Sun is shining, the weather is sweet – GSOP

222 Spielern vertreten klischeehaft ihre Nationen. Die Italiener sind die bestgekleidetsten, die Schweizer am unverständlichsten, die Skandinavier die mit dem meisten Restalkohol. Noch liegt eine latente Pokerapartheit in der Luft und er erinnert sich an sein erstes Turnier, an die schlecht versteckte Aufregung, an die Vorfreude und seine Ziele. Er wünscht sich das Gefühl  so rein und unverdorben nochmals erleben zu dürfen und beneidet einige derer, die jetzt den Saal betreten.  Er wünscht sich jetzt auch noch sein Lieblingsbuch das erste Mal zu lesen.

Die Wände des Raumes sind mit Rock-Devotionalien geschmückt. Die Stimmung wirkt fast freundschaftlich. Laute, viel zu laute, Rockmusik dröhnt aus den Boxen. Die  Spieler stapeln und zählen ihren Anfangsstack von zwanzigtausend Chips und manche versuchen durch unbeholfene Chiptricks die Gegner zu beeindrucken.  Wie immer bei solchen Turnieren will niemand der erste sein, dem das „Seat open“ gilt, aber auch nicht der Vorletzte. Preflop Fold ist der meist geführte Spielzug in den ersten Levels. Einige der Spieler sind von einem guten Spiel soweit entfernt, wie das Ende des Hügels für Sisyphos. Früh ausgeschiedenen entweder aus Unfähigkeit oder Pech. Er sucht sich lieber das Pech als Erklärung aus, obwohl er weiß, dass ganz oben, wo das Turnier psychologisch philosophisch wird, wo es wie Zahnräder inneinander greift und den aktuellen Gang bestimmt, die allgemeine Stimmung, das Tempo, ganz oben im Getrieberaum des Pokerns er nie einen, nie seinen, Platz einnehmen wird. Er kommt sich überflüssig vor im Turniersaal. Am Ausgang des Hotels, dort wo es zum Strand runter geht, steht in Grossbuchstaben „Sun is shining, the weather is sweet“

Unten am Strand, sieht er den schönen Menschen der Insel beim kiten, beachvolleyballen und surfen zu. Dazwischen Spieler, die er in den letzten Tagen schon sah, leicht zu erkennen an den tiefrot und sonnenverbrannten Gesichtern, Armen und Knien. Rot die Farbe derer, die bei ihrem Spiel nicht viel Glück hatten, rot die Farbe der Verlierer. Er setzt sich auf eine der Liegen und denkt sich, dass wahre Spielstärke sich dadurch identifizieren lässt, dass sie nicht das Objekt des Stolzes ist, sondern des Selbsthasses. Wie sonst sind die selbsterniedrigenden Selbstzweifel nach einem Ausscheiden erklärbar. Natürlich erhofft sich jeder Spieler die Erlösung aus dem Selbsthass durch die ästhetische Verfeinerung des nächsten Turniergewinns mit einem perfekt gespielten Finaltisch. Dann versteht er seine eigenen Gedanken nicht mehr und geht essen. Im Restaurant sitzen dieser Gartenbach und Johanna. Er alt und rotweintrinkend, sie charmant und lachend. Offensichtlich sind die beiden auch keine besseren Spieler als er. Das tröstet zwar nicht, aber es macht ihn doch klingendünn lächeln.

Er geht die Liste durch die Abends ausgehangen wurde um zu sehen wer es denn in Tag zwei der GSOP geschafft hätte. Thomas Butzhammer, Jens Kerper, Robert Haigh, Dirk Flessing, Nikos Giannakakis, Alexander Lang, Aaron Vogelsang und und und, alle draussen. Es freut ihn nicht, aber es beruhigt ihn.

Draußen auf der Straße sieht er nochmals Gartenbach und Hupfer. Er schenkt ihnen eine Münze und er fühlt sich gut.

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