Kolumnen

Poker am Nasenring

Vor wenigen Tagen saß Philipp S. neben mir an einem Tisch in einem Restaurant in Berlin. Zuerst redeten wir gar nicht miteinander, dann Oberflächliches und am Ende Tacheles. Wir redeten über Poker und vergebene Chancen, wir redeten über Marktführer und deren Verantwortung und wir redeten über Werbeverträge. Philipp S. ist Manager von Pius Heinz.

imageS. redete über große Deals und dem Werbewert des Produktes „Poker“. Er redete von Synergien und über Imagetransfers. Er redete über seinen Vertrag zwischen Pius Heinz und dem Schuh-Diskonter Deichmann. Er erzählte wie groß seine Leistung für Poker war (dass endlich ein branchenfremder Konzern den Wert „Poker“ erkannte) und sein Publikum applaudierte.

Vordergründig dürfte ein Vertrag mit einem branchenfremden Konzern wirklich als gewinnbringend für Poker gesehen werden. Endlich im Werbe-Hauptabendprogramm, zwischen „H&M“ und „der neuen Mercedes S-Klasse“, endlich nicht mehr „Spielsüchtige“, sondern „Lebemänner“, endlich angekommen im Mainstream. Einige Verantwortliche im Poker-Business finden den Deal zwischen Heinz und Deichmann gar-nicht-mal-so-schlecht für die Branche – in Wahrheit ist es ein Pyrrhussieg.

„DU vs. Pius Heinz! Gewinne 2 von 4 Plätzen im Most Wanted Pokercamp im DLoft in Berlin“. Das ganze wird mit Bildern aus Las Vegas untermalt und am Ende gibt’s noch Sneakers um 19,99 Euro.

Das Most Wanted Pokercamp (!) ist austauschbar gegen „Springe mit Felix Baumgartner vom Eiffelturm!“, „Geh mit Reinhold Messner auf Yeti-Suche“ oder „Werde Weltraumtourist und flieg mit Richard Branson ins All“ usw.

Poker wird wie ein zweiköpfiger Stier in einer Freak-Show am Nasenring durch die Werbe-Manege gezogen. Nur weil eine Firma „mal-was-mit-Poker-macht“ darf man nicht davon ausgehen, dass diese Poker wirklich ernst nimmt. Wenn diese Firma/Konzern es ernst nehmen würden, dann hätten sie ein Pro-Team gesponsert und würden damit auf die Werbetrommel gehaut haben, aber davon sind wir weit entfernt und werden es auch bleiben.

Poker und branchenfremde Werbung werden unter den momentanen Umständen nicht zusammenfinden. Mercedes oder Cartier werden sicher nie ein Pokerturnier sponsern, solange die Rechtslage in allen drei deutschsprechenden Staaten so unsicher für alle beteiligten ist. Auch wenn wir in einem halbwegs aufgeklärtem 21. Jahrhundert leben, so zählen Statussymbole mehr denn je zu den „must-haves“ am Pokertisch und Pokerspieler brauchen nicht viel Überredung, um etwas mehr für Luxus auszugeben. Ein Cartier-Open bleibt Phantasie, obwohl die Umwegrentabilität z.B. einer EPT bei ca. 10 Millionen Euro liegt und das ohne Buy-ins.

Ein gelungenes Beispiel von Einklang zwischen Wirtschaft und Poker sieht man in Frankreich. Durch die staatliche Pokerlizenzvergabe wurde ein neuer Werbemarkt und dadurch ein neuer Spielermarkt eröffnet. Kaum war Poker in Frankreich legal und offiziell, näherten sich die ersten branchenfremden Werbetreibende um den „neuen“ Markt zu sondieren.

Aber ist Poker überhaupt werbewirksam? Auch wenn man Poker nie in einem Casino, sondern immer nur z.B. in Stadien gespielt hätte – so als ob es Sport wäre – selbst dann würde es Poker als Breitensport nicht geben. Poker ist zum zusehen sterbenslangweilig. Zehn Personen, die für unbestimmte Zeit bewegungslos um einen Tisch sitzen, sind nicht unbedingt der Bringer im Hauptabendprogramm.

Das Image von Poker in der Öffentlichkeit ist zwar sexier als Stillfischen, Schach oder Doppelkopf, aber noch bei weitem nicht so, dass ein Großteil der Hauptabendprogrammseher den Daumen von der Fernbedienung nehmen, wenn im TV Poker läuft (anders bei Fußball, Pornos und Schießereien mit Verfolgungsjagden). Das liegt aber nicht nur am TV-untauglichen Wettkampf, sondern es mangelt auch an „echten Typen“.

Pius Heinz war nie der Botschafter, den sich PokerStars und die ganze Pokerbewegung anfangs gewünscht hatte. Als er nach seinem Sieg, „Ich habe es für Deutschland getan“ verkündete, huschte sicher ein Lächeln über das Gesicht einiger Pokerverantwortlicher. Heinz war bei Stefan Raab zu sehen, lachte aus der Bildzeitung und gab allen namhaften Gazetten Interviews. Zwei Jahre später kehrt Nüchternheit ein. Pius Heinz war für Poker leider nicht nachhaltig genug. Pius Heinz war eine Chance – mehr nicht.

Edgar Stuchly und sein Team kreierten mit der EPT9 die Champions-League des Pokerns und zeigen selbstbewusst den schnörkelosen Weg in eine Pokerzukunft: Ein ernstzunehmender Casinosport auf hohen Niveau.

Wenn Pius Heinz heute lächelnd Schuhe verkauft, dann hat er Poker nicht geholfen – er diente nur als Nasenring.

Rab Bit Hunting exklusiv für pokerfirma.com


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