Kolumnen

On Odds

Bei Grundeinsätzen von 50 und 100 eröffnet ein Spieler aus früher Position mit 250. Es wird einmal bezahlt ehe die Action beim Big Blind landet. Er hält 44 und bezahlt. Eine gewöhnliche Situation – nichts besonders. Genau deshalb ist sie so wichtig. Sie zu verstehen braucht eine wenig Mathematik – keine neue oder tiefliegende Mathematik; aber dennoch eine, nach der ich sehr sehr häufig gefragt werde.

Obige Situation trat in meinem jüngsten Workshop auf und ich habe (natürlich 😉 ) eine Tafel dazu vollgemalt:

Das fertige Tafelbild bringt ehrlich gesagt nur dem etwas, der das Wirken von Odds ohnehin schon versteht. Mein Ziel in den folgenden Zeilen ist es, das Tafelbild erneut zu entwickeln. Am Ende soll jeder Leser auf dem Stand derer sein, die das Bild gleich komplett verstanden haben.

 

Die Farbe Grün:

Die ersten drei Zeilen (+150, +250, +250) erfassen den aktuell gesichert möglichen Zugewinn für den Big Blind. Die 4. Zeile (+650) fasst die ersten drei Zeilen zusammen. Der BB mit dem Pocketpaar kann also – sollte er im Spiel bleiben – mindestens 650 Chips hinzugewinnen.

Dafür hat er aber einen Preis zu entrichten. Dieser steht in der 5. Zeile mit -150. Sowohl die 4. als auch die 5. Zeile werden dann mit den Faktoren x1 bzw. x8 belegt. Das ist ein wichtiger Punkt.

Um die Entscheidung des BB (hier mit 44 zu bezahlen) unmittelbar bewerten zu können, muss man wissen, dass die Wahrscheinlichkeit aus einem Paar einen Drilling am Flop zu entwickeln in etwa bei 1:8 liegt. Es wird also wie folgt kalkuliert, um ein Gefühl für die Situation zu bekommen:

Angenommen der BB foldet diese Situation immer, so gewinnt er nie etwas hinzu, verliert aber auch nie weitere Chips. Sein aktueller Stack spielt also trivialerweise +-0. Bezahlt er aber immer und nehmen wir der Einfachheit halber an, dass er bei gemachtem Drilling immer gewinnt – ohne Set am Flop aber immer verliert – so verliert er langfristig eben achtmal so oft 150 als dass er 650 gewinnen kann. Dies führt zu dem langfristigen rechnerischen Minus von 550 (650×1 – 150×8) aus der 6. Zeile. Ohne jede weitere Überlegung ist also Fold (+-0) besser als Call (-550).

Doch gerade am Pokertisch ist es keineswegs verboten zu überlegen! Was passiert denn im Folgenden, wenn der BB callt? Es gibt gesichert einen Flop. Der Pot ist gesichert bei 800 und der BB hat 2 Gegner im Spiel. Er darf also folgende Überlegung anstellen:

Die Farbe Blau:

Glaube ich, dass ich in den Fällen, in denen ich einen Drilling mache, das rechnerische Minus kompensieren kann? Diese Frage deutet der blaue Pfeil von „x1“ (dem Falle eines Sets) auf die blauen „+550“ an. Was bedeuten diese blauen positiven 550? Das sind die benötigten Implied Odds, ab denen Call besser als Fold wird.

Der Big Blind callt also dann mit Recht, wenn er weitere bezahlte Wetten von durchschnittlich mindestens 550 erwarten darf. Deshalb ist eine natürlich notwendige Bedingung für diesen Call, dass die Stacks im Spiel ausreichend groß sind – was hier keine wirkliche Hürde sein sollte.

Weiter gelten folgende Relationen für die Beurteilung des fraglichen Calls:

– je größer die beteiligten Stacks, desto besser für den Call.

– je höher die Spielfreude der Gegner desto besser für den Call.

Deshalb gilt auch etwas, das auf den ersten Blick irritieren kann:

– je besser die vermuteten Starthände der Gegner, desto besser für den Call!

(Denn gerade dann wenn der BB trifft, dann will er, dass die Gegner Toppaar oder gar ein Overpair halten. Denn gerade dann geht viel in den Pot – insb. mehr als 550.)

Insgesamt ist die beschriebene Situation ein ziemlich klarer Call. Denn gegen 2 Gegner und bei einem Pot von bereits 800 ist es durchaus plausibel an eine weitere bezahlte Wette von 550 zu glauben.

Die beiden untersten Zeilen links neben +550 und der bilanzierenden Null stellen eine weitere bilanzierende Null und +1.150 dar. Beides führt zum folgenden Alternativbeispiel in Rot.

Die Farbe Rot:

Hätte sich der Initialraiser statt einer Wetthöhe von 250 für 350 entschieden und wäre auch dann einmal gecallt worden, so hätte der BB 850 gewinnen können und hätte dafür 250 bezahlen müssen. Das treibt das langfristige rechnerische Minus auf 1.150. Man braucht also eine höhere Erwartung an das Folgespiel (man braucht höhere Implied Odds), um immer noch profitabel callen zu können. Eine einfache bezahlte Wette tut es nun schon nicht mehr.

Die Farbe Schwarz:

Wäre schließlich das neue erhöhte Opening nicht durch eine dritte Partei bezahlt worden (die zweiten roten 350 werden schwarz durchgestrichen), so blieben die Kosten für einen Call des BB natürlich gleich hoch, aber der aktuelle Pot würde auf 500 sinken. Somit steigen die Implied Odds auf 1.500 bei nur einem Gegner und einem gleichzeitig geschrumpften Pot.

Hier ist ein Call nur mehr dann profitabel, wenn man einen wirklich guten Folgeplan hat, der konkrete Merkmale des Gegners mit hoher Wahrscheinlichkeit ausnutzt. Das verlässt dann aber das Thema meines heutigen Beitrags. Die Mathematik hilft eine Situation zu verstehen. Sie gibt die Rahmenbedingungen für eine gute Pokerentscheidung vor. Nicht mehr, aber sicher auch nicht weniger.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan Kalhamer für

gaming-institute.de


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