Kolumnen

On „Mr. Lucky“

(…) Er fuhr fließend und laut denkend fort, ob nicht vielleicht Phil Ivey ihn staken könnte. „Wieso sollte Ivey dich staken wollen?“ fragte ich ihn. „Du hast keine guten Ergebnisse in Turnieren vorzuweisen.“ (…) Für die Printausgabe 5 des Pokerfirma Magazines hatte ich euch einen sehr gelungenen Artikel Chad Browns übersetzt und versprochen, diesen hier online nachzubereiten.

Gerne fasse ich euch zunächst den Inhalt des Artikels kurz zusammen:

Ein Standardpokerspielerprofil (maximales Ego, aber minimal flüssig, weil einfach maximal oft nicht einmal minimales Glück erfahren wird…) frägt nach Staking. Nach so mancher fast schon normal-abstrusen Erklärung des flachen (weil noch verkanten) Künstlers am Tisch rät Chad folgendes: „Lucky, ich rate dir, die Turniere mit großen Buyins erst mal zu streichen und dich auf Online Poker zu konzentrieren. Spiele in den nächsten sechs Monaten so viele Turniere wie nur möglich. Danach hast du alle möglichen Statistiken und die Felder sind viel softer als bei großen $10.000-Turnieren. Wenn du nach sechs Monaten keinen nennenswerten Profit gemacht hast, gibt es wohl ein paar Schwächen in deinem Spiel. Und wenn du richtig viel gewinnst, brauchst du niemanden nach einem Staking fuer große Turniere zu fragen.“

Diese Grundeinstellung arbeitet Chad im Verlauf des Artikels noch weiter heraus. Nicht vorenthalten möchte ich euch folgende zwei Stellen:

(…) Diese Poker-Ego-Krankheit von Lucky ist zwar extrem, aber es gibt viele Spieler, die genau an ihren Symptomen leiden. Sie haben eine kleine Bankroll, aber viel größere Erwartungen an ihr Spiel. (…)

(…) Eine der wichtigen Eigenschaften auf dem Weg nach oben ist Ehrlichkeit mit sich selbst. Wenn du dir selbst eingestehst, dass du in einer Session schlecht gespielt hast, dann bist du in der Lage, das Problem zu lösen, und es wird weniger wahrscheinlich erneut auftreten. Wenn du dir aber selbst einredest, dass du einfach nur Pech hattest, dann wirst du nichts lernen und die Schwachpunkte in deinem Spiel werden bleiben. (…)

Chad trifft in diesem Artikel den Nagel auf den Kopf. Fertigkeiten am Pokertisch sind extrem schwer messbar. So ist es keine Seltenheit, dass stete Beinahe-gewinner in einer Sache tatsächlich erfolgreich sind und bleiben: darin, sich selbst einzureden, dass z.B. der Teufel Schuld daran ist, dass die Sonne immer anderswo scheint. Dabei braucht es keine Dämonen, um bereits mittelfristig Erklärungen für erfolgreiche aber auch für verlustreiche Karrieren zu finden. Entscheidungsqualität und Erfolg am Pokertisch hängen nun einmal unbestreitbar voneinander ab.

Der beste Indikator für gutes Spiel ist und bleibt deshalb die eigene Bankroll. Da kann man 100 Mal das trostspendende Märchen erzählen, dass ein guter Spieler auch mal broke sein muss: wer wirklich gut ist, dem verbietet es sich, kein Kapital zu haben. Poker beginnt nicht mit der ersten Hand am Tisch. Es beginnt mit der Entscheidung, welche Ressourcen (in Zeit und Kapital) man an welche Tische bringt und es endet mit der Entscheidung, wann man diese Mittel wieder abzieht.

Ist man in diesem Gesamtprozess – also vor, während und nach dem Spiel – ein guter Entscheider, dann verdient man das Prädikat „guter Spieler“; dann geht man auch nicht broke und dann muss man seine Umwelt auch nicht mit Geschichten vom Teufel amüsieren.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer für
gambling-institute.de
– calculated gaming -.


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