Kolumnen

Sommerloch 1: „Signorina! Una birra e un café!“

Erstens nennt er sich „Gringo“ oder „The King“ oder „Igor“ und zweitens gibt er keine Interviews. „Pseudonym“ spielte die WSOPs, EPTs und CAPTs. Es existieren kaum Aufzeichnungen mit ihm, obwohl er ein angenehmer Gesprächspartner ist. Einmal gab er wieder kein Siegerinterview.

triestAm nächsten Tag traf sich Rab Bit Hunting mit dem vertragslosen Spieler in einem Triester Innenstadtlokal. Einer trank Kaffee, der andere Bier. Wer welches Getränk zu sich nahm, soll des Lesers Phantasie überlassen bleiben. Nach den üblichen Floskeln („Tja! Live! Turniere bin ich hinten – Cash Game vorne“, „Nein, ich seh‘ nur so aus, weil ich verkatert bin, nicht wegen des Jobs“), kam es zu folgendem Gespräch:

Rab Bit Hunting: Warum gibst du eigentlich nie Interviews?

P: Weil es nur Probleme macht.

RBH: Aber damals, nach dem Finale bei der P-Tour, da hättest du doch…

P: Warum? Stell dir mal vor, du bist gerade zehn Stunden am Finaltisch gesessen und hast eine emotionelle Achterbahnfahrt hinter dir. Vergleichbar mit einem Hochseesegel-Törn bei Hurrikan mit gleichzeitigem abruptem Wechsel sowohl der religiösen, als auch der sexuellen Orientierung.

RBH: …

P: Also, nach dem letzten Showdown bist du so fertig, dass du dich nicht mal richtig freuen kannst. Deine Hand hat gehalten und das einzige, das dir durch den Kopf geht ist: „Aha, ich hab gewonnen“. Nach so etwas will ich nur noch duschen, ins Bett und dann vielleicht morgen Party und freuen.

RBH: Ja und?

P: Dann kommst du mit der Kamera daher. Ich will mich auch nicht mehr zum Affen machen vor der Kamera. Wie heißt euer Kollege? Hans oder so? Egal, der kommt freundlich zu dir, plaudert nett und BAMM stellt er dir eine peinliche Frage und du stehst  da, wie der letzte Vollidiot. Darauf hab ich keine Lust…

RBH: Ach komm, du kannst jederzeit bestimmen, was gezeigt werden soll…

P: Quatsch, ich rede mit dem einfach nicht mehr. Warum sollte ich auch. Ich spiele mit meiner Bankroll und für mich. Ich spiele nicht für Deutschland, nicht für die Rail und nicht für die Presse. Nur für mich, deshalb gebe ich keine Interviews.

RBH: Oder weil du dummerweise zu kurzfristig denkst?

P: Und ich dachte du hängst an deinem Leben…

RBH: Stell dir mal vor: Eine Mutter, ihr Sohn wurde gerade 18 und der spielt Online-Poker. Ganz legal in Österreich auf der staatlichen Seite. Die Mutter weiß das, akzeptiert es, ist aber doch etwas neugierig, was dieses Poker sein soll. In Velden war sie vor Jahren mal Urlaub. Sie mag Velden. Und dort fand ein Pokerturnier statt. Sie sieht sich im Internet den Bericht vom Finaltag an und wird verwundert sein, dass der Sieger kein Interview gibt und dass da ganz viele Namen verschlüsselt sind, so wie bei Terroristen. Und sie wird sich denken, dass der Sieger gar nicht stolz auf seinen Sieg ist und: „Es-wird-schon-seinen-Grund-haben-dass-die-im-Fernsehen-nicht-erscheinen-wollen…“.

P: Ja und?

RBH: Wenn die Mutter einen netten Menschen sieht, der nach seinem Turnier ein sporttechnisch, relevantes Interview gibt…

P: … wer zum Beispiel?

RBH: Danzer – immer gut dem zuzuhören. …dann hat das eine ernstzunehmende, professionelle Außenwirkung. Es geht um die Legalisierung und um das Image das transportiert wird. Je mehr Akzeptanz in der Bevölkerung herrscht, desto eher kommt Poker aus der Grauzone heraus. Es könnte auch der Werbeleiter von Red Bull sein, der neue Märkte sucht oder was-weiß-ich-wer. Wenn der sieht, dass der Sieger nicht interviewt werden will, hat sich dieser Werbemarkt für ihn recht schnell erledigt und die „Red Bull Open“ oder die „Beef-Rügenwälder-Classics“ mit garantiertem Preisgeld wahrscheinlich auch.

P: Was glaubst du, welche Struktur da gespielt wird?

RBH: Mich öden Leute an, die jammern, dass immer weniger Spieler zu den Turnieren kommen, dass die Preisgelder „nicht mehr wie früher sind“ und dass die Tage des Pokerns ohnehin gezählt sind. Tun aber nichts, um das zu ändern. Mal ein Interview geben, wäre schon ein Anfang.

P: Und was ist mit der Steuer?

RBH: Glaubst du wirklich, dass die Steuerfahnung zufällig über ein Video stolpert, das online auf einer Seite läuft, bei der sich die Betreiber wünschen würden, wenn sie so eine große Verbreitung hätten? Außerdem: In Las Vegas bei der WSOP lässt du dich für jeden Cash wo dein Name in der Liste steht, fett abfeiern und in Europa willst du dich verstecken? Wenn die dich f**k*n wollen, dann tun sie es. Der erste Blick ist doch auf Hendon Mob, oder? Da steht dann das XY 100.000 Dollar gewonnen hat. Dann wird der Steuermensch vielleicht den Namen googeln und ein Video finden, in dem dieser XY in einem Interview sagt, dass er gar keine 100.000 Dollar gewonnen hat, weil er Anteile verkauft hat und das Hotel muss man rechnen und die anderen Turnier Buy-Ins. Also hat er bisher nur 30.000 (?) gewonnen. Und der Steuerbeamte wird vielleicht eine Sekunde nachdenken und für diese eine Sekunde an seinem Brief zweifeln, aber immerhin: er zweifelt.

P: Signorina! Due Birra!

RBH: Per me anche.

Rab Bit Hunting exklusiv für Pokerfirma.com  aus Triest


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