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„Von Haien und Fischen“: Interview mit Filmemacher Rolf S. Wolkenstein

Rolf S. Wolkenstein ist Regisseur, Autor und Filmemacher. Seine Dokumentationen sind Kult. Die Facetten der Gesellschaft zu zeigen wie sie sind, brachte dem 52-Jährigen das Goldene Kabel in Silber und den Adolf-Grimme-Preis ein. Jetzt wagte er sich an das Thema Poker heran. Herausgekommen ist die Dokumentation „Von Haien und Fischen“, die ARTE im Rahmen des Themenabends „Poker Passion“ am kommenden Sonntag, den 12. Februar 2012, ab etwa 21.55 Uhr erstmals im Fernsehen ausstrahlt. Im Interview spricht Rolf S. Wolkenstein über die Dreharbeiten, die Faszination des Pokerspiels und über das verrückte Schaf.

Herr Wolkenstein, Ihre Dokumentation beleuchtet die Pokerszene von vielen Seiten. Profis kommen zu Wort, aber auch Amateure. Wie lernt man die Protagonisten kennen, um einen solchen Film umzusetzen?

Rolf S. Wolkenstein:
Ich bin selbst leidenschaftlicher Spieler. Als ich wusste, dass ich eine Doku über das Thema drehen würde, habe ich angefangen, die Spieler um mich herum genauer zu betrachten. Es gab schnell eine Auswahl von eloquenten Spielern, die ich in die engere Auswahl nehmen konnte, um den Aspekt des Freizeitspielers und des amitionierten Youngsters zu besetzen.

Und wie kamen die Profis dazu?

Rolf S. Wolkenstein: Die Profis habe ich direkt kontaktiert beziehungsweise auf großen Events kennen gelernt. Christophe Groß, der vielen Pokerspielern besser unter seinem Künstlernamen Crazy Sheep bekannt ist, kannte ich zum Beispiel gar nicht als Online Pro. Ich sah ihn als Spieler bei der European Poker Tour in Berlin, wo ich recherchierte.

Das war im März 2010.

Rolf S. Wolkenstein: Genau. Crazy Sheep war unter den letzten 40 Spielern und ich fand die Art wie er seinen Stack kunstvoll arangierte sehr beeindruckend. Er war nicht so mathematisch korrekt in Reih und Glied, sondern eher wie eine abstrakte Skulptur. Eigentlich nur ein unwesentliches Detail, aber meine Aufmerksamkeit wurde dadurch geweckt. In einer Pause sprach ich ihn kurz an, sagte sowas wie „ein sehr schönes Chipmonument hast du da“. Sheep nickte nur beiläufig, dachte wahrscheinlich, ich meine die Menge der Chips. Er war natürlich gerade in einer ganz anderen Gedankenwelt. Dann haben wir uns in bei der EPT in Monnte Carlo wieder getroffen und lange unterhalten. Dabei kam raus, dass er nur ab und an zum Spaß solche Live-Turniere spielt, aber eigentlich hauptsächlich online unterwegs und erfolgreich ist. Mir wurde schnell klar, dass er was zu erzählen hat und in den Film gehört.

Sie haben dann Christophe Groß auf Malta besucht?

Rolf S.Wolkenstein: Ja, ihn und seine Mitbewohner. Zusammen mit Waimann und Jus hatte Christophe eine Poker-WG gegründete. Eine völlig eigene Welt. Aufgestanden wurde,wenn andere von der Arbeit nach Hause kommen. Die Nacht wurde zum Tag, dass Internet zum Arbeitsplatz. Die Aufnahmen auf Malta haben mir zum einen gezeigt, wie technisiert Poker im Internet ablaufen kann und zum anderen, dass es sich bei Online-Profis um eine Art moderner Fließbandarbeiter handelt. Tausende von Händen werden Tag für Tag gespielt, jede denkbare Situation erlebt und durchlebt. Jeder Bad Beat, jeder Lucky Hit. Am Ende wundern sich diese Spieler über nichts mehr.

Wie lange wurde insgesamt gedreht und wie viele Arbeitsstunden stecken in der Doku?

Rolf S. Wolkenstein: Die Dreharbeiten fanden seit 2010 statt. Gleich nach Neujahr ging ich in den Schnitt. Normalerweise dauert der ein paar Wochen, aber ich merkte schnell, dass ich zu tief im Thema steckte, und es mir schwer fiel eine Position zu finden, die einerseits den Laien interessieren und andereseits den versierten Pokerspieler befriedigen könnte. Ansonsten mache ich gern Dokus, in denen nur die Protagonisten zu Wort kommen, sogenannte O-Ton-Dokus, aber in diesem Projekt habe ich mich nach langem Überlegen dazu entschlossen, einen Erzähler hinzuzufügen. So konnte ich meine eigenen Erfahrungen und Sichtweisen konkreter einbringen und Positionen einnehmen, die Spieler nur sehr schwer einnehmen können, weil ihnen eben verständlicherweise teilweise die Distanz fehlt.

Welche Konsequenz hatte diese Herangehensweise?

Rolf S.Wolkenstein: Am Ende hat der ganze Schnittprozess fast fünf Monate gedauert. Eine unglaublich lange Zeit. Aber nach den sehr positiven Resonanzen bei der Premiere hat es sich wohl gelohnt fast zwei Jahre Arbeit in diese Dokumentation zu investieren.

Wie würden Sie das Endergebnis beschreiben?

Rolf S. Wolkenstein: Es ist eine Hommage an das Pokerspiel. Natürlich sehe ich als ambitionierter Freizeit-Pokerspieler eher all die interessanten Facetten des Spiels und wollte daher eine kleine informative und unterhaltsame Rundreise durch diesen Kosmos präsentieren. Das mein Herz für dieses Spiel schlägt, ist unübersehbar, und wahrscheinlich eine Stärke des Films. Ich wurde aber auch gefragt, weshalb ich mich nicht kritischer mit Themen wie der Spielsucht auseinander gesetzt habe.

Warum haben Sie es nicht getan?

Rolf S.Wolkenstein: Die Antwort ist einfach für mich. In meinen Augen spielt dieses Thema lediglich eine sehr untergeordnete Rolle. Es existiert eher als Vorurteil in den Köpfen vieler Laien, als in der Pokerrealität. Ich selbst kenne einige Spieler, die sehr viel Zeit an den Tischen verbringen, aber niemanden der Haus und Hof verspielt hätte. Sicher gehen einige an ihr finanzielles Limit, aber nicht an ihr existenzielles. Nach einem Artikel zu urteilen, den ich neulich erst las, und in dem eine Mitarbeiterin der Berliner Beratungsstelle für Glücksspielsüchtige zitiert wird, gibt es zwar ein paar Pokerspieler die in die Beratung kommen, aber über 80 Prozent der Klientel ist abhängig von Daddelautomaten. Würde ich also einen Film über Geldautomatenspieler machen, käme ich an dem Thema nicht vorbei.

Würde sich Rolf S.Wolkenstein erneut dem Thema Poker in einer Dokumentation annehmen und wenn ja, aus welchem Blickwinkel?

Rolf S.Wolkenstein:
Direkt nach Fertigstellung der Dokumentation hatte ich das Gefühl, so jetzt nochmal, aber diesmal nur für Experten. Also ganz tief rein in die Materie. Kein Verdolmetschen der Pokersprsche mehr. Skills und Moves auf höchstem Niveau zelebrieren. Dieser Wunsch resultierte wohl aus meiner Befürchtung, dass der versierte Pokerspieler gelangweilt sein könnte, weil er nichts Neues erfährt in der Doku. Aber die ersten Resonanzen haben das widerlegt. In der Dokumentaion werden teilweise unkonvensionelle Blickwinkel eingenommen, die auch für Profis interessant sind und die man in der gewohnten Pokerclipwelt so nicht findet. Und natürlich ist es für nahezu jeden spannend, einen Blick in die eher verborgene Welt der Online Pros werfen zu können. Für viele Pokerspieler ist das der Höhepunkt der Doku und sie haben so ihren Benefit.

Vielen Dank für das Gespräch.

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Von Haien und Fischen (Dokumentation)
Buch und Regie: Rolf S. Wolkenstein
Kamera: Horst Markgraf
Schnitt: Rolf. S. Wolkenstein
Dramaturgische Beratung: Markus CM Schmidt
Mit: Ingo Schmidt-Tychsen, Alexander Köpke, Christophe „Crazy Sheep“ Groß, Jus, Waiman, Gus Hansen, Sandra Naujoks, Daniel Negreanu, Katja Thater u.a.
Produktion: Stefan Kloos (Kloos & Co. Medien GmbH)
Erstaustrahlung auf ARTE am Sonntag, den 12. Februar 2012, ab 21.55 Uhr. Premiere feierte die Dokumentation im Januar in Berlin. Das fsk – Kino am Oranienplatz war bis auf den letzten Platz gefüllt.


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