Kolumnen

Schlafen (wie) auf Wolken

Wer dem Pokerzirkus hinterherfährt, kann einiges an Flugmeilen sammeln. Soviel zum positiven Aspekt dieser Reisen. Der Rest ist einfach nur anstrengend, zermürbend oder bestenfalls sehr lästig. Je länger der Flug, desto schlimmer – so die generelle Meinung.

Doha – Melbourne (Qatar Airways)
Reisezeit: 12 Stunden
Zu Recht werden Qatar Airways immer wieder für ihren Boardservice ausgezeichnet. Selbst im schlechtesten und unbequemsten Economy-Sitz (z. B. letzte Reihe Mitte, ohne Möglichkeit, die Lehne zu verstellen) wird das Gefühl von Luxus und Komfort vermittelt. Die Voraussetzungen für Schlaf sind perfekt, zumal der Flug sehr lange dauert.

Schlafwert: 90/100

Dass Schlaf das beste Mittel ist bzw. wäre, um die vermeintliche Eintönigkeit eines Fluges zu überbrücken, werden die meisten selbst erkennen. Bleibt also bloß das Problem des Einschlafens. Mit diversen legalen und illegalen Drogen lässt sich das recht direkt lösen. In diesem Bereich helfen auch die Fluglinien mit. Amerikanische Passagiere scheinen die Gratis-Alkoholika am laufenden Band zu bestellen, die Wirkung bleibt irgendwann nicht aus. Besonders Schlaue nehmen den Vorabend zu Hilfe. Party bis zum Umfallen … bzw. Fast-Umfallen. In den Schlaf gekippt wird dann im Sitz.

Toronto – Wien (Air Canada)
Flugzeit: 9 Stunden
Besser geht’s nicht. Sehr verkatert am Nachmittag Check-in. Gleich Abendessen on board, sofort danach eingeschlafen. Geweckt wurde ich vom Aufsetzen des Flugzeuges in Wien.
In diesem Fall hatte die Fluglinie wohl keinen Einfluss auf die Qualität des Schlafes.

Schlafwert: 100/100

Es geht natürlich christlicher. Dann kann man auch den seltenen Genuss des Boardservices komplett auskosten. Während sich die meisten abschätzig über Flugzeug-Essen äußern, möchte ich hier eine kleine Lobeshymne anstimmen. Es geht nicht nur um das Futter selbst, sondern das Gesamtpaket. Flugzeug-Essen ist einfach das Beste! Ich sitze – nein, liege – in meinem Sessel, die Fernbedienung gehört mir, eine große und überraschend gute Auswahl an Filmen, Essen und Trinken wird direkt auf meinen Schoß serviert. Wann sonst kann ich so ausgiebig und frei von schlechtem Gewissen absolut gar nichts tun? Und was für ein Essen! Nicht nur Wasser und ein Cracker. Vorspeise, Salat, Hauptspeise, Käseplatte, süßer Nachtisch und Früchte, Brot und Butter – auch noch alles fein säuberlich auf einem kleinen Teller angeordnet! (An dieser Stelle meine kulinarische Empfehlung: Austrian Airlines.) Den Kaffee sollte der ambitionierte Schläfer vielleicht auslassen.

Zufrieden und voll lässt es sich bei einem belanglosen Film dann auch leichter einschlafen. Die komischen Nackenkissen helfen übrigens wirklich. Zumindest einmal … dann hat der Körper den Trick durchschaut. Probieren kann man auch ein Kissen auf dem ausklappbaren Tischchen.

Washington – Wien (Austrian Airlines)
Reisezeit: –
Perfekt begonnen, interessantes Ende. Nach einer Nacht ohne Schlaf frühmorgens vor dem Start auf der Rollbahn eingeschlafen. Eine Stunde später von Durchsage geweckt, dass der Flug aufgrund eines technischen Defekts nicht stattfindet. 24 Stunden später dafür Upgrade auf Business Class. An Tag 1 hätte ich also perfekt geschlafen, das Erlebnis an Tag 2 war dieser Verlust aber wert. Leider war der Luxus-Unterschied gravierend. Nie wieder Economy!

Schlafwert: 100/100
(verklärt durch das Upgrade)

Ein paar Worte zur Sitzwahl: Viele wählen automatisch einen Fensterplatz, der Vorteil des Lehnens an die Bordwand liegt auf der Hand. Die Mittelsitze wird wohl kaum jemand als die gemütlichsten bezeichnen. Ein Gangplatz hat andere Vorteile: Der Fensterplatz hat meist die wenigste Beinfreiheit, am Gang lassen sich Arme und Beine mehr oder weniger beliebig ausstrecken. Bei sehr empfindlicher Blase werden ihnen die Sitznachbarn für diese Platzwahl danken. Kommt wohl auf die persönlichen Bedürfnisse an. Im hinteren Teil des Flugzeugs bekommt man Turbulenzen übrigens stärker zu spüren – um so richtig gemütlich in den Schlaf geschaukelt zu werden. Mit viel Glück sind vielleicht beide Nachbarsitze leer. Dann schnell hinlegen und mit zwei Gurten anschnallen. Sonst wird man schnell von der Boardcrew geweckt.
Mit noch mehr Glück bekommt man seinen Platz erst gar nicht … und wird in die Business Class gezwungen. Die Sessel dort lassen sich in der Regel so weit ausfahren, dass man darauf einigermaßen gemütlich liegen kann. Sogar seitlich oder auf dem Bauch liegen geht mit etwas Übung. Service und Verköstigung sind in der Business Class aber so umfassend, dass selbst auf den längsten Strecken nicht viel Zeit zum Schlafen bleibt.

Hamburg – München (Lufthansa)
Flugzeit: 1 Stunde
Zu kurz zum Schlafen, Essen gibt’s auch nicht. Auch zu kurz, um sich zu langweilen. Egal, was man macht, die Stunde ist schnell vorbei. Ideal auch für ein kurzes Nickerchen.

Schlafwert: vernachlässigbar

Das fünfgängige Menü nimmt seine zwei bis drei Stunden in Anspruch. Die Kaffeekarte schaut auch einfach zu gut aus, um Verzicht zu üben. Und wenn man dann endlich zur Ruhe kommt, wird diese auch gleich gestört. Schließlich will man sich das frisch zubereitete Frühstück nicht entgehen lassen und hat „Ich möchte zum Frühstück geweckt werden“ ganz fett angekreuzt. Erholsamer Schlaf ist im Flugzeug wohl nur den wenigsten vergönnt.

Aber wie überall gilt auch hier: Man gewöhnt sich daran. Und wer nicht oft fliegt, tut in vielen Fällen wohl gut daran, es gar nicht erst mit dem Schlaf zu versuchen. Es ist besser, das Erlebnis in vollen Zügen zu genießen.

Gold Coast (AUS) – München (verschiedene Airlines)
Reisezeit: 44 Stunden
Aufgrund langer Anfahrtswege, katastrophal geplanter Anschlussflüge und mehrerer Stationen einfach zu lange. Da kann man noch so müde sein, 44 Stunden in Flugzeug und Wartehallen sind nicht zu überschlafen. Die meiste Zeit freut man sich einfach nur aufs Bett zu Hause. Kein besonders schönes, aber doch ein Erlebnis.

Schlafwert: 0/100


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