europa zu bieten hat, ist Nottingham an sich eine sehr interessante Stadt. Nicht unbedingt eine der schönsten Städte, aber eine mit sehr viel Geschichte. Logischerweise denkt man sofort an Robin Hood und den Sheriff von Nottingham. Aber auch darüber hinaus wurden hier gerade im Mittelalter viele Entscheidungen getroffen die für die Entwicklung von Großbritannien richtungweisend waren. Und auch wenn man die Stadt aufgrund schlechter Infrastrukturplanung im 19. Jahrhundert in das schlimmste Slum Englands verwandelt hat, zeugen auch heute noch viele alte Gebäude von der einst blühenden Stadt.

Und wer es nicht so mit der Historie hat, der findet neben einem interessanten Umland (und damit meine ich nicht nur Sherwood Forrest) innerhalb der Stadt eine der größten Partymeilen Europas. Nirgendwo in Europa gibt es mehr Bars und Clubs pro Quadratkilometer. Dazu ist Nottingham eine sehr junge Stadt mit vielen Studenten. Dementsprechend ist hier praktisch jeden Abend die Hölle los.

Glück ist das, was man daraus macht. Und ich hatte neben einem schönen Wochenende (es hat tatsächlich auch erst am Sonntag angefangen zu regnen) auch viel Spaß beim Pokern. Ich habe interessante Leute kennengelernt, konnte mit Maria Demetriou einige spannende Hände spielen und habe Julian Thew, den Gewinner der EPT 2007 in Baden nur ganz knapp verpasst (er ist genau eine Hand, bevor ich an seinen Tisch kam, ausgeschieden).

Und war ich nicht erst vor kurzem zum Pokern bei einem traumhaften Wochenende am Wörthersee? Oder wie war das mit Las Vegas und der WSOP? Dublin im Frühjahr und im Herbst? So viele Orte, die ich vielleicht nie besucht hätte und so viele schöne Erlebnisse, die ich nie gehabt hätte. Genau deswegen werde ich auch künftig jede meiner Pokerreisen genießen, egal wie das Ergebnis im Spiel selber aussieht. Und Nottingham und das Dusk Till Dawn sind sowieso immer wieder eine Reise wert, denn auf dem Turnierplan stehen regelmäßig interessante Events.

Und dann wäre da noch die Geschichte, die mir mein Taxifahrer gestern auf der Heimfahrt über eines der Norweger-Wochenenden erzählt hat (die Norweger lieben das Dusk Till Dawn). Wenn er Norweger fährt, meinte er, dann haben die immer einen riesen Spaß. Also fragte er einmal: “So wie ihr drauf seid müsst ihr richtig viel gewonnen haben.” Die Antwort der Norweger: “Nein im Gegenteil, wir haben verloren. Aber das ist egal – morgen holen wir uns alles wieder. Aber jetzt ist erst mal Zeit für Party”.

Norweger brauchen wohl keine Eidechsen aus Holz. Norweger sind anscheinend von Natur aus glücklich. Auf dem Weg nach draußen hab ich nochmal die Nase der Eidechse gerubbelt … kann ja nicht schaden!


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