Kolumnen

On Implied Odds

Ich zahle im Wissen darum, aktuell und für sich gesehen zu misswirtschaften – doch auch in der Hoffnung, auf massiven zukünftigen Reibach, der meine aktuelle Entscheidung im Nachhinein rechtfertigen wird.

Implied Odds sind ein wichtiges und mächtiges Konzept. Zudem sind sie zweischneidig. Um als Pokerspieler bestehen zu können, muss man die Idee dahinter verstehen und entsprechend anwenden können. Um aber überhaupt einmal zu einem guten Spieler zu werden, muss man in der Lage sein, als defizitär erkannte Szenarien einfach weg zu werfen anstatt sie sich über das Argument Implied Odds schön zu denken. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Spieler besser fahren würden, wenn sie davon nie etwas gehört hätten. Denn die Gefahr, das Konzept zur Rechtfertigung von suckenden Calls zu missbrauchen, übertrifft meiner Einschätzung nach den Hebel bei korrektem Einsatz. Deshalb will ich hier auch gar nicht den ohnehin bereits kalten Kaffee des Konzepts ein weiteres Mal aufkochen.

Viel lieber will ich in diesem Zusammenhang ein aktuelles Thema, den spektakulären Raub aus dem Pariser Museum für moderne Kunst, bemühen. Das ist doch mal ein gutes Beispiel für fehlende implied Odds. Ein Dieb sieht offensichtlich die Chance für ein „Play“. Er geht das Risiko und es gelingt. Doch was nun? Wo liegt sein Nutzen? Was ist die Chance, die das Risiko auf Knast kompensiert? Wie bekommt er Payoff? Hat er diese Konstellation nicht kommen sehen? Muss er sie nicht kommen sehen? Es bleibt wohl ein Suckerplay trotz scheinbaren Gelingens.

Wenn ich am Pokertisch einen Call nach implied Odds mache, dann stelle ich sicher, dass alle folgenden Kriterien erfüllt sind, ansonsten entscheide ich mich dagegen:

Es ist ein großer finanzieller Hebel möglich. Die aktuellen Kosten sind also viel kleiner als der potenziell zu gewinnende Reststack. Die Chance, dass es im Trefferfall rund geht, ist groß. Dazu muss ich beim Gegner ein möglichst solides Blatt vermuten dürfen, damit er oft auch dann gut ist, wenn ich sehr gut werde. Weiter wünsche ich mir einen aktiven Gegner, der sich nicht so leicht von seinen guten Händen trennt. Ich brauche selbst ein Blatt, das vernünftig oft und möglichst versteckt trifft – Preflop etwa ein kleines Paar zum Setmining oder aber einen schwer zu lesenden Double Belly Buster am Flop. Ich selbst schließlich möchte für diese Aktion am liebsten als wilder Spieler wahrgenommen werden, damit sich mein Gegner nicht gleich verschreckt, sollte ich treffen und setzen.

All diese Faktoren und auch manche mehr gilt es realistisch einzuschätzen, ehe man hier und jetzt einen Preis zahlt, den die Chancen, das Blatt der Wünsche zu realisieren, für sich gesehen nicht rechtfertigen. Auf implied Odds zu spielen ist ein „Trotzdem“. Gutes Anwenden dieses Konzepts ist sich dessen bewusst. Man setzt es nur dosiert und immer mit gutem Grund ein. Das ist die Kunst am Pokertisch.

Der Kunsträuber hat meiner Meinung nach manches Stoppschild einfach überfahren und muss nun sehen wie er mit seinem getroffenen Draw umgeht. Vermutlich wird er bald genug Zeit haben, darüber nachzudenken, dass man Spiele zu Ende denkt, ehe man sich involviert.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan M. Kalhamer für
the-gambling-institute.eu
– calculated gaming –


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
1 Kommentar
Inline Feedbacks
View all comments