Pokerstrategie

Tilt im Burger King

Es ist 6 Uhr morgens. Ich bin seit 4:30 wach und überrasche mich selbst. Ich will heute einen Burger mit in meinen gleich abfahrenden Zug nach Berlin nehmen. Für die wenigen im Laden ist es allesamt späte Nacht, keineswegs früher Morgen.

Am Tresen frage ich, ob es schon ein Wopper Menue gibt. Ich darf eines bestellen. Als Getränk will ich einen Schokoshake. Ketchup oder Majo lehne ich ab. Dann fällt mir ein, dass ich gerne Cheese und Bacon hätte. Die junge Dame hatte wohl schon getippt und intoniert vorwurfvoll – immerhin sachte, aber vorwurfvoll. Ich reagiere nicht offen, überlege aber im Stillen, wie sehr ich ihre offenbar recht kritische Meinung, ich hätte dies besser früher sagen sollen, teilen will.

Nun ist der Nächste dran. Ich gehe zwei Schritte aus dem Weg, obwohl ich noch auf meine Tüte warten muss. Er erscheint mir sofort wie ein angeschossener Büffel, dabei ist er nur ein halbstarker Betrunkener. Er konzentriert sich und gibt laut „Wopper Menue“ von sich. Die Dame tippt. Er konzentriert sich erneut: „Käse“. Sie zischt in gleich vorwurfsvoller Manier wie eben bei mir. Er keift zurück. Es eskaliert ein wenig. Ich nehme meine fertige Tüte und gehe.

Gesättigt im Zug sitzend blicke ich zurück. Je länger ich darüber nachdenke, desto interessanter finde ich die Situation. Der Büffel sieht sich im Recht; unsere Bedienung auch. Ich bin auf Seiten der Bedienung, allerdings nicht unbedingt in ihrer Situation mit mir. 😉

Es ist wie am Pokertisch. Jeder meint, dass er richtig handelt – und doch gibt es Unterschiede. Die Situation mit mir flacht schnell ab, weil ich ihre Unmutsäußerung nicht unmittelbar kontere, obwohl ich sie für unnötig, vielleicht sogar übertrieben, halte.

Die andere Situation läuft weiter und beide haben ihren jeweiligen Tag nicht bereichert dadurch. Sie gehen zornig auseinander. Sie verlieren beide. Es gehören halt doch immer zwei dazu.

Er ist offenbar nicht Herr seiner Sinne. Sie arbeitet zur Oktoberfestzeit an einem Samstag sehr früh morgens im Burger King am Bahnhof. Nicht nur er trägt die Verantwortung für die unschöne Entwicklung seiner Bestellung. Ich erwarte um ihretwillen von der jungen Dame am Tresen, dass sie sich bewusst ist, mit wem sie es jeweils zu tun hat. Tut sie das nicht, so macht sie sich ihre Schicht unnötig schwerer als sie es ohnehin schon ist.

Für mich ist das ein Anwendungsfall der „never bluff a monkey“-Regel. Wenn ich behaupte, ein guter Spieler zu sein, dann liegt es an mir. Ich muss sehen, welche Signale ich an wen sende und antizipieren, wie er im Rahmen seiner jeweiligen Möglichkeiten reagieren wird. Ich habe es schon mehrfach geschrieben, wiederhole mich an dieser Stelle aber gerne, weil es eben so wichtig ist: Es ist an sich kein Problem, dass ein schlechter Spieler eben schlecht ist. Es liegt in der Verantwortung des sich überlegen fühlenden Pokerspielers, wenn er nicht in der Lage ist, einen Fisch als solchen zu erkennen.

Jeder, der einen schlechten Spieler blufft und dann über dessen fraglichen Call schimpft, tut in Wahrheit dies: Er akzeptiert seine eigene Fehleinschätzung nicht. Er kaschiert seinen Fehler, indem er die Verantwortung dafür von sich weist.

Das ist ein schlimmer Fehler. Denn dieses Verhalten hat weitreichende negative Folgen. Unmittelbar erzeugt es mindestens Unbehagen beim gerade eben erfolgreichen, aber nichtsdestotrotz schlechten Spieler – was es im Regelfall schwerer macht, an dessen Chips zu gelangen. Das kann nicht im Interesse eines wirklich guten Spielers liegen.

Mittelbar verhindert man durch dieses Verhalten, dass man selbst besser wird. Wer eigene Fehler leugnet, belügt nicht nur seine Umgebung, nur um vor Laien als guter Spieler da zu stehen. Er belügt vor allem sich selbst.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan Kalhamer für
gaming-institute.de


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