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Potsdam Deepstack – oder, wie man auch mit 20.000 Startchips in die Crapshoot-Zone geraten kann

Am 30. Juli 2011 fand in der Spielbank „Joker’s Garden“ in Potsdam der „Deep Saturday“ statt. Dieses Turnier innerhalb der „Brandenburgische Spielbanken Poker Trophy“ (BSPT) war mit 20.000 Startchips und 30-Minuten Blindlevels so konzipiert, dass die volle Öffnungszeit der Spielbank bis zum frühen Sonntagmorgen um 03:00 Uhr ausgereizt werden würde.

Im Vorfeld hatte es an zwei Tagen Satellites für 20 € Buy-in gegeben. Mit drei Spielerinnen und 34 Spielern war die Platzkapazität an vier Turniertischen voll ausgefüllt. Das Turnier begann um 18:00 Uhr mit Blinds von 20/40. Zu dem Zeitpunkt fehlte noch eine ganze Reihe von Spielern. Auf den Zubringerstraßen von Berlin gab es wegen zahlloser Baustellen Chaos und Staus. Die letzten Teilnehmer trafen mit 90-minütiger Verspätung an, aber das machte kaum etwas. Im dritten Level waren die Blinds lediglich bei 60/120.

Beim Potsdamer Deepstack Saturday zeigte sich, dass auch tiefe Strukturen durchaus Nachteile haben können. Deepstack-Strukturen werden ja kontrovers diskutiert. Eine Spielerfraktion argumentiert, man könne bei vielen Startchips wesentlich strategischer agieren, weil das Glückselement zurückgedrängt würde. Andere sind der Meinung, dass überproportional viele Chips ein Turnier nur unnötig in die Länge ziehen. Die actionorientierten Spieler meinen, das wesentliche Element eines Pokerturniers, nämlich die Eliminierung von Spielern würde stark verzögert, man müsse also zunächst viel zeitliche Blindleistung investieren, ehe das eigentliche Turnier beginnt.
Am Samstag ging der erste Spieler nach exakt 2 Stunden und 32 Minuten, wenig später, nach 2 Stunden und 44 Minuten der zweite. Zu dem Zeitpunkt befand man sich in Level 5 bei Blinds von 200/400.

Und dann setzte zögerlich aber unausweichlich eine bizarre Entwicklung ein: nach 5 Std 48 Minuten waren von 37 Startspielern lediglich 13 eliminiert. Der Average Stack lag bei 31.000 Chips und die Blinds betrugen 1.000/2.000, Ante 200. An einem Neunertisch kostet ein Button-Orbit den Spieler also 4.800 Chips, das entspricht einem Verhältnis zum Average Chipcount von 6,5 (nach der Dan Harrington Nomenklatur „M“ genannt). So stand ein Großteil der 65 % verbliebenen Spieler ständig vor „Push or Fold“ Entscheidungen und es war öfter „All-In“ als „Raise“ zu hören.

Nach 6 Std 34 Minuten waren 18 Spieler übrig, Chipaverage 41.111 Blinds und Ante 1500/3000 – 300 und das „M“ lag nur noch bei 5,7. Durchschnittlich betrachtet befand sich also jeder verbliebene Spieler permanent in der „Orangenen Zone“, die sich langsam Richtung „Rot“ entwickelte.
Der Final Table wurde gegen 02:00 Uhr am Morgen erreicht.

Da die Zeit schon sehr fortgeschritten war, machte die Turnierleitung dann eine Ankündigung mit enormem Einfluss auf die Strategie für die letzte Phase: Sollte das Turnier nicht bis 02:45 Uhr beendet sein und sollten sich die verblieben Spieler nicht auf einen Deal einigen, so würden dann noch genau drei Hände gedealt werden und anschließend das Preisgeld und die Platzierung proportional zum Chipcount verteilt werden.
Und so ist das Verhalten des Chipleaders um ca. 02:35 Uhr nicht zu verstehen. Er hatte zu dem Zeitpunkt weit über 200.000 Chips und hätte eigentlich nur noch wenige Minuten „aussitzen“ müssen. Jedes Mal so lange auf eine Entscheidung warten, bis der Floorman „Time“ ansagt. Ohne sich weiter zu engagieren hätte er vermutlich auch anschließend die meisten Chips gehabt und damit das größte Stück vom Kuchen bekommen. Stattdessen callt er das All In eines Gegners (mit zugegeben wenigen Chips) und verlor. Dadurch verschob sich die Relation zunächst wieder, letztlich konnte er seinen Chiplead dann doch nochmals ausbauen.
Als um 02:46 Uhr die letzte Hand des Turniers gespielt war, einigten sich die letzten vier auf folgenden Deal:

Platz Name Preisgeld
 1 -4 Christian Eckert 795 € (Deal)
Michael Kleinecke 795 € (Deal)
Bernd Stein 795 € (Deal)
Martin Friedrich 795 € (Deal)
5 Gabi Retamales 296 €
6 Julian Nowakowski 222 €

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