Kolumnen

Schluss mit dem Millionenwahn!

Noch mehr Chips, noch höhere Garantien, noch mehr Starttage. Langsam führt sich Turnierpoker ad absurdum, wenn nicht bald jemand die Notbremse zieht. Wie schon vor Jahren bei der ersten Kritik an den Re-Entry Turnieren, realisieren die Spieler zwar den Highway to Hell, springen aber scharenweise und mit Begeisterung auf den brennenden Zug auf.

„Boah, 100.000 Chips“, „Geil, da gibt’s gleich ne Million Chips“ – Spieler sind leicht begeisterungsfähig. Bei den Hobbyspielern ist die Struktur egal, die Leveldauer findet vielleicht noch in der Relation zum Buy-In Beachtung. Deepstack steht vermeintlich für ein mega-geiles Turnier und wenn dann auch die Garantiesumme exorbitant hoch ist, dann kommen die Spieler angelaufen wie die Schafe.

Vergleicht man amerikanisches Poker mit europäischem, dann fällt sofort der Unterschied in den Starting Stacks auf. Viele sind auch der Meinung, dass die WSOP Europe erst dieses Jahr eine wirkliche Chance hatte, weil man die Stacks auf „europäisches Niveau“ angehoben hat. Seit knapp zwei Jahren überflutet partypoker LIVE die Events mit 100.000 bzw. 1.000.000 Starting Stack und den Spielern gefällt es. Dieses Jahr hat die WSOP auch ihre Starting Stacks erhöht, um den Spielern ein besseres Gefühl zu geben.

Eine ähnliche Veränderung gab es vor rund acht Jahren, als Deepstack Turniere in Mode kamen. Spieler lernten den „M-Faktor“ kennen und Blind-Verdopplungen in den Strukturen waren verpönt. Vor allem die WPT mit ihrer 30 BB Regelung und auch die EPT mit den Main Events trugen viel dazu bei, dass die Spieler die Vorzüge von Deepstack Turnieren lieben lernten.

Gute Strukturen brauchen aber Zeit und Zeit hat der Pokerspieler oft genauso wenig wie der Veranstalter. Irgendwann stand Deepstack nur noch für einen großen Starting Stack in der Relation zu den Anfangsblinds. Was hinterher kam, interessierte niemanden mehr. Mit partypoker LIVE und den Megastacks ist man nun noch einen Schritt weiter. Die Anfangsstacks waren groß, aber die günstigen Turniere wie die Grand Prix bei weitem nicht mehr deep.

Die Rechtfertigung der nicht ganz so prallen Struktur kam mit den exorbitanten Preisgeldern und der knapp bemessenen Spielzeit. Denn schließlich kann man für ein Buy-In von € 200 nicht eine Woche lang spielen. Und der fette Preispool ist die Entschädigung. Wie leicht sich ein Spieler täuschen lässt, zeigt sich in einem Vergleich.

WSOP Colossus
Starting Stack SB BB Ante
5.000 25 50  
       
partypoker Grand Prix
Starting Stack SB BB Ante
100.000 500 1.000 500

 

Gefühlt sagt jeder, dass selbstverständlich der Grand Prix das bessere Turnier ist. Tatsache ist aber, dass der Anfangsstack beim Colossus höher ist (67 : 50 ) und auch am Final Table hat das Colossus mit 45 : 31 BBs (Vergleich Colossus 2018 : Grand Prix Austria 2018) klar die Nase vorne.

Im letzten Jahr hat es partypoker LIVE geschafft, das Gefühl der Spieler zu verändern. Hat ein Turnier nicht mindestens 50.000 oder 100.000 Starting Stack, dann ist es in den Augen der Spieler schon uninteressant. Fakt ist jedoch, dass der zweite Blick auf die Struktur unerlässlich ist, sonst wachsen die Stacks und Blinds ins Unermessliche. Kürzen lernt man schon in der Grundschule. Oder anders gesagt – 500/1000 bei einem Stack von 100.000 ist dasselbe wie 50/100 bei 10.000.

Dieses „große“ Gefühl wird auch bei den Garantiesumme erzeugt. Für nur € 200 um garantierte € 500.000 spielen, damit hat partypoker LIVE neue Maßstäbe gesetzt. Eine Siegprämie von rund € 100.000 für effektiv drei Tage Arbeit, das kann sich sehen lassen. Dass manche Garantien dann doch zu hoch angesetzt sind, zeigt sich aktuell bei der Caribbean Poker Party. Lukrativ sind die hohen Preisgelder für die Spieler auf jeden Fall, aber sie verändern auch die Turniere. Unzählige Starttage und Re-Entry Optionen sind zwangsläufig notwendig, um diese Garantiesumme zu erreichen.

Die Garantiesumme ist für die Spieler bei der Wahl der Turniere mittlerweile sehr wichtig geworden, die zweite Frage ist dann oft schon „Was gibt es für den Sieger“. Die folgenden Turniere haben alle ein Buy-In von € 500 (+Fee). Unterschiede sind die Anzahl der Starttage, die sich dann natürlich auch in der Struktur auswirken.

  Entries  Platz 9 Sieger
Colossus WSOPE 2018 2.992 17.209 € 203.820 €
Grand Prix Million 2.242 11.000 € 210.000 €
Concord Million 2.093 16.000 € 200.000 €
Austrian Poker Championship  2017 742 6.700 € 80.000 €
Snow Festival Seefeld 2018 357 4.110 € 42.840 €
Butter bei die Tische Schenefeld 2018 313 2.600 € 37.145 €
Spring Masters Hohensyburg 2018 244 2.790 € 27.040 €

Der erste Gedanke der Spieler ist klar, dass € 200.000 für den Sieger natürlich viel besser sind als € 30.000 oder € 40.000. Doch Tatsache ist auch, dass kaum einer ein solches Mega-Event zwei Mal gewinnt. Dass es möglich ist, hat Andrej Desset letztes Jahr bei seinen beiden Grand Prix Siegen bewiesen, aber die Wahrscheinlichkeiten sind nun mal verschwindend gering. Schon das Erreichen des Final Tables bei den Mega-Events ist eine Mega-Leistung. Je kleiner das Feld, desto realistischer ist die Chance auf den Final Table und dann auch auf den Sieg. Und je höher diese Chancen sind, desto häufiger schafft man es dann auch an den letzten Tisch oder aufs Siegertreppchen. Das hat gar nichts mit Hexerei zu tun und bedarf dann auch gar keiner Verschwörungstheorien.

Viele Chips und hohe Garantiesummen sind für jeden Spieler was Geiles, aber es sollten Highlights bleiben. Sonst spielen wir in fünf Jahren mit 1 Milliarde Chips und 500 Starttagen um garantierte 5 Milliarden. Wenn man das Daily Tournament mit – sagen wir – € 30 Buy-In nach acht Stunden Spielzeit gewinnt, dann hat man wahrscheinlich einen durchschnittlichen Monatslohn in einem Arbeitstag gewonnen. Eigentlich ein Grund zum Freuen.


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