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Polster, Werthan und fast ein Fiasko

Hamburg, Freitag Abend. Email von Paul Preis an Werthan mit dem Betreff „Interview Toni Polster“. Im Mail wird noch stehen, dass das Interview am Samstag sein wird und das im Wiener CCC Lugner City. Flug buchen und nach Wien. So etwas darf er sich nicht entgehen lassen.

Am Abend sitzt er noch mit Kumpels zusammen und Werthan erwähnt in der Runde, die hauptsächlich aus jüngeren, deutschen Mitbürgern besteht, dass er mit Polster ein Interview hat. Das macht der Werthan gerne – ein bisschen „name dropping“. Er erwartete irgendwie keine Antwort aus der Runde und war mehr als überrascht, als ein „WOW“ zu hören war und ein anderer sagt „Geil“ und der jüngste in der Runde sagt „Hammer“. Werthan fragt etwas verwirrt: „Ihr kennt den Toni Polster?“ Ein chorhaftes „Klar“ bekommt er als Antwort, auch von Seb, dem Spanier aus Mexiko.

Wien, Samstag Mittag, Cafe Kafka.

Werthan bereitet sich das erste Mal auf ein Interview vor, er sieht sich Toni Polster bei Harald Schmidt an und das 3:0 gegen die DDR 1990, die Ran-Zusammenfassung vom Duell Köln gegen Mönchengladbach 1996, wo Polster das erste Mal durchspielte und das 4:0 erzielte. Er notiert sich pokerbezogene Fragen und Fragen die mit Poker nichts zu tun haben und auch nichts mit Fußball. Kurz um, er war vorbereitet und ein klein wenig aufgeregt.

Wien, Samstag Abend, CCC Lugner City.
Werthan ist zum ersten Mal im neuen CCC und findet es schön. Toni Polster sitzt schon an einem Pokertisch, schön drapiert vor einer Club7 Werbewand. Werthan begrüßt Polster, er ist freundlich, Polster auch. Kurzer Smalltalk. Erich Kollmann setzt sich neben Polster mit den Worten: „I muss aufpassen, damit der Werthan net deppat wird zum Toni“, Erich lacht. Die beiden wirken sehr vertraut und es scheint so, als ob Toni nicht unglücklich ist darüber, dass er einen Wingman bekommt.

Werthan nimmt seine Tasche und sucht seinen kleinen schwarzen Moleskin, seinen kleinen schwarzen Notizblock mit allen Fragen, Notizen und Fakten. Während er sucht, wird ihm immer mehr bewusst, dass er seine Vorbereitungen zuletzt auf dem Tresen im Cafe Kafka liegen sah und sie dort wahrscheinlich noch liegen werden. Toni Polster wird nervös, Werthan auch. Gut, dann eben ein Interview ohne Vorbereitung, wie immer.

„Herr Polster, ich darf doch Herr Polster sagen.“

„Ja Ja, Toni heiße ich auch, wenn du willst.“

„Herr Polster, Ihr Sohn heißt Jesus und Sie haben eine CD aufgenommen, wo Sie aus der Bibel lesen. Meine Großtante, sagte immer „Die Spielkarten sind dem Teufel sein Gebetsbuch“, Religiosität und Poker, geht das?“

„Mein Sohn heißt Anton und erst mit zweiten Namen Jesus (gesprochen Chessus), weil er in Sevilla geboren ist. Wir wollten einen Konnex schaffen zu der Stadt, in der er geboren ist. Ich heiße ja auch Anton Josef und keiner sagt Josef zu mir. Allerdings würde ich ihn heute nicht mehr so nennen lassen, weil es viele Leute in Österreich nicht verstehen.“

„Aber für dich gibt es da keinen Gewissenskonflikt zwischen Religion und Poker?“

„Nein, weil Poker ist alles andere als anrüchig. Es hat sehr an Seriosität gewonnen. Poker ist nicht mehr das Hinterzimmerspiel unter ein paar Halbkriminellen, wo die 45er am Tisch liegt. Also von diesem Image hat sich Poker befreit. Wenn dem nicht so wäre, dann könnte ich dem nicht zur Verfügung stehen. Aber so…“

So, das war die einzige Frage, die Werthan in Erinnerung geblieben war. Und die Fragen, die ihm jetzt einfallen, sind so spannend wie eine italienische 1:0 Führung.

„Du hast mit Poker eigentlich gar nichts am Hut gehabt bisher, oder?“

„Nein nicht viel. Ich hab einmal beim Dominik Heinzl (österreichischer Society-Reporter, Anm. der Red) gepokert für einen guten Zweck. Aber ich werde es jetzt lernen und ich lerne schnell.“

Polster bemüht sich „schön zu sprechen“, er sucht nach Worten und versucht Dialekt zu vermeiden.

„Herr Polster, du kannst ruhig breites wienerisch reden, in Hamburg höre ich es viel zu selten und ich verstehe dich auch so. Das Gespräch wird ohnehin abgetippt.“

„Ach so, ja.“

Wenn Herr Polster zuerst noch etwas angespannt in seinem Sessel saß, so entspannt er sich jetzt, lehnt sich locker nach hinten und er wirkt irgendwie erleichtert.

„Wie kommt man als absoluter Nicht-Poker-Spieler zu einem Sponsorenvertrag? Es sieht ja fast so aus, dass jeder Pokeranbieter seinen Fußballer braucht. 770 hat Lothar „ich spiele nirgendwo Poker“ Matthäus, Everest Poker hat Sergej Barbarez und Club7 hat dich.“

(jetzt in angenehmen und polstertypischen Wienerisch)
„Über ein paar private Verbindungen. Wir haben in den letzten Wochen zusammengefunden, führten gute Gespräche mit Markus Tripolt. Jetzt freu ich mich einfach darauf.“

Einmal gepokert auf einem Charity-Turnier. Pokerrelevante Fragen werden wohl nicht wirklich beantwortet werden können und Werthan kann sich seine Pokerstandard-Fragen (Mit wem würdest du lieber im Lift stecken bleiben? Mit Jimmy Fricke oder Annette Obrestad; Was ist das dümmste, dass man am Pokertisch sagen kann; QQ oder 69?) auf den Bauch hauen, wie der Wiener sagen würde. Also eine Fußballfrage. Das Problem ist nur, dass Werthan von Fußball noch weniger Ahnung hat als vom Pokern. Aber vielleicht ist seine Naivität ja irgendwie charmant.

„Herr Polster, würde die heutige Wiener Austria gegen die 78er Nationalmannschaft Österreichs gewinnen?“

Polster wirkt irgendwie genervt als er „78er“ WM Team hört, aber trotz der wahrscheinlich dümmsten Frage, die man einen Fußballer stellen kann, ist Toni Polster Medienprofi genug. Er lächelt und tut so, als ob Werthan der erste Journalist gewesen ist, der diese verblödete Frage stellt.

„Grundsätzlich ist es so, dass man verschiedene Epochen nicht vergleichen soll. Aber das waren damals schon richtig gute Mannschaften (Polster zählt jetzt die gesamte Mannschaft von damals auf). Ich glaube, diese Mannschaft hätte sich leicht adaptieren lassen können auf den Fußball, den man heute spielt.“

„Vorstopper gegen Viererkette? Ich sah mir gestern ein Spiel der deutschen Bundesliga aus dem Jahr 1996 an und irgendwie wirkte es ein wenig langweilig“

Fachliche Inkompetenz und dann irgendetwas von langweiligen Fußball labbern, Bravo Werthan.

„Ja, das würde ich jetzt nicht so sagen. Der Fußball ist athletischer geworden, er ist schneller geworden, aber dafür ist er technisch nicht mehr so gut. Es ist schwer zu vergleichen.“

Werthan würde jetzt gerne sagen, „Danke, keine weiteren Fragen, Herr Fußballer“, allerdings hat er gerade mal 4 Minuten 32 Sekunden auf seinem Aufnahmegerät und eine strenge Chefin.

„In Deutschland bist du noch immer bekannt, auch unter den Jüngeren, die dich damals nicht spielen sahen. Woher kommt diese lange Bekanntheitsphase? Den Herzog zum Beispiel kennt keiner mehr.“

„Vielleicht durch meine launigen Interviews. Damit hab ich schon eine kräftige Duftmarke hinterlassen und der Fußballinteressierte kennt mich wahrscheinlich schon noch. Immerhin bin ich Österreichs bester Torschütze aller Zeiten. Ich tauche manchmal noch bei deutschen Talk Shows auf, dadurch ist es Möglich dass man mich kennt, aber nicht Pflicht.“

Erich Kollmann scheint sich daneben etwas zu langweilen.

„Ist der Kollmann dein Trainer?“

„Klar, der Erich wird mich auch betreuen und mir helfen und Tipps geben. Aber ich glaube, der richtige Trainer, der dann in Wien wohnt, ist der Niki.“

„Jedlicka?“

„Naaaa, der Kovac“, ruft Erich dazwischen, sichtlich erleichtert, seinen Job als Aufpasser getan haben zu können.

„Sehr guter Mann, der Kovac, sehr gut. Hast du dir auch irgendetwas vorgenommen oder möchtest nur ein wenig herumspielen?“

„Natürlich ist ein Ehrgeiz da, sonst bräuchte gar nicht anfangen. Zuerst einmal will ich das Spiel gut lernen. Dann, wie ich mich kenne, wird mich das Fieber so packen und ich werde auch noch die Fachbegriffe lernen.“

„Davon gibt es eh genug.“

So! Aus! Werthan hat keine Ahnung was er noch fragen soll. Das Interview wird zum werthanschen Desaster. Irgendwo hinten, sieht er Götz Schrage, dem großen Journalisten und Interviewer. Der, der aus dem miesesten Interview noch ein Feuerwerk der Spontanität und Witz machen kann. Werthan weiß nicht, ob er jetzt mehr Angst vor einem „an-die-Wand-geschrieben-zu-werden“ haben soll oder vor den 100 ungewaschenen Albanern, die jeden Moment auftauchen müssen.

„Trainingsplan hast du schon?“

„Jetzt mal mit Niki üben, dann werde ich bei größeren Turnieren mal zusehen und vielleicht ein bisschen mitspielen, und dann eben Step by Step. Auf jeden Fall spiele ich die Deutsche Braceletmeisterschaft der Poker-Bundesliga in Leipzig Ende Dezember.“

„Viele Fußballer spielen ja im Trainingslager Poker. Ihr auch?“

„Ja, Würfelpoker.“

Im Augenwinkel sieht Werthan jetzt eine Masse von Menschen den Raum betreten. Doch es waren nicht die ersten Albaner, sondern nur Fotografen und er wollte nur noch an die Bar.

„Herr Polster, ich danke dir für das Gespräch“

„Ja, gerne“

Polster, Profi durch und durch. Auch wenn er jetzt noch keine Ahnung hat was ein „double belly buster straight draw“ ist, so ist es doch gut eine authentische Persönlichkeit im Pokerzirkus zu wissen. Willkommen Herr Polster.

An der Bar trifft Werthan noch Sabine. Hinter ihm spürt er einen kalten Windhauch – muss wohl Schrage vorbei gegangen sein.


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