Kolumnen

Vom Weihnachtsturnier

Am Wochenende folgte ich einer Einladung in die Nähe von Straubing und spielte ein nett organisiertes live Pokerturnier mit. Mit dem vorweihnachtlichen Frieden am Tisch ist das so eine Sache…

Lang hat es nicht gedauert und der mir entgegengebrachten freundlichen Einladung folgte der Rausschmiss. So hat es sich zugetragen:

Bei Startstacks von 10k und anfänglichen Blinds on 25-50 wurde in 20 minütigen Leveln gepokert. Ich sah mir alles in Ruhe an, plauderte ein wenig in der geselligen Runde. Dann bekam ich in UTG+1 AQ und raiste auf 250 an. Es nahm sich zwar jeder Zeit, doch letztlich foldete der Tisch und ich gewann die Blinds, vor allem aber die Info, dass man hier nicht unbedingt mit mir spielen will. Das ist oft gänzlich anders. Ich werde also versuchen, mich etwas einzubringen und nicht nur die beste Hand schnell gen Showdown ziehen.

In Level 2 haben wir den ersten Busto. Ein relativ hoch frequenter Spieler erhöhte aus mittlerer Position und es folgte unmittelbar hinter ihm die erste 3-Bet des Abends. Alle folden zum Initialraiser, dieser 4-betet auf etwa 2,3k! Wow! Ich gebe beiden hier was richtig Ordentliches. Der 3-beter bezahlt, was mich etwas irritiert. Am zweifarbigen 8-hoch Flop stellt der Initialraiser ein. Das ist etwas über Pot. 99 bezahlt nach langer Überlegung. Wir haben in etwa einen Flip, denn AKs beim Raiser hat neben den Overcards einen Flushdraw. Runner-Runner Straight ist zudem möglich. Der Draw ist sogar leichter Favorit. Am Turn kommt Farbe und AK gewinnt per Flush.

Ich beschreibe diese Hand so genau, weil auch sie mein Spiel beeinflusst. Da 99 raus ist, interessiert mich nur der Spieler mit AKs. Was hat er gezeigt? Vor allem, dass er mutig setzt. Ist das Openraise noch Standard mit AKs, so spielt er gegen die erste und unmittelbare 3-Bet eine 4-Bet. Das tun nicht viele. Er stellt damit eine unmittelbare und schwierige Frage, anstatt – wie es viele täten – nur zu bezahlen und sich dann postflop OOP auf ein Tänzchen einzulassen.

Dass er dann mit dem Draw pusht ist konsequent und richtig. Doch auch dies täten nicht viele. Der Spieler ist aktiv und schreckt vor großen Einsätzen nicht zurück. Zudem ist seine 2,3k 4-Bet in einer guten Size, denn sie erzeugt im Falle eines Calls den Pot so groß, dass man dann mit sauberer Potsize einstellen kann. Offen bleiben vor allem zwei Fragen:

-Was hätte er gegen ein All In Preflop getan?
– Was bei einem total verpassten Flop?

Ich weiß also, dass er Valueszenarien und aktive Züge gut spielt, sehe keine Fehler. Das Spiel lässt keine Aussage darüber zu, wie er mit enormem Druck gegen ihn umgeht. Doch das teste ich dann leider selbst aus:

Eben dieser Spieler openlimpte später bei 75-150, als ich am Button saß. Beide beschriebenen Spiele und der daraus resultierende Spielstil, nicht aber unbedingt die Hand (K5s), führen dazu, dass ich mich in die Partie einklinke. Der Small Blind foldet, der Big Blind checkt. 643 Rainbow am Flop und die Action kommt mit Check – 350 zu mir. Ich gehe auf 1,1k, weil ich mit meiner Hand einen Openender, eine saubere Overcard und einen Backdoorflush halte.

Ich will hier und jetzt gewinnen oder zumindest stark genug wirken um im Callfall einen Check am Turn zu induzieren. Dann kann ich meine Position ausnutzen und entweder Check behind spielen oder for Value beten. Eine 3-bet habe ich nicht wirklich am Schirm. Doch diese erfolgt.

Beschriebener Spieler hatte lange überlegt (das hat er im anderen Spiel nie getan) und dann auf etwa 2,7k erhöht. Insgesamt wirkte er etwas unsicher auf mich und ich hielt ein Schauspiel für unwahrscheinlich, da er dies in seinen anderen Spielen auch in keiner Weise getan hat. Also pushte ich für insgesamt knapp 10k. Er callte unmittelbar und bestimmt.

Ich dachte sofort an ein Set bei ihm. Sollte ich mich so getäuscht haben? Ich hatte mich getäuscht, aber anders als erwartet. Er hielt 86, also Toppaar ohne Extras und gewinnt damit 60% aller Restspiele gegen meine Hand, insbesondere auch dieses. Ich bin raus und habe genug Zeit nachzudenken.

Letztlich bin ich froh, dass mein Spiel in erster Linie mathematisch ist, denn die Gedankengänge und damit die Psyche eines Menschen, gerade wenn man ihn nicht gut kennt, richtig zu deuten hält man nur dann für machbar, wenn es gerade klappt. Meine Überlegungen waren plausibel und dennoch haben sie mich das Turnier gekostet. Mehr noch: Ich lag total falsch! Hätte ich auch nur im Entferntesten daran gedacht, hier mit Toppaar bezahlt zu werden, dann hätte ich nie ein solches Fass aufgemacht.

Ich hoffe, ich konnte euch mit diesen Beispielen und vor allem deren Zusammenwirken ein wenig zeigen, wie ich meine, Poker denken zu sollen – und auch, dass es deshalb nicht immer klappen muss. Es genügt vollkommen, wenn es öfter klappt als nicht. Alles Gute für euch an- und abseits der Tische! Frohe Weihnachten!

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan M. Kalhamer
gambling-institute.de


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