Kolumnen

Strickende Nutten in Brüssel

Ich war zuletzt mal wieder in der belgischen Hauptstadt. Durch einen unglaublichen Zufall; wirklich;  bin ich irgendwann im Amusement-für-Erwachsene-Viertel gelandet. Nicht nur in Amsterdam oder in Hamburg gibt es kleine Gassen, in denen Damen in Fenstern sitzen und relevante Amusementdienstleistungen anbieten.

Auch in Brüssel gibt es das. Die meisten Damen saßen also in ihren Fenstern und strickten. Der Form nach Pullover; die meisten von ihnen. Ihnen alle gleich war die Langeweile im Gesicht anzusehen. Gelangweilt vom Leben, gelangweilt von der Routine, vom Warten und gelangweilt vom Immergleichen. So ergeht es mir derzeit mit Poker. Auch ich werde immer häufiger gelangweilt. Ab dem vierten Level; sollte ich überhaupt so weit kommen. Dieses ist meine aktuelle Befindlichkeit beim Spiel. Meine eigene, meine persönliche Meinung. Jeder darf eine andere dazu haben. Vor allem aber bitte soll jeder eine andere Meinung und eine innere Einstellung dazu haben.

Und dennoch; welches in der Tat kein Widerspruch ist; denke ich immer wieder an Poker und dennoch beschäftige ich mich immer mit diesem Spiel und natürlich schreibe ich darüber. Das wird nie langweilig. Auch wenn Kritiker im fortgeschrittenen Alter zu einer Verengung der Sichtweise, zu einer Selbstermächtigung tendieren. Und manchmal auch zu einer Trivialisierung und Banalisierung. Das möge man mir freundlichst nachsehen. Manchmal ist es natürlich ein leichtes literarisches Fiasko, manchmal aber auch geniale Begrifflichkeit. Auch das durchaus eine Analogie zum Pokerspiel. Eine komplexe Angelegenheit, die sich dennoch auf Ergüsse des Oberflächlichen reduziert. Mit fortgeschrittenem Spiel immer seltener auftretendem Kreativitätsbonus. Die Verfügung und die Formathaftigkeit eines symbolischen Kapitals.

Die Damen in Brüssel sind ebenso wie Poker kein Niedergang der Kultur; es gibt an dieser Stelle nichts zu beklagen. Die Damen in Brüssel, wenn auch gelangweilt, sind ebenso wie Poker keine Konfektionsware, vielmehr verbringen sie manchmal wahre Meisterwerke. Die Damen in Brüssel bieten keine Tiefe, allerdings Präzision. Dieses unterscheidet sie bei vielen Begebenheiten dann doch noch von Poker.

Poker ist durchaus ein genaues Zeitportrait, einhergehend mit einer lediglichen Simulation der Wirklichkeit. Und mit Schablonen zur Emotionalisierung, die sich aber zu oft und meistens dann auch passgenau wiederholen. Und genau dieses kann Langeweile erzeugen. Bei mir.

Auch wenn ich nicht immer genau weiß, was ich sagen will, so lese ich mich doch immer wieder gerne und ich stimme mir auch heute wieder vollinhaltlich und vollumfänglich zu. Die Damen in Brüssel haben mich schließlich auch gelobt. Die Gier nach Applaus wurde erfüllt. Im Spiel ist ein selbstbewusstes, forderndes Gieren nach Lorbeeren des Kreativen vonnöten. Das eint das Liebesspiel und das Kartenspiel. Auch wenn die Häufung dessen als Resultat eine Selbstüberschätzung bieten kann. Eine nicht erkennbare eigene Überhöhung von Wissen und Fähigkeiten. Aber, doch, die Damen in Brüssel waren sehr zufrieden mit mir.

 

foto brüssel drillinge 21.7 pokerfirma


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