Kolumnen

Poker ist scheißrigged

Ich weiß nicht mehr, wie oft ich diesen Spruch in der letzten Woche gehört habe. Irgendwann hörte ich auf zu zählen und verschloss meine Ohren. Alle heulen, alle schreien, alle fluchen. Heulsusen, Memmen, Mau-Mau-Spieler, Mädchen. Verschwörungstheorien werden rauf und runter gebetet. Jeder, der verliert, verliert zu unrecht. Scheißverriggtes Scheißspiel aber auch.

Leute, regt euch ab. Oder am besten erst gar nicht auf. Nicht Poker ist rigged, das ganze Leben ist es. Poker generell ist doch schon mal per Definition kein tolles Spiel, vor allem, wenn immer die anderen gewinnen. Und – hier hilft vielleicht eine gesunde Selbstreflektion – wenn man nicht schwimmen kann, ist dann das Wasser Schuld? Oder der Bademeister ?

Ganz ruhig bleiben – Krasse Ergebnisse und Unwahrscheinlichkeiten sind beim Poker wie auch im richtigen Leben total natürlich. Auch beim Lotto übrigens. Und dennoch gibt es fast jede Woche einen neuen, geriggten Lotto-Millionär. Natürlich sind auch das immer die anderen. Mau Mau übrigens ist auch rigged. Ich sitze hinten mit nem Jack, bin schon sicher auf der Siegesstrasse und der Bettnässer vor mir legt ne Acht ab. Ja, also, wenn das nicht fucking rigged ist. Als wenn der russische Fisch beim 0,15 Cent-Turnier seinen Two-Outer auf dem River trifft.

Natürlich gibt es statistische Ausreißer beim Poker. Ein Blom, der anfangs jede Hand gewann oder ein Gartenbach, der meistens im zweiten Level ausscheidet. Natürlich hat der Blom eine signifikantere Edge auf mich, trotzdem hat er auch nur zwei Karten.

Wobei wir auch schon bei einem anderen meiner Lieblingswörter sind, welche in relativer Unkenntnis von überwiegend engagierten, dennoch eher mittelmäßigen Nerds und Sachpreis-Teilnehmern vorgetragen immer und immer und immer wieder vorgetragen wird – die berühmte Varianz. Für mich bleibt Pik immer Trumpf.  Oder Karo. Je nach Wochentag. Da variiere ich meine Varianz relativ oft. Und ziehe mir so den ein oder anderen Pot. Aber das ist keine rigge Varianz, das ist einfach nur Glück. Aber – machen wir uns nichts vor – die anderen 98 Prozent verlieren wir wegen Unvermögen, Schwächen und wegen Tilt. Voll tilt.
Pokern ist  kein Zauberwald und keine Märchenlandschaft. Keine riggen Feen küssen den Flop, damit Du, ausgerechnet und nur Du, das Nuts-Full-House bekommst. Und Dich selber küsst schon sowie keine Fee. Nicht mal Deine Nachbarin hat Bock auf Dich, weil Du sie ständig mit riggen Verschwörungstheorien nervst. Denn eins ist Dir klar – ohne die dunklen Mächte wärst Du schon lange mehrfacher Bracelet-Gewinner. Das ist klar; aber nur Dir.

Genügt Dir das Leid von gestern noch nicht, vermehre es mit dem Schmerz eines Pokerspiels von heute und der Angst vor dem scheißrigged River von morgen. Poker muss weh tun. Poker muss Schmerzen bereiten, sonst könnten wir auch Untersetzdeckchen häkeln. Der einzige Weg, nie auf die Schnauze zu fallen, ist der, ständig auf dem Bauch zu kriechen. Und das macht auch permanent tilt. Und ist nicht gut für die Region untenrum.

Dieses war ein wissenschaftlich relativ unfundierter Beitrag vom wohl überflüssigsten Pokerkolumnisten aller Zeiten. Ich weiss, ihr habt schon bessere Kolumnen gelesen. Aber nicht von mir.


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