Kolumnen

Splitter aus Prag: Ein Gespräch an der Bar

In einem Prager Hotel während des mehrwöchigen Pokerfestivals. Ein Pokerreporter (J) sitzt mit einem Bier und einem Pokerspieler (S) an der Hotelbar. Alle drei sind in eine Diskussion vertieft.

J: „Neulich sah ich mir im Internet einen Live-Stream von irgendeinem Turnier ohne Ton an und nach etwa drei Minuten dachte ich, der Stream ist abgebrochen, weil die beiden Spieler sich drei geschlagene Minuten lang nicht bewegten. Überhaupt nicht! DREI Minuten Standbild Live! Das sieht sich doch kein Mensch mit einem vollständigen Chromosomensatz freiwillig an. Hab dann auch abgeschaltet.“


S: „Na, was sollen sie machen? Rumba tanzen, damit du ein wenig Unterhaltung hast, während die nachdenken?“

J: „Das machen ja schon die Dealer, Floorman und Turnierdirektoren in der Karibik“

S: „Ja, jeder wie er will.“

J: „Ach komm schon, das war doch nett“

S: „Seriosität sieht anders aus, oder hast du schon mal gesehen, dass bei der Champions League die Schiedsrichter in der Pause zu tanzen beginnen, nur um die Spieler zu unterhalten?“

J: „Wenn du willst, dass Poker ein Breitensport wird, dann braucht es den Entertainmentfaktor. Poker ist nicht nur „ich-will-dein-Geld“ sondern auch Entertainment und Spaß.“

S: „Schwachsinn. Wenn Poker anerkannt werden will, dann braucht es mehr Medientauglichkeit und mehr Skill“

J: „Und wie stellst du dir das vor?“

S: „Zeit. Jeder Spieler hat pro Hand, sagen wir, 30 Sekunden Zeit über seinen Move nachzudenken. Der Dealer hat ’ne Stopp-Uhr vor sich stehen und announciert fünf Sekunden. Dann ist die Hand tot. Wie bei Online-Poker. Der gute Spieler hat dann einen Vorteil dem schlechteren Spieler gegenüber, weil er die Situation schneller und besser analysieren kann, wofür der schlechte Spieler länger braucht.“

J: „Ein sehr miserabler Spieler wird nie auf den richtigen Move kommen.“

S: „Dann ist es ohnehin egal, ob er früher oder später die falsche Entscheidung trifft. Neulich hatte ich eine Situation am Tisch. Vier Spieler in der Hand. Der Erste macht ein Raise, der Zweite tankt zwei Minuten und foldet, der Dritte tankt auch eine Minute und foldet, der Vierte foldet auch nach weiteren zwei Minuten!!! Jetzt frage ich dich, was hat der Idiot die ganze Zeit vorher gemacht? Der hatte doch genug Zeit zum Nachdenken. Was dachte der? Ich schau mal was die anderen so machen und dann mach ich das auch so?“

J: „Aber es gibt bestimmte Moves, die brauchen Zeit, die gehören überlegt und ein wenig „Posing“ gehört doch zum Poker dazu.“

S: „Sch*** drauf! Amateurspieler in den Vereinen sollen spielen zu Trainingszwecken wie sie wollen. Aber auf großen Events: EPT, WPT, WSOP, LAPT usw. dort will man doch gutes Poker sehen, keine Schaufensterpuppen in Hoody mit Baseball-Kappe und Sonnenbrillen. So ein Sch*** interessiert doch niemanden, das will doch keiner sehen. Weshalb gibt es denn im Hauptabendprogramm keine Live-Übertragungen? Weil zehn Buchstützen an einem Pokertisch niemanden interessieren.“

J: „Reg‘ dich nicht so auf“

S: „Überleg mal wie Turniere besser geplant werden können, wenn du weißt, das ein Orbit sechs Minuten inklusive Karten mischen braucht.“

J: „Irgendeinen Grund wird es doch geben, dass dieses Format noch niemand live gespielt hat“.

S: „Was wollen die Spieler? Viele Hände spielen. Was wollen die Casinos? Dass viele Hände gespielt werden. Was wollt ihr Medien? Viel Action. Jeder würde einen Vorteil haben“.

J: „Bis auf die schlechten Spieler…“

S: „Die müssen dann einfach üben, dass auch sie schnelle und vor allem richtige Entscheidungen treffen lernen. So what? Noch ein Bier?“

J: „Ja klar. …..Glaubst du wirklich, dass diese Idee von den Spielern angenommen wird?“

S: „Keine Ahnung. ………….SORRY, may i have two more beer…..?“


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