Kolumnen

Sommerloch 3: Rauchend

Herr Schmidt trägt wie immer Anzug. Er setzt sich an den Pokertisch, packt zwei dicke „Havannas“ im Lederetui auf den Filz, begrüßt die Anwesenden und bestellt ein Glas Cognac. In ein paar Minuten beginnt das Turnier.

sommerloch3Das attraktiv wirkende Fräulein Oberbauer, einer Ansammlung ästhetischer Gemeinplätze mit zu viel Make-up und sonstigen modischen Bemühungen, zählt ihre Chips, während sie fast lasziv an ihrer dünnen Slim-Zigarette zieht. Gleich neben ihr sitzt Mirko. Sein kreativer Umgang mit der eigenen Biographie schien ihm ebenso angeboren zu sein, wie sein Charme, der vielerorts als schmierig bezeichnet werden könnte. Vor ihm eine Packung Tabak, neben Zigarettenpapier, Filter-Tips und einem Packen Bargeld. Etwas weiter Samuel Silberblatt. Er liebt das Pokerspiel, wie man Lyrik oder die Malerei liebt, ohne selbst Künstler zu sein. Seine fette Pfeife verströmt herrlichen nach Whiskey und Kirsche schmeckenden Rauch. Herr Müller, dessen Beine dünner scheinen als seine Arme, dessen Gesicht auf physiognomischen Schautafeln des 19. Jahrhunderts als Musterbild des Sanguinikers hätte dienen können, kommt als letzter an den Raucher-Tisch.

Kurz nach dem Shuffle-up-and-deal packt Herr Müller lächelnd eine silbern-matt schimmernde Blechdose aus. Als er sie öffnet, verströmt es den beißend-stechenden Geruch von wunderbar reifen Olmützer Quargel (ähnlich dem Harzer Käse) im Raum.

Herr Schmidt echauffiert sich lautstark über diesen olfaktorischen Terrorakt. Fräulein Obermüller versprüht ihr D&G LaLune 18 um sich, um den Gestank zu vertreiben. Mirko droht Herrn Müller Prügel an, wenn dieser nicht sofort die stinkende Scheiße wegräumt und Samuel Silberblatt legt seine Pfeife zur Seite, um sich ein weißes Taschentuch vor die Nase zu halten.

Herr Müller sagt nur: „Hat nicht jeder ein Recht auf seinen Duft?“
Toleranz


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