Kolumnen

Wie war dein Tag, Schatz?

Frag doch einfach nicht so blöd. Scheiße natürlich; ich war doch den ganzen Tag mit Pokerspielern zusammen. Bin total vollgelabert worden. Ich kenne wieder dreihundertneunzehn neue Bad Beat Stories und zwölf neue Good Beats Stories.

Ein Nachwuchsamateur hat mir minutenlang erklärt, warum man zwingend As Acht preflop wegschmeißen muss. Zehn Minuten später kommt ein Kollege von ihm und erklärt mir minutenlang, warum man zwingend und immer As Acht preflop spielen muss.

Den ganzen Tag lang wurden mir irgendwelche Setzmuster erklärt; die verhaltensauffälligen Verhaltensmuster dazu waren doch größtenteils schon sehr verhaltensauffällig. Und apropos, Muster. Ich habe heute wieder so viele lustige Ed-Hardy-Muster gesehen, dass mir immer noch die Augen tränen. Und Sonnenbrillen aus den Kollektionen verschiedenster Hersteller der letzten 12 Jahre. Mit Überzeugung getragen. Aus Selbstüberzeugung. Die große Mehrheit der studierten medizinischen Fachkräften sagt auch gerne psychisch bedingte Selbstüberschätzung dazu.

Bin zugetextet worden mit ausländischen Worten, die ich zum Großteil nicht verstanden, geschweige denn begriffen und auch nicht in einen exemplarischen Kontext gebracht haben konnte. Mehr ausländische Wörter kennen, glaube ich, nur Übersetzter und Muttersprachler; aber die verstehen den Nonsens dann wenigstens.

Mein Tag war ein Tag der Trugschlüsse. Projektierte Trugbilder der eigenen Leistungsfähigkeit bei gleichzeitiger irrelevanter Abminderung des vermeintlichen Könnens der Anderen. Illusionen am grünen Tisch. Luftschlösser, die nie zu Ende gebaut werden können. Ruinen der eigenen Leidenschaft. Phasenweise begleitet durch hämisches Grinsen und nonchalantes Karten-offen-in-die-Mitte-werfen als Ausdruck der dicksten Eier. Ja, da vergeht einem doch der Appetit auf Hühnerprodukte. Bluff, Reraise, Angst, Fold.

Pokerliteraturauswendiglerner erklärten mir mein Fehlverhalten beim Spiel. Und diese Nörgelei in nahezu jeder Hand und jeder Situation. Da hätte ich dann auch mit meiner Mutter reden können. Bescheuerte Antworten auf nie gestellte Fragen.

Ja, so war mein Tag. Glücksrittertum ohne Rüstung.

Dafür durfte ich dann weit mehr als hundert neue Lieblingshände genannt bekommen. Inklusive so schlüssiger Erklärungen dazu wie „8-5 muss ich spielen, das ist der Geburtstag meiner Katze“.
„König 3 off raise ich immer, aber die müssen offsuit sein, dann habe ich nämlich doppelte Chance auf Bauchschuss“.
„Du, dass muss ich Dir sagen, Acht Zwei spiele ich immer, damit habe ich noch nieeee verloren“.

Also, das war mein Tag. Frag mich nicht, wie er war.

Ich weiß, das sind alles Klischees. Und ich beruhige mich gleich auch wieder. Aber im Prinzip entstehen Klischees aus Wahrheiten.

Also, das war mein Tag. Das einzig Schöne ist, dass ich immer noch mit dem Loddar befreundet bin. Das wird noch was mit uns beiden. Wenigsten erzählt der mir keine Bad Beat Stories auf Englisch.


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