Kolumnen

Sommerloch 2: Verantwortung

„Angeklagt: Mutter lässt Kind alleine im Auto, während sie Poker spielt“ – Diese Headline generiert selbstverständlich mehr Klicks als weniger BILD-hafte Überschriften. Die journalistische Verantwortung bleibt auf der Strecke, die Folgen sind schwerwiegend.

Der Finanzkraft des Herausgebers einer marktbegleitenden Seite sei Dank, dass die pokerimage-schädigenden Headlines einer seiner Kolumnisten ein jähes Ende gefunden haben. Auf dieser Seite wurde mit Inbrunst der pokerjournalistisch verantwortungsloseste Kraftmeier verehrt, der seine  jederzeitige Käuflichkeit durch das Schwenken einer selbstgenähten moralischen Flagge zu verbergen trachtete. Die gelegentlichen Bordellbesuche waren noch das Ehrlichste.

sommerloch2Poker braucht eine seriöse Berichterstattung. Zu viele pokerrelevante Entscheidungen stehen in nächster Zeit an. In Deutschland kämpft PokerStars um die Zulassung, in der Schweiz wird über eine Legalisierung von Poker zumindest wieder nachgedacht und in Österreich werden die Casinolizenzen umverteilt. Auch wenn der „Pokerboom“ mit Moneymaker begann und die damaligen Zuwachszahlen die Betreiber an ein goldenes Füllhorn glauben ließen, so gilt es jetzt, Poker langfristig und anerkannt in unserer Gesellschaft zu integrieren. Das Schlagwörter wie „Betrug“, „Wixer“, und „gefährliche Drohung“ in der Headline nur mäßig zum Imagewandel von Poker beitragen, liegt auf der Hand.

Das bedeutet nicht, dass tatsächliche Ungereimtheiten journalistisch unbeachtet bleiben sollen, sondern nur, dass sensibel mit solchen „Aufklärungen“ umgegangen werden muss. Vorverurteilungen, Denunziationen und reißerische Überschriften bestätigen die Meinung jener, deren Bild von Poker ohnehin schon ein Negatives ist.

Wenn PokerStars die Lizenz für Deutschland bekommt, die Pokerszene in Österreich eine geordnete Regelung gefunden hat und in der Schweiz Pokerspieler nicht mehr als Schwerverbrecher behandelt werden, dann wird es einen zweiten, echten, fundamentierten Pokerboom geben. Dafür wird nicht nur PokerStars sorgen.

Wenn dann ein neugieriger Neueinsteiger ein wenig im Netz googelt, dann kommt er vielleicht auf eine „Fachseite“ und liest von Betrug, Selbstmord und Beschaffungskriminalität. Dann wird er wahrscheinlich für sich entscheiden, dass er in diesem „Milieu“ nicht seine spielerische Zukunft finden wird. So ungeliebt die Pokermedien bei manchen Spieler sind, so wichtig ist es die Beiträge sauber und seriös zu halten. Unseriöse und unsensible Berichterstattung schadet nicht nur den Denunzierten, sondern auch der gesamten Branche und dies nur um zwei-, dreihundert Klicks mehr zu provozieren.

Falls wir Poker in Zukunft gesellschaftlich etabliert wissen wollen, dann darf die Seriosität der Pokerberichterstattung jener der klassischen Sportberichterstattung, in der weitgehenden Zurückhaltung gegenüber der Privatsphäre ihrer Protagonisten, um nichts nachstehen.

Poker sauber zu halten, ist nur ein Punkt – das gilt nicht nur für die pokerberichtenden Medien.


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