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Rechtsanwalt Axel Mittig – Die unmittelbaren Folgen des EuGH-Entscheids

Rechtsanwalt Axel Mittig kennt man in der Pokerszene. Er beschäftigt sich ausführlich mit dem Glücksspielrecht und dabei auch speziell mit Poker. Für Pokerfirma.de hat er die wichtigsten Aspekte zur jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Sportwettenmonopol zusammengefasst.


Die unmittelbaren Folgen (was gilt jetzt?)

Richtig ist, dass es sich bei den vom EuGH entschiedenen Verfahren um sog. Vorlageverfahren handelt, d.h. deutsche Verwaltungsgerichte haben dem EuGH konkrete Fragen vorgelegt, die dieser beantwortet hat. Die endgültigen Entscheidungen in den Verfahren obliegen nun den deutschen Gerichten unter Berücksichtigung der EuGH-Vorgaben.

Selbstverständlich ist es – wie die juristischen Vertreter der Bundesländer sehr fleißig verbreiten – theoretisch möglich, dass die Verwaltungsgerichte oder höhere Instanzen gleichwohl zu dem Ergebnis gelangen, dass der Staatsvertrag wirksam sei (z.B. weil man zu der Erkenntnis gelangt, dass die Tatsachenfeststellungen der Verwaltungsgerichte unzutreffend waren und in Wirklichkeit vom Staat gar nicht für die eigenen Lotterien geworben wurde…).

Die Wahrscheinlichkeit hierfür dürfte jedoch gegen Null tendieren.
Vielmehr muss man zur Kenntnis nehmen, dass sich die Kritik des EuGH auf das derzeitige Gesamtgefüge des deutschen Glücksspielrechts bezieht. Dies gilt vor allem für die ungleiche Behandlung von Automatenspiel und Lotterien bzw. Sportwetten. Allein durch einen Richtungswechsel im Werbeverhalten der Bundesländer ist der Staatsvertrag also nicht zu retten. Auf der Grundlage des derzeitigen Glücksspielstaatsvertrages und den übrigen glücksspielrechtlichen Regelungen ist es ganz einfach unmöglich, ein „systematisches und kohärentes“ Gesamtbild wie es der EuGH fordert herzustellen.

Der Glücksspielstaatsvertrag ist schlichtweg am Ende und die Entscheidungen der deutschen Verwaltungsgerichte haben lediglich deklaratorischen Charakter.

Der EuGH weist zudem ausdrücklich darauf hin, dass die das Monopol betreffende nationale Regelung, die gegen Grundfreiheiten der Union verstößt, nicht weiter angewandt werden darf. Dies gilt unverzüglich und somit auch während der Zeit, die erforderlich ist, um die Regelungen mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen; also ab sofort.

Der Staatsvertrag und seine Ausführungsgesetze der Bundesländer dürfen also ab sofort nicht mehr angewendet werden soweit sie gegen EU-Recht verstoßen. Welches Ausmaß das zu erwartende Chaos annehmen wird, wird sich bald zeigen. Fakt ist jedenfalls, dass z.B. gegen private Sportwettenanbieter und -vermittler, Wettbüros, private Lottoanbieter usw. die rechtliche Handhabe fehlt, um deren (Werbe-)Aktivitäten zu unterbinden.

Wenn sich vor diesem Hintergrund ein amtierender Landes-Innenminister mit den Worten zitieren lässt, die EuGH-Entscheidung habe „im Moment keine direkten Auswirkungen auf die Gültigkeit des Staatsvertrages“ und es gebe „keinen rechtsfreien Raum“, so ist dies eine ziemlich gewagte Aussage, die – vorsichtig ausgedrückt – meilenweit an der Realität vorbeigeht.

Und was ist mit Poker?

Hinsichtlich des Pokerspiels ist die Lage etwas komplizierter. Denn hier greifen evtl. trotz Unanwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages andere gesetzliche Regelungen, die eine (zulässige) Beschränkung des Spielangebots darstellen.

Da sind zunächst die Spielbankengesetze der Bundesländer, die für sich nach wie vor Gültigkeit beanspruchen dürften. Abzuraten wäre also von dem Plan, aufgrund des EuGH-Urteils an der nächsten Ecke ein (Card-)Casino zu eröffnen.

In dem Bereich der kleineren (Sachpreis-)Pokerturniere ist hingegen die Anwendbarkeit der Spielbankgesetze zweifelhaft. Denn z.B. einen Gastwirt, der in seiner Gaststätte ein monatliches Sachpreisturnier anbietet, wird man kaum als Spielbankbetreiber ansehen können.

Ob auf einen solchen Sachverhalt die Gewerbeordnung anwendbar ist, ist ebenfalls äußerst fraglich. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich nicht um eine „Spielhalle“ handelt und man – wie die deutschen Behörden – Poker als Glücksspiel einordnet. Denn nach dem Wortlaut der Gewerbeordnung sind die einschlägigen (Verbots-)Normen auf Glücksspiele nicht anwendbar.
Es bleiben dann noch die sog. polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln, um Untersagungen zu rechtfertigen. Hier wird man dann in jedem Einzelfall prüfen müssen, ob die „öffentliche Sicherheit und Ordnung“ das Verbot einer Veranstaltung erfordert. Eine maßgebliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang dann die konkreten Teilnahmebedingungen der Veranstaltungen wie z.B. Buy-ins, Preise, Spielmodus etc.

Im Ergebnis hat sich die Argumentationsmöglichkeit für Sachpreisturnierveranstalter also ein wenig verbessert, auch wenn die EuGH-Entscheidungen in erster Linie im Zusammenhang mit Lotterien und Sportwetten ergangen sind. Denn auch bei der Untersagung von Pokerveranstaltungen haben sich die Behörden und Gerichte regelmäßig auf den Glücksspielstaatsvertrag berufen. Andererseits muss man mit der Schlussfolgerung „Staatsvertrag ungültig, also Pokerturniere automatisch erlaubt“ äußerst vorsichtig sein.

RA Axel Mittig
Mittig Thalmann Stoll
Rechtsanwälte
Grindelallee 20
20146 Hamburg
Kontakt: [email protected]

Teil 3: Ist nach dem Staatsvertrag vor dem Staatsvertrag folgt am Donnerstag, den 16. September
Teil 1: Der EuGH und der Glücksspielvertrag – Die Entscheidung


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