Kolumnen

Weg mit den Re-Entries!

2006 war die große Diskussion um Rebuy Turniere, 2019 sind es nun die Re-Entries. Es ist keine Neuigkeit, dass die Möglichkeit sich mehr als einmal in ein Turnier einzukaufen, nicht förderlich für die Pokerszene ist. 2015 schon versuchte ich zu erklären, wie teuflisch diese Option ist. Doch außer reichlich Zustimmung sowohl auf Spieler- als auch Veranstalterebene, gab es keine Veränderung.

Es gibt einige wenige Pros, für die die Option der unlimited Rebuys oder Re-Entries lohneswert ist. Alle anderen glauben nur, dass es gut für sie ist, wenn sie sich noch in Level x mit 10 BBs ins Turnier quetschen. Ein Flip geht immer. Die Möglichkeit ein zweites Mal ins Turnier einzusteigen, zieht einen unkontrollierbaren Rattenschwanz mit sich. Die höheren Personalkosten durch die längere Turnierdauer schlägt sich in höheren Fees nieder, die fehlenden Cash Games, weil Spieler zu lange im Turnier gebunden sind und auch weniger Geld für die die Cash Games zur Verfügung haben.

Auch wenn die Spieler gefühlt die Re-Entries verdammen, kaum ist der Re-Entry nicht erlaubt, sind es schon weniger Teilnehmer. Nicht wegen der fehlenden Möglichkeit zum Nachkaufen, sondern weil einige Spieler gar nicht mehr zum Turnier kommen. Es ist wie mit dem Nichtrauchen – kein Casino wollte die Raucher von den Pokertischen verbannen, weil ein anderes Casino ja das Rauchen noch erlaubt. Tatsache ist allerdings, dass das Rauchverbot keine Auswirkung auf die Zahl der Spieler hat. Und genauso ist es mit den Re-Entries – kein Casino traut sich. Würden aber alle gleichzeitig mit dem Nachkaufwahn aufhören, wäre die Pokerwelt schon wieder ein Stück weit mehr in Ordnung.

Aber offenbar ist zwar der Aufschrei vereinzelter Pros aktuell sehr laut, aber es scheint nur leeres Geschwätz zu sein. Allen Kessler prangert die 400 Re-Entries beim 10k Bellagio Event an, bei nur etwas über 600 physischen Spielern, tendiert aber dann gelegentlich auch selbst zum Re-Entry. Selbst Daniel Negreanu rudert schon wieder zurück und relativiert sein „I gonna stop playing Re-Entry Tournaments.“. Traurig, dass selbst die EPT schon auf den Re-Entry Zug ins Verderben aufgesprungen ist. Die WSOP feiert sich auch gerne selbst und ihre Rekordzahlen. Fehlt nur noch, dass auch das 10k Main Event noch Re-Entries zulässt. Mindestens genauso giftig für eine gesunde Pokerwelt sind exorbitante Garantiesummen. Die gehen nämlich mit dem Re-Entry Wahn einher. Starttage, für die man schon fast das ganze Alphabet braucht, sind das schräge Ergebnis. Die WPT500 in Los Angeles wird über drei Wochen (!) gespielt und bietet aktuell 16 (!) Starttage an. Bei einem Buy-In von $570 und einer Preisgeldgarantie von $1.000.000. Wie kann und soll sich das für die Spieler rechnen? Die +70 zeigen ja bereits, dass es sich für das Casino nicht lohnt.

Leute, könnt Ihr mal bitte wach werden? Ab und zu ein Mega-Turnier zu spielen und mehrere Shots dabei zu riskieren, ist gut, macht Spaß und bietet auch den Anreiz, für kleines Geld groß zu gewinnen. Ehrlich, wenn man mit kleiner Bankroll nach Las Vegas reist und ein $1.000 Turnier spielt, dann sind 2.500 Teilnehmer auch genug. Es müssen nicht 4.000 oder mehr sein. Und schon gar nicht jedes Wochenende oder täglich.

Keine 5 % der Poker Community sind Profi-Spieler. Möchtegerns vielleicht und sicherlich genug von denjenigen, die Varianz, Downswing und das Universum beschuldigen, dass sie trotz ihres unglaublichen Pokerkönnens verlieren. Wenn man ein € 100 Turnier spielt und der Min-Cash € 170 ist – und 15 bis 20 % des Feldes werden ausbezahlt, dann ist das grandios für einen gesunden Geldkreislauf. Kostet das € 100 Turnier aber dank der Re-Entries schon € 200 oder € 300, dann ist der Kreislauf unterbrochen.

Der Wert des Geldes ist in den letzten Jahren verloren gegangen. Kein Hahn kräht mehr nach High Roller Turnieren, weil sie ohnehin wöchentlich und am Fließband stattfinden. Genauso ist es aber auch, dass sich Spieler mal gefreut haben, wenn sie bei einem € 100 Turnier € 3.000 gewonnen haben. Oder wenn es ein wirklich großes Turnier war, auch mal € 5.000 oder mehr. Heute zählen nur noch die Turniere, bei denen es für € 100 Einsatz € 50.000 und mehr für den Sieger gibt. Alles andere ist ja nix.

Und tatsächlich liegt der Greta-Vergleich nahe. Alle schreien und gehen auf die Straße, um für Klimaschutz und Umweltbewusstsein einzutreten. Um dann zu Hause genüsslich den Nespresso zu schlürfen, nachdem man sich den plastikverpackten Veggie-Burger zur Haustür liefern hat lassen.

Wo bleiben die Casinos, die die Eier haben, die Re-Entries zu verbannen und wieder einen gesunden Kreislauf aufzubauen? Ihr Spieler wollt bessere Strukturen und weniger Glücksfaktor? Dann nehmt das Angebot doch auch an. Sonst spielen wir bald nur noch Multi-Flight, Multi-Entry, Multi Re-Entry Turniere die wochenlang dauern, um die exorbitante Milliardengarantie zu erreichen. Eine Handvoll Spieler würde sich freuen, nämlich genau die Top 5. Der Rest würde nur noch mehr jammern über die unglücklichen 796 Flips, die man bei so einem Turnier gewinnen muss, und vor allem über das große schwarze Loch im Geldbeutel oder das dicke Minus bei der Bankroll. Wird nicht bald der Reset Button gedrückt und dem Millionenwahn ein Ende gesetzt, dann schafft sich Poker selbst ab. Nicht morgen und nicht übermorgen, aber jeden Tag ein Stück mehr.


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