Kolumnen

Tricky tricky

Collusion, Chip Dumping, organisiertes Bandenspiel, helfende Bloggergesten hinter Photoapparaten. All das hat am Pokertisch nun wirklich nichts zu suchen. Es sei denn man befindet sich in einer ganz besonderen Situation.

Am Sonntag den 20. März 2011 traf das aktuelle Team der German Federation of Poker (GFP) unter Schirmherrschaft der IFP im Rahmen eines Ländervergleichs auf das Team der Austrian Pokersport Association (APSA). Details zu diesem Wettkampf sind den einschlägigen Presseberichten zu entnehmen. Ich will hier taktisch Interessantes diskutieren.

Poker ist auch deshalb so attraktiv, weil es immer wieder neue Fragestellungen aufwirft. Man handelt als guter Spieler nicht einfach aus stupider Gewohnheit heraus, sondern weil man größere Zusammenhänge verstanden hat. Es ist also der Weiterbildung des eigenen Spiel förderlich, auch hin und wieder über exotische Situationen nachzudenken. Denn dabei hinterfragt man automatisch auch die eigenen Standards, welche sich eingebürgert haben aber nicht zwangsläufig ideal sind.

Auf ins Gefecht also! Fünf Spieler der GFP saßen immer abwechselnd mit fünf Spielern der APSA rund um den Orbit eines SnGs im Rahmen des genannten Nationenvergleichs. Die zu erringenden Punke waren wie folgt vereinbart: 1, 2, 3, 5, 7, 9, 12, 15, 18, 22. Der zehnte Spieler erringt also zumindest einen Punkt für die eigene Nation. Der Erste gewinnt 22 Punkte fürs Vaterland.

Es ergab sich eine Situation, die viel und kontrovers diskutiert wurde. Unser Teamcaptain, Tim Reese aus Berlin, hat mir dazu auch folgende Mail geschrieben:


Hallo Stephan,

der Handablauf war folgendermaßen:

Team Deutschland hatte eine 3 zu 2 Überzahl zu diesem Zeitpunkt. Zudem hatte sich der österreichische Spieler direkt in der Hand davor gegen Charlie in einer All-In-Situation gecrippled.

Blinds: 300/600

2 Folds, der Österreicher am Button pusht mit etwa 2.300, Charly callt nach kurzem Überlegen mit ihrem 12K+ Bigstack und schaut danach erwartungsvoll auf den Hamburger Kameraden im BB. BB hat in diesem Moment etwa 7K behind. Mit den Worten „macht das mal unter Euch aus“ foldet BB schliesslich. Seine Hand ist 7h4h. Charlie geht also alleine mit dem Ösi in den Showdown und verdoppelt ihn. Ösi zeigte TT, Charlie zeigte 76o. BB hätte mit 7h4h einen Flush gemacht und den Gegner eleminiert. Genau jener Spieler sitzt auch noch am Ende mit Charlie im HU und gewinnt auch noch letztendlich.

Hier noch mal meine Gedanken zu der Hand:

Der Österreichische Shortstack hatte sich direkt in der Hand gecrippled und pusht nun direkt vom Button noch nicht einmal 4BB. Wenn er ein Thinking Player ist, weiß er, dass er hier einen von maximal 2 folgenden Spots hat, in denen er überhaupt mit Foldequity pushen kann. In der nächsten Hand hätte unser Spieler Matthias im BB gesessen, was bedeutet dass der Ösi in 3 feindliche Spieler hätte pushen müssen. Also nutzt er folglich verzweifelt den einen Spot, der wenigstens ein bisschen Überlebenschancen bietet. Seine Pushing-Range sollte also nicht mega-tight sein. Er zeigt zwar letztendlich TT, dies aber als Maßstab zu sehen scheint für mich stark ergebnisorientiert.
Charlie callt im SB mit einem Bigstack eine marginale Hand(76o) mit der Intention dass BB overcallt, um den Ösi vom Tisch zu nehmen, was sie unserem Spieler anscheinend auch non-verbal mitteilen wollte. Dieser erkennt aber die Situation nicht und schaut nur auf seine Karten und seinen Stack und bekommt Charlies Signale nicht mit und foldet schliesslich mit oben genannter Bemerkung. Mit 7K behind bekommt BB auch sensationelle Odds, um den Overcall zu machen.

Entscheidend sollte doch die Betrachtung sein, welches Risk/Reward-Verhältnis hier für Team Deutschland vorliegt. Das Risiko ist doch lediglich, dass der Ösi-Shortstack auf 6,9K verdreifacht. Im Verlustfall verliert SB 2K von einem 12K+ Stack und BB 1,7K von einem 7,5K Stack. Der Stack bleibt also weiterhin gesund. Unser BigBlind fällt zwar stackmässig unter 10BB hat aber eine sehr günstige Position am Tisch, um gefahrlos Chips von den anderen Teammitgliedern zu erhalten. Die große Chance besteht darin, den Ösi, dessen Range wie gesagt nicht als zu tight einzustufen ist, vom Tisch zu nehmen und eine 3gegen1-Situation am Tisch herzustellen. Die Chancen des verbleibenden Gegners noch Plätze gutzumachen, hätten gegen Null tendiert.

Ich freue mich schon sehr auf Deine Ausführungen zu diesem hochinteressanten Spot.

Liebe Grüße

Tim Reese


Ich habe mir meine Gedanken dazu bereits gemacht, habe eine klare Meinung und werde diese auch noch veröffentlichen. Doch zunächst ich will euch, die Pokercommunity auf Pokerfirma, offen dazu einladen, die Kommentarfunktion konstruktiv zu diesem taktischen Thema zu nutzen. Ich bitte, dabei zu beachten, dass es hier rein um das Spiel und eure Vorschläge zu einem optimalen Verhalten beider deutschen Spieler in diesem absoluten Nonstandard-Team-Spot gehen soll. Alle anderen Themen wie der Pokersport im Allgemeinen, die GFP im Speziellen, der Spielmodus, das Team, meine Person oder was auch immer dem geneigten Leser sonst noch auf der Seele brennt, stören an dieser Stelle die hoffentlich interessante Diskussion. Ich freue mich auf eure Ansätze.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer für
gambling-institute.de
– calculated gaming -.


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