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Rechtsanwalt Axel Mittig zur Entscheidung des EuGH

Rechtsanwalt Axel Mittig kennt man in der Pokerszene. Er beschäftigt sich ausführlich mit dem Glücksspielrecht und dabei auch speziell mit Poker. Für Pokerfirma.de hat er die wichtigsten Aspekte zur jüngsten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zum Sportwettenmonopol zusammengefasst.


Der EuGH und der Glücksspielvertrag

Viel ist seit dem 08.09.2010 geschrieben und diskutiert worden über die bahnbrechenden Entscheidungen des EuGH zum deutschen Glücksspielstaatsvertrag. Obwohl: Inzwischen ist ja bereits wieder fast alles umstritten, was mit diesen Entscheidungen zu tun hat. Dies gilt bereits für den Inhalt und nicht zuletzt auch für die (un-)mittelbaren Auswirkungen des Urteils. Darf man überhaupt von „bahnbrechend“ sprechen?

Also der Reihe nach:

Die Entscheidung:

Wenn man einmal versucht, sowohl den unfassbaren Zweckoptimismus der Monopolverfechter (und den ihrer Anwälte) als auch den grenzenlosen Siegesrausch der Wettanbieter (und den ihrer Anwälte) außer Betracht zu lassen und einen objektiven Blick auf den Stand der Dinge zu werfen, stellt sich das Urteil des EuGH (im Zusammenhang mit seinen vorherigen Entscheidungen) in etwa wie folgt dar – jedenfalls ist das meine Meinung ;-):

1. Monopole sind im Bereich des Glücksspielwesens grundsätzlich zulässig, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses (Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Spielsuchtprävention) dies erfordern.

2. Es ist außerdem grundsätzlich zulässig, bestimmte Glücksspiele einem Monopol zu unterwerfen während andere hiervon ausgenommen sind bzw. von privaten Lizenznehmern betrieben werden dürfen.

3. Kein EU-Mitgliedsstaat ist verpflichtet, Unternehmen den Zugang zum eigenen Glücksspielmarkt zu gestatten, nur weil jene Unternehmen eine Lizenz eines anderen EU-Mitgliedsstaats vorweisen können. Mit anderen Worten: Wenn ich eine Lizenz in Malta besitze heißt dies nicht automatisch, dass ich in Deutschland tätig werden darf. Die Mitgliedstaaten haben also einen eigenen Wertungsspielraum wenn es darum geht, welches Modell (Lizenzmodell, Staatsmonopol oder Mischform) im eigenen Land gelten soll. Systeme anderer Staaten muss man sich nicht aufdrängen lassen.

4. Ein Internetverbot kann grundsätzlich gerechtfertigt sein. Daran ändert es nichts, wenn ein solches Verbot in der Praxis praktisch nicht durchsetzbar ist. Ein solches „Vollzugsdefizit“ führt nicht zur Europarechtswidrigkeit des Verbots.

5. Werbung für Glücksspiel muss maßvoll sein und sich strikt auf das beschränken, was erforderlich ist, um den Verbraucher zu den legalen Institutionen zu leiten. Sie darf also nicht zum Spielen ermuntern und schon gar nicht reißerisch sein und die Folgen/Risiken des Spielens verharmlosen.

Grundsätzlich kann ein (deutsches) Glücksspielmonopol also durchaus europarechtskonform ausgestaltet werden.

An dieser Stelle enden allerdings die guten Nachrichten für die Bundesländer und die Monopolverfechter. Denn der EuGH stellt unmissverständlich klar, dass die derzeitigen Regelungen bzgl. des Monopols und die praktische Handhabung in der Bundesrepublik nicht „systematisch und kohärent“ erfolgt und daher nicht mit Europarecht in Einklang zu bringen ist. Dies im Wesentlichen aus zwei Gründen:

1. Die Inhaber der staatlichen Monopole führen intensive Werbekampagnen durch, um die Gewinne aus ihren Lotterien zu maximieren (z.B. „Jackpot-Werbung“). Damit entfernen sie sich von den vorgegebenen Zielen des Monopols (Verbraucherschutz, Suchtprävention etc.). Abgesehen davon verstoßen sie hierdurch permanent selbst gegen „ihren“ Staatsvertrag.

2. Zudem betreiben die deutschen Behörden insbesondere im Bereich der Automatenspiele eine Politik, die zur Teilnahme an diesen spielen ermuntert. Dies obgleich das Suchtpotential bei jenen Spielen weitaus höher einzuschätzen ist als z.B. bei Sportwetten.

Letztlich scheitert der deutsche Glücksspielstaatsvertrag also am sog. „Scheinheiligkeitstest“. Die Ziele, die der Staat vorgibt zu verfolgen, spielen offenkundig (wenn überhaupt) eine untergeordnete Rolle. Auf dieser Grundlage kann das Glücksspielmonopol, so der EuGH, nicht mehr gerechtfertigt werden.

RA Axel Mittig
Mittig Thalmann Stoll
Rechtsanwälte
Grindelallee 20
20146 Hamburg
Kontakt: [email protected]

Teil 2: Die unmittelbaren Folgen – was gilt jetzt folgt morgen Mittwoch, den 15. September
Teil 3: Ist nach dem Staatsvertrag vor dem Staatsvertrag folgt am Donnerstag, den 16. September


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