Kolumnen

Pokerbitches und Machotrommler

Der Mann ist so beschaffen, dass er dem vernünftigsten Argument eines Mannes widersteht, aber dem unvernünftigsten Blick einer Frau erliegt.“ Honoré de Balzac

Wenn das stimmt, sind wir beim Pokern aufgeschmissen! Seit wir uns in Europa aus dem feudalistischen Mittelalter in die Neuzeit bewegen, ist es für Männer schwierig geworden, sich abzugrenzen und die Rückzugsräume sicher zu halten. Pokern war so ein Rückzugsraum – und frau war froh, dass man(n) etwas für sich tat, ohne sie dabei zu belästigen. Nachdem Wirtshaus, Garage und Wissenschaft gefallen sind, ist auch in den Pokerräumen ein mächtiger neuer Konkurrent aufgetreten: Mann und Frau stehen sich jetzt auf praktisch jedem Feld als Gegner gegenüber.

Vom Einparken bis zum Kochen wird alles zum Duell erklärt. Nur noch ein paar wenige lieb gewordene Stereotypen wie „Frauen und Schuhe“ oder „Männer und Bier“ darf man noch scherzhaft äußern, alles andere ist zum Wettkampf freigegeben. Warum pokert man? Häufigste Antwort: um Geld zu gewinnen. Die Gespräche sind es ja nicht unbedingt, Freundschaften werden auch eher selten geschlossen und zur Arterhaltung – so wie man sich einen Hund hält, um ins Gespräch zu kommen – ist Pokern auch ungeeignet: Wer will schon eine/n Spieler/in als Vater/Mutter seiner Kinder? Wir alle spielen um Geld – allerdings eher Männer als Frauen. So ist das in unserer Gesellschaft schon lange. Das „schwache Geschlecht“ steht geschichtlich in einer anderen Tradition: Eine Frau spielt und riskiert nicht, sondern erhält und bewahrt. Dieses Bild wird am Pokertisch noch fröhlich abgefeiert. Gleichzeitig wird um die Frau am Pokertisch geworben, aber nicht aus emanzipatorischen Gründen. Findet sich also eine europäische Frau am Pokertisch (an die Koreanerinnen hat man sich beim Cashgame ja schon gewöhnt), so wird das von Männern freudig goutiert, aber nicht reinen Herzens. Frau darf gerne mitspielen, ihren Sex einbringen und ihr Geld abgeben.

Frauen zum Pokern oder Pferdewetten zu bewegen, hat nur das Ziel, mehr Geld in diese Industrie zu pumpen. Da Frau inzwischen ihr Geld meist selbst verdient, steht dem auch nichts im Weg.

Was hat also Pokern den Frauen zu bieten? Meiner Erfahrung nach fast nichts: schlechte Luft, schlechte Manieren, Abschätzigkeit der männlichen Mitspieler – und auf der positiven Seite einen fragwürdigen Ruf und natürlich die Chance, Geld zu gewinnen. Es ist also nicht so leicht, Frauen an die Spieltische zu bringen, zumal die meisten von ihnen es nicht besonders sinnvoll finden, so ihr Geld zu verdienen oder zu verlieren. Männer geben sich nicht der Illusion hin, dass das, was sie tun, sinnvoll ist, Frauen denken da etwas fokussierter. Gibt es vielleicht deshalb weniger Frauen beim Pokern, weil sie sich nicht mit kindischen Spielen aufhalten möchten? Es sind ja auch die Männer, die mit den Kindern im Buddelkasten sitzen, stundenlang Türmchen bauen und wieder umwerfen, während auf den umliegenden Parkbänken von Frauen Probleme diskutiert werden oder etwas hergestellt wird.

Gegenüber der unreflektierten Meinung, dass frau nicht spielen kann, wird ja wohl jedem, der sich je mit einer Frau eingelassen hat, klar sein, dass sie prinzipiell viel zweckorientierter handelt. Mit Bällen, Plastikmännchen und der Playstation verblödelt sie nicht ihre Zeit. Das gefährliche, riskante Spiel ist es, das sie interessiert. Spielt sie nicht leidenschaftlich mit Gefühlen, setzt sie nicht gern Spiel mit Übervorteilen gleich, sind Intrige und Täuschung nicht ihre eigentlichen Domänen? Über die Jahrhunderte hat sie auch die Werkzeuge dazu entwickelt: das Kostüm, die Täuschung und Tarnung, das Wissen, keine Gnade zu erfahren, und die Bereitschaft, keine zu gewähren. Macht sie diese Ausbildung nicht zur idealen Pokerspielerin? Ja, sicher, aber diese Erfahrungen werden ökonomisch natürlich nicht im Spiel, sondern im Kampf verwendet. Sie spielt und wettet eben nicht um Peanuts wie Geld, Ruhm und Ehre, sondern gamblet um viel wertvollere Dinge – nicht um zu gewinnen, sondern um zu leben. Und wenn sie gewinnt oder verliert, dann lächelt sie, als sei es nur ein Spiel gewesen.

Nun setzt sich so eine Frau uns gegenüber an den Spieltisch. Klar bekommen wir Angst. Eben war es noch ein Spiel, jetzt herrscht Krieg – und was macht der Mann im Krieg? Er trommelt und schreit und schickt zwischendurch diplomatische Noten. Es sind allerdings nicht nur die nackte Ignoranz und der bei Männern sehr träge einsetzende Lernprozess, die an Pokertischen „Frauen und Pokern“ zu einem Thema machen, bei dem steinzeitliche Grunzlaute als Argumente herhalten müssen. Auch die Frauen nähren ein sehr unemanzipiertes Bild von sich, indem zum Beispiel Katja Thater sagt: „Es geht um Kaltblütigkeit und darum, dass das Geld in dem Moment kein Geld mehr sein darf, wenn man sich entschlossen hat, es zu investieren. Es ist Munition. Geld darf nicht die Gedanken blockieren, man darf nicht daran hängen.“ Dieser Gedanke ist kindisches, unreflektiertes Abpausen männlicher Chauvinismen. Oder Sandra Naujoks: „Ein All-in bedeutet unter Männern doch: Lass uns vor die Türe gehen.“ Ich behaupte mal: Für Männer untereinander ist es kein Problem, all-in zu gehen oder dem anderen zu sagen: „Jetzt halt doch mal die Schnauze, ich muss nachdenken“, ohne dabei persönlich den Konflikt zu suchen oder sich angegriffen zu fühlen. In den diversen Pokerforen habe ich die von Männern geäußerte Meinung gefunden: „Frauen haben keine Eier. Wer so gegen sie spielt, als hätten sie welche, macht einen Fehler.“ Ich will jetzt hier nicht weiterem Unsinn Raum geben, weil das hieße „dem Affen Zucker geben“, sondern nur feststellen, dass beide Seiten irren und sich in ihrer Ignoranz durchaus wohlfühlen. Gegen eine Frau am Pokertisch zu verlieren, schmerzt anscheinend den Mann noch sehr. Eigentlich unglaublich, dass gerade spielende Männer so extrem unemanzipiert sind, wie es sonst nur noch im Bereich Kunst zu finden ist. Everest Poker behauptet, eine Studie gemacht zu haben, die ergab, dass ein Drittel aller Pokerspieler weiblich ist. Ich wage das zu bezweifeln, weil das bedeuten würde, dass 80 Prozent der Online-Pokerspieler Frauen sind – im Casino liegt ihr Anteil nämlich unter 10 Prozent. Die Behauptung hat wahrscheinlich Marketing-Gründe: Man will die Frau ins Boot holen und Pokern als Familiensport verharmlosen. Würde man(n) glauben, dass frau gut spielt und mit seinem Geld nach Hause geht, so würde er ihre Teilnahme nicht bewerben.

Aber abgesehen davon, dass der Mann drauf aus ist, die Frau über den Tisch zu ziehen, bringt eine Frau am Tisch, dass man(n) sich um einen halbwegs gesitteten Umgang bemüht. Dieses Verhalten wäre ja zu respektieren, muss aber als unverstandenes Relikt der Bürgerlichkeit abgelehnt und in den Katalog der emanzipatorischen Defizite aufgenommen werden. Der Zivilisationseffekt ist hier nur oberflächlich. Ob frau gewinnt oder verliert – selbst eher „vernünftige“ Männer zieht das Spiel auf das Niveau von Hafenarbeitern mit reduziertem Wortschatz herunter. Auf schleimiges Verhalten, bei dem Lob großzügig ausgeteilt und Hilfe lächelnd angeboten wird, kann frau verzichten. Prahlerei und Selbstgefälligkeit reichen durchaus zur Unterhaltung. Und nein, das Hervorheben, dass so und so viele Frauen ins Geld gekommen sind, ist natürlich keine Anerkennung, sondern vielmehr das Bestreben des Mannes, seine Machtposition aufrecht zu erhalten. Das Gegenteil von Respekt ist es, pokernde Frauen am vierten Platz zu feiern. Es wäre auch befremdlich, Schwule, Transsexuelle und im Gesundheitswesen Tätige sowie Rechtsradikale, Gewerkschaftsmitglieder und Fahrradfahrer extra zu erwähnen. (Das hat die israelische Armee begriffen und hebt Abschüsse feindlicher Elemente, die von Frauen gemacht worden sind, nicht besonders hervor.) Missverständnisse in der Sprachregelung bei der Anwesenheit von Frauen am Tisch  sind leider nicht pokerspezifisch. Unreflektierte Benimmregeln können nicht über mangelnde geistige Agilität hinwegtäuschen – und die fehlt leider (immer noch), wenn Frauen etwas Atypisches tun.  Jeder Satz, der mit den Worten anfängt „Frauen können nicht …“, ist falsch. Und ja, sie können auch im Stehen pinkeln. Gerade bei einem Spiel, bei dem man sich auf den anderen einlassen muss, ist es doch eigentlich verwunderlich, dass man(n) frau keine Karten gibt.

Da Männer naturgemäß etwas länger brauchen, um vom Abstrakten ins Konkrete zu gelangen, wird es diese Missverständnisse noch länger geben. Ein kurzer Ausflug zu derselben Problematik beim Schach: Chessbitches. „Offensichtlich werden Frauen in der Schachwelt heute nicht in erster Linie wegen ihres starken Spiels bevorzugt behandelt, sondern weil sie Frauen sind. Die einzige Ausnahme ist wieder Judit Polgar. Sie verdankt ihre Einladung zur WM in San Luis nicht der Tatsache, dass sie eine Frau ist, sondern ihrer Elo-Zahl. Und möglicherweise spielt Judit Polgar deshalb so stark, weil sie seit ihrer Jugend konsequent versucht hat, gegen starke Gegner zu spielen und darauf verzichtet hat, in Frauenturnieren anzutreten.“
Solange Frauen die ihnen angebotenen Vergünstigungen annehmen, trifft sie natürlich eine nicht geringe Mitschuld an der „Können Frauen pokern?“-Diskussion. Da freuen sie sich über „Frauen zahlen nur das halbe Buy-In“, und wenn einer darüber redet, dass Frauen einen Intuitionsvorteil beim Erkennen eines Bluffs haben, dann lächelt frau wissend und gebauchpinselt.
Das ist befremdlich und bezeichnend für einen noch langen Weg auf beiden Seiten.  Ich mag es gerne, an einem Tisch mit Frauen und Männern zu spielen. Die  reine „Buberlpartie“ neigt doch immer wieder dazu, in einen sehr niedrigen Witzstandard und eine ungerechtfertigte Verbissenheit abzugleiten,wo-hingegen Frauen am Tisch durchaus die Aufmerksamkeit fördern. Man(n) hat ja was zu verlieren – nicht nur sein Geld..

* Jennifer Shahade  LA 2005


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