Udo Gartenbach hat ein Buch geschrieben. „Mau Mau ist was für Tunten“ erschienen im CARLSEN Verlag. Edel gebunden, angenehm in der Hand liegend und im charmanten Format längst vergessener Liebeslyrik. Programmatisch und trotzdem glatt gelogen der Untertitel des Werkes: “Die besten Poker-Sprüche“.
Das Buch ist viel interessanter als Titel und Untertitel es uns glauben machen wollen und Udo Gartenbach ist als Schreiber so viel besser, als er vielleicht selber ahnt. Oder er weiß es und fürchtet sich vor seinem Talent, weil es ihn irritiert und er süchtig ist nach dem rülpsenden Lob des geistigen Präkariats.
In kleinen treffenden Prosaskizzen und flüchtigen Assoziationen gelingt es dem Autor, Poker literarisch zu betrachten und zu erheben. Es ist eine Kunst in wenigen Sätzen stimmige Bilder in die Köpfe der Leser zu zaubern und Udo Gartenbach beherrscht diese Kunst.
Paradoxerweise allerdings scheint genau diese Gabe ihm nicht zu genügen. Geradezu davon besessen die eigene Magie zu erschüttern, kommt dann unweigerlich ein „Spruch“. Und Sprüche sind was sie sind. In der Situation witzig und befreiend, oft und gerne auch derb und situativ ein wunderbares Vehikel große Gefühle auf eine einfache Formel zu reduzieren. Wenn man so möchte ein sinnvolles Ventil unserer Seele, aus Furcht wird Komik, aus Peinlichkeit wird Humor. Das Leben wird ein Stück weit entspannter und nach einem richtigen „Hammerspruch“ widmen wir uns wieder den wichtigen Dingen.
Gartenbach schreibt dazu in anderem Zusammenhang, aber trotzdem an dieser Stelle durchaus passend: „Der Spruch ist also rein körperlich betrachtet eine Erektion trotz verlorener Hand.“ Selbstverständlich würde ich das anders ausdrücken, nur es steht ja nicht zufällig sein und nicht mein Name auf dem schön gestalteten Cover. Die Worthoheit liegt beim Autor und das ist gut so, allerdings bin ich mir manchmal nicht sicher, ob Gartenbach nicht unter Wert schreibt, weil er glaubt gefallen zu müssen. Weil er getrieben davon ist „Sprüche rauszuhauen“. Quasi joviales Schulterklopfen an den Leser und der Feinsinn wird erfolglos weggesperrt. Erfolglos deswegen, weil sich Empfindsamkeit und Feinsinn eben nicht willenlos ergeben und sich an vielen Stellen dieses Buches durchsetzen und genau dann mag ich es auch.
„Mau-Mau ist was für Tunten“ erhebt den an und für sich bedenklichen Anspruch der Sprüchesammlung und erfüllt diesen auch zum Teil. Aber es gibt auch diesen wunderbaren Rest. Die kleinen Schmuckstücke von kurzen Kapiteln. Der Autor vergisst auf die Selbstinszenierung, schreibt sich in einen Rausch abseits der billigen Pointen und ist wirklich gut.
„Morgen tu ich Diepstäck“
„Da ist nämlich der Schippkaunt höher, da kann ich länger unsinnig spielen und meine Schips verblasen. Und öfter. Und öfter auch mal anni tu karts spielen. Meine Strategie ist es sowieso direkt mal zwei Ättonns einzuplanen. Aber natürlich kann man auch beim Diepstäck voll schnell ohne seine Schipps sein. Ja da ist man halt pleite. Wie Liemen Brassers. Aber Diepstäck macht halt Spass wegen der Länge des Spiels. Und man kann länger zuschauen, wie die der Diehler die Hohlkarts geben tut. Schnell noch mal allen anderen Gutt Lack wünschen und dann mal schauen was der Törn so bringt.“
„So sind wir Pokerspieler. Und morgen sitzen wir alle irgendwo. Denn irgendwie ist irgendwann immer Diepstäck. Und irgendwo und irgendwann geht immer ein lustiges Spielchen. Da sin mer dabei, dat ist prima. Irgendwo und irgendwann; nur mit dem irgendwie tun wir uns dann meistens noch schwer. Aber irgendwann werden wir auch das noch hinkriegen. Denke ich mal“.
Zitiert aus „Mau Mau ist was für Tunten“ – Udo Gartenbach
Ganz groß. Wirklich beeindruckend, besonders die zweite Passage. Vielleicht wollte Udo Gartenbach nur komisch sein und hat stattdessen berührendes geschrieben. Treffsicher, authentisch und auf eine Weise wahr wie es das filmische Dokument kaum erreichen kann. Ja so sind sie, ja so sprechen und denken sie. Poker in Deutschland zusammengefasst in einem wunderbaren Absatz.
Und es sind genau diese Absätze die mich darin bestärken eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für das Buch abzugeben. Ich glaube zwar das Werk ist von vorne bis hinten ein einziges Missverständnis, aber eben ein sehr gelungenes und empfehlenswertes Missverständnis. Und ich erhoffe mir noch mehr und spätestens wenn sich der Autor von der aufgesetzten Jugendlichkeit verabschiedet und sich zu seinem feinsinnnigen Talent bekennt, werden wir von Udo Gartenbach noch Großes lesen.
Karl Kraus hat am Grab von Peter Altenberg gesagt: „Wehe der Nachkommenschaft, die Dich verkennt.“ Bei Udo Gartenbach ist die Sache viel einfacher und gleichzeitig viel komplizierter. Udo Gartebach verkennt sich selbst, oder es fehlt ihm gar der Mut wirklich erwachsen zu werden. Die Sprachgewalt der Pubertät nicht zu vergessen gehört zum Werkzeugkasten eines Autors. Das Feine und Empfindsame zuzulassen ist eine der wenigen Vorzüge des Älterwerdens. Geduld gehört dazu und deswegen freue ich mich auf das nächste Werk des Autors und wenn ich zwanzig Jahre warten muss, auch kein Problem. Das warten wird sich auszahlen – da bin ich mir ganz sicher.
Götz Schrage