Kolumnen

Suchtfaktor Texas Hold’em No Limit. Oder Limit. Egal.

Mit dem Kartenspiel aller Kartenspiele verhält es sich ähnlich wie mit dem seit fast 40 Jahren rituellen morgendlichen Frühstück. Drei Espressi und vier Zigaretten. Auch im Wissen, dass Müsli und Morgensport sicherlich besser für die Gesundheit und das generelle Wohlbefinden. Auch für untenrum. Natürlich wissen wir das; wir sind ja schließlich nicht doof. Aber verdrängend. Wider besseren Wissens.

Ein Aufhören, ein Entzug ist nur schwerlich machbar. Eine Tragik, die wir allerdings völlig untragisch sehen. Im Gegenteil, wir lügen uns in die Tasche. Wir eifern Vorbildern wie Helmut Schmidt nach. Der hat auch noch mit 98 gequalmt. Oder Jopi Heesters; mein erklärtes Genussmittel-Idol. Rauchen, Saufen und Weiber. Im Alter von 112 oder so.

So oder so ähnlich verhält es sich auch mit Texas Hold‘em. Kaum ein Entzug möglich, dafür ist der Suchtfaktor zu hoch. Thrill und Skill. Leidenschaft. Schafft Leiden. Wir sind wie Drogensüchtige. Auf Entzug, wenn wir mal eine Woche nicht das Stammcasino von innen sehen. Ziemlich beunruhigende Entzugserscheinungen treffen uns im Kopf und im Magen. Wenn wir Distanz walten lassen. Und kaum eine Substanz mildert das ab und fängt uns auf. Weder massenhaft Alkohol, noch Hochleistungssport und auch kein Geschlechtsverkehr. Der Schmerz bleibt, die Emotion bleibt.

Ziemlich beunruhigend, wenn man so genau darüber nachdenkt. Denn auch Poker ist letztendlich nur ein Ackergaul, der bisweilen auch gute Reiter abwirft. Den Kampf mit der Abhängigkeit müssen wir einfach nur annehmen. Wenn wir es denn überhaupt wollen. Wie Betty Ford. Die Hoffnung ist da, wenn sie auch bekanntlich meistens tödlich endet. Hoffnung meets Misserfolge. Nicht Miss Germany. Misserfolg dürfen wir aber nicht als vermissten Erfolg ansehen. Letztendlich nämlich liegt es nicht an uns und unserer Spielmanie; es liegt (das als Hoffnung für uns) fast ausschließlich am schlechten Call des anderen. Und am Dealer. Und am River, den der Dealer schlecht legt. Das verstärkt nämlich die Sucht nach neuem Spiel, neuem Glück, um dann endlich logischerweise zu gewinnen.

So, mit dieser Erkenntnis gehe ich erst einmal lecker eine rauchen. Oder zwei. Ja, auch ich pflege die Kultur des Scheiterns.


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