Kolumnen

Tragisch gut

Ist das fair? Da spielt sich Thomas durch die harte online Quali für das diesjährige Premium Liveevent von FullTiltPoker.net: der MEC in Wien. Da performt er auch brick ’n‘ mortar so gut, dass er den Shot auf die drei Heads Ups um bis zu 1.000.0000 Euro nehmen darf. Und dann…

… ja dann findet er dreimal seinen Meister in Chris Ferguson, Mike Matusow und Gus Hansen – so gesehen am Samstagabend zur Primetime auf Sport1.

30K sind ihm damit immerhin sicher, aber wer die Preissprünge 100k, 300k und 1.000.000 so greifbar nahe hatte, dem darf man nicht (zumindest noch nicht heute) zu 30k gratulieren. Ich will ihm aber dennoch zu seinem Spiel gratulieren und dabei auch die Tragik von purem gutem Spiel aufzeigen.

Ich habe eine ganze Weile Tischtennis gespielt (nicht wirklich gut wie etwa Stefan Rapp, aber doch im Ligabetrieb, also als Wettkampf). Was ich gut konnte, war meine Shots als Dog zu nehmen. Schließlich war ich oft Dog. 😉

Im Ernst: Im Tischtennis kann ich entweder konservativ den Ball zurückspielen oder aber das Risiko eines Angriffsschlages – eines Winners – nehmen. Wann ich was tue, hängt von meiner Sicht auf die Situation am Tisch ab. Glaube ich die Mehrzahl der unspektakulären Bälle zu gewinnen, so stehen die Zeichen auf Sieg für mich und ich werde kein Risiko gehen. Merke ich aber, dass mein Gegner mehr Sicherheit im Spiel hat als ich, so gehe ich Risiko. Denn ohne Risiko würde ich sicher verlieren, mit Risiko aber gewinne ich hin und wieder per „Glück“ – ein Glück, das ich bewusst gesucht habe, aber natürlich nicht immer finde (sonst wäre es ja auch kein Glück).

Wäre ich z.B. der viertbeste Spieler von zehn Spielern und spielte jeder gegen jeden, so würde ich – rein nach Edge – 6 meiner 9 Spiele gewinnen. Habe ich aber das Glück, dass sich alle mir unterlegenen Spieler ihrem Schicksal ergeben und nichts „riskieren“, während ich diese Partien konservativ heim schaukle und bin ich smart genug, in den drei Spielen in denen ich Dog bin, dies zu erkennen und deshalb mein Glück im erhöhten Risiko zu suchen, so schaffe ich vielleicht am Ende den Sprung aufs Treppchen, obwohl ich da rein technisch gar nicht hingehöre.

Zurück zum Poker: Ich behaupte, Thomas stand zu Recht in den Heads Ups. Sein Spiel ist sauber und gut. Er hat seine Tische im Griff, spielt seine Lines logisch. Damit gewinnt er nachhaltig gegen alle, die mit ihm maximal auf Augenhöhe sind. Ironischerweise wendet sich dies analog der beschriebenen Situation im Tischtennis dann gegen ihn, wenn er einmal unterlegen ist. Dann kehrt sich das positive Wort „logisch“ in das negativ Behaftete „durchschaubar“. Denn Weltklassespieler wie Chris, Mike oder Gus kennen natürlich alles, was logisch ist am Pokertisch und spielen es noch einen Tick logischer, routinierter.

Die Lehre, die wir alle daraus ziehen können, ist, dass es massiv PlusEV sein kann, zu erkennen, wann man unterlegen ist. Eine Entscheidung ist immer nur so gut wie die beste Alternative. Gerne versucht jeder aus einer 60% Gewinnchance eine 65% Chance zu machen. Viel mehr kann es aber wert sein, wenn man in den (hoffentlich seltenen) unschönen Situationen, in denen man hinten ist, so ehrlich mit sich selbst ist, dass man sagen kann: wenn ich hier „wild“ spiele und deshalb zu immerhin vielleicht 40% gewinnen werde, so ist das deutlich besser als wenn ich mich auf den Kampf mit der feinen Klinge einlasse, obwohl ich deutlich unterlegen bin.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan M. Kalhamer für
the-gambling-institute.eu
– calculated gaming –


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