Kolumnen

Raus in Runde Eins

Vier unserer achtzehn Bundesligaclubs hat es in der ersten Runde des DFB-Pokals erwischt – natürlich gegen „Fische“. Wie kann das nur passieren? Ich will nicht wieder alles aufrollen, was ich bereits zum Zusammenspiel von Glück und Geschick im Sport geschrieben habe.

Gerne verweise ich alle Interessierten zum Beispiel auf meinen Beitrag „Das Glück der Fußballer“. Heute aber will ich ein paar Überlegungen zu Wettquoten anstellen.

Wenn ich wette, will ich gewinnen. Doch was heißt „gewinnen“ überhaupt in diesem Kontext? Wer einfach immer auf die Favoriten setzt, gewinnt natürlich am häufigsten seine Wetten. Aber er ist deshalb nicht zwangsläufig ein Gewinner am Wettmarkt.

Ein wahrer Gewinner zu sein bedeutet, dass die Summe der Gewinne die Summe der Wettausgaben übersteigt.

Spätestens jetzt muss einfach die Brücke zum Poker kommen. Gewinner am Pokertisch gehen im Mittel schwerer aus dem Casino raus als sie reingegangen sind.

In beiden Welten müssen einzig die Relationen stimmen. Jede Wette muss öfter halten als es die jeweilige Quote erfordert. Jeder Einsatz muss öfter gewinnen als es nach Chance-Risiko-Verhältnis von Nöten ist. Der Einsatz soll im Spiel Mehrwert generieren. Er „arbeitet“ für den Entscheider.

Wann Pokereinsätze wie stark für den jeweiligen Spieler arbeiten, steht heute nicht im Mittelpunkt. Heute soll es ja um Wetten gehen. Ich überlege einmal folgendes: angenommen besagte 18 Pokalspiele „David gegen Goliath“ würden alle zur gleichen Wahrscheinlichkeit für den jeweiligen Goliath ausgehen. Unter welcher Wahrscheinlichkeit bräuchte es dann wie viel Pech, dass einfach per Zufall mindestens vier Erstrundenfavoriten „busten“?

Zugegeben die Frage liest sich etwas kompliziert. Sie ist aber interessant und etwas geistige Anstrengung durchaus wert. Nehmen wir gleich ein konkretes Beispiel:

Ich unterstelle, die Erstligisten sind so überlegen, dass ex ante zu erwarten ist, dass 6 von 7 weiterkommen. Man „würfelt“ also 18 mal einen 14%igen Suckout aus. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dabei mindestens vier Favoriten auf der Strecke bleiben?

Der gute alte Bernoulli liefert uns die Lösung: 1 – B(18, 3, 0.14, cum) gilt es in Excel zu haken und herauskommt: 24%. Falls der gemeine Bundesligist also tatsächlich eine Favoritenstellung von 6/7 in Runde 1 des DFB Pokals haben sollte, so sollte es jede vierte Saison vorkommen, dass (mindestens) solches passiert wie jüngst geschehen – dass also vier Favoriten ausscheiden.

Warum ist dies nicht nur für Mathefetischisten interessant? Weil man daraus Wert schöpfen kann! Ehe ich wette, bilde ich mir meine Meinung dazu (oder sehe in der Historie des DFB-Pokals nach) wie häufig es vorkommt, dass mindestens vier Bundesligisten in Runde 1 KO gehen. Angenommen ich glaubte, dass dies jede zweite Saison passierte, so läge das nach Rechnung adäquate Bustrisiko pro Team bei 20%. Denn 1 – B(18, 3, 0.2, cum) ergibt gerade 50%. Nach dieser Rechnung ist es dann ein leichtes auf die benötigten Quoten für lukratives Wetten zu schließen:

Damit ein 20%-Dog eine Wette wert ist, brauche ich mindestens eine Quote von 5. Denn dann kompensiert ein Gewinn die Verluste aus vier Niederlagen. Umgekehrt gilt natürlich, dass ein 80% Favorit erst ab einer Quote von 1.25 für Wetten interessant ist. Denn erst ab dieser Quote spielen die vier langfristig zu erwartenden Wins das Kapital ein, welches das eine Loss verbrennt.

Nun aber genug davon. Wer gerne noch ein wenig mehr über Zahlen rund um Wettabschlüsse lesen möchte, dem empfehle ich z.B. „Faszination Sportwetten“ zu überfliegen. Allen, denen das nun zu viel Mathematik war, lege ich auch gerne noch etwas nützliche Psychologie ans Herz. Letztes Jahr habe ich im Beitrag „Entscheidendes“ von Jonah Lehrers Buch „Wie wir entscheiden“ geschwärmt.

Meine Begeisterung dafür hält an. Gut kommt darin rüber, wie ungeeignet unser Gehirn doch für Statistiken ist. Dies zu akzeptieren bedeutet bares Geld für Pokerspieler wie Sportwetter. Pokertische sind zu schlagen, weil man gegen fehlbare Gegner antritt. Sportwetten sind (etwas schwerer) zu schlagen, weil man gegen einen fehlbaren Markt antritt.

Man sucht also gezielt nach Fehleinschätzungen und beutet diese aus. Am Pokertisch zahlt manch einer gerne z.B. unter 2:1 in Jetons bei nur 8:38 in Karten. Denn er bastelt halt gerne. Bei Sportwetten setzen viele gerne z.B. in Deutschland auf Deutschland. Damit aber die Wettanbieter nicht im Risiko stehen, balancieren sie die Quoten auch nach den Geldflüssen und nicht nur nach den Kräfteverhältnissen unter den gegnerischen Mannschaften. Es kann somit Wert entstehen, wenn man gegen die aktuell medial gehypten Teams setzt.

In beiden Welten gibt es unzählige vergleichbarer Möglichkeiten, zufallsbeeinträchtigte Konstellationen nüchtern zu betrachten und im Folgenden wertschöpfend zu handeln. Deshalb ist und bleibt das Spielen mit dem Zufall wohl so reizvoll. Gutes Blatt!

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer für

gambling-institute.de
– calculated gaming –


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