Kolumnen

Worte und Taten

Vergangenes Wochenende spielte ich ein Charityturnier in der Universität Osnabrück. Heiko Wulfs German Poker Days hatte geladen und 256 Spieler fanden den Weg in die Aula. Vor Turnierstart führten Udo Gartenbach und ich eine kleine Podiumsdiskussion zum Thema „Breitensport Poker – Fluch oder Segen?“. Udo konfrontierte mich charmant mit meinen – seiner Meinung nach – „radikalen“ Thesen. Im Verlauf des Gesprächs musste ich wieder einmal den Standpunkt vertreten, dass Poker „zu Null Prozent“ vom Glück abhänge.

Natürlich stehe ich zu der These. Sie braucht allerdings ihren Rahmen. Live Turniere zu gewinnen (oder zumindest konstant in die Preisränge zu kommen), ist definitiv kein vom Glück unabhängiges Ziel. Leider stand diese Aufgabe unmittelbar vor uns – und nicht zuletzt Gegner wie EPT-Sieger Sebastian Pauli direkt am Tisch entgegen.

Stephan_Kalhamer_sieg_charityViel ist passiert an diesem vom Veranstalter mit viel Herzblut inszenierten Pokerabend – und letztlich saß ich noch, als alle anderen schon standen.  Dann wurde fotografiert, gratuliert und ich ging hundemüde schlafen. Witzigerweise bekomme ich nun Rückfragen zu meiner These vom glücksfreien Pokerspiel. Als ob sie durch meinen Turniersieg nun richtiger wäre.

Viele achten zu sehr auf die Ergebnisse von Entscheidungen und gleichzeitig zu wenig auf die Qualität dieser. Ich hätte auch der erste Seat Open sein können. Ich weiß, dass kurzfristig alles passieren kann. Genauso sicher weiß ich, dass man letztlich immer erntet was man säht.

Ich will mal ein paar Beispiele geben, um mein Thesen anhand des Turniers in Zahlen zu fassen. Angenommen der Finaltisch hat 8 Spieler und ich bin exakt durchschnittlich gut. Dann habe ich 8/256 also 1/64 Chance auf den letzten Tisch und 1/256 Chance auf Turniersieg. Klar.

Angenommen ich spiele chipneutral zwischen Keypots und habe da jeweils eine Equity von 70%. Ich verdopple also zu 70%, dann vervierfache ich zu weiteren 70%, dann ver8-, ver16-, ver32- und ver64-fache ich zu jeweils weiteren 70%. Ich bin somit mit 0,7 hoch 6 Chance am Finaltisch. Das sind knapp 12%. Das ist total selten. Ich muss ca. 8-mal so oft vorzeitig ausscheiden, um einmal am letzten Tisch Platz nehmen zu dürfen. ABER verglichen mit dem 1/64 des obigen Durchschnittsspielers (ca. 1,5%) ist das brutal viel, nämlich ca. 8-mal so häufig!

Nehme ich nun weiter an, dass man nicht nur als großer Favorit große Showdowns bestreitet, sondern dass man dazwischen seinen Stack risikofrei aufbauen kann, braucht es bis zum Finaltisch vielleicht keine sechs großen Spiele, sondern nur vier oder gar drei davon. Somit käme man mit 0,7 hoch 4 (oder 3) also mit ca. 24% (oder gar mit 34%) Prozent unter die letzten Acht. Immer noch ist man Favorit auszuscheiden! Doch verglichen mit dem Durchschnittsspieler ist das eigene Überleben gut 20-mal so wahrscheinlich!

Das ist so, wie wenn man in einer Tombola 20 Lose hält, der Tischnachbar aber nur eines. Es können beide gewinnen. Es ist somit Glück, wer das große Los zieht. Haben allerdings beide gleich viel investiert, um an 20 oder aber an nur 1 Los zu gelangen, so ist dies Geschick und letztlich nur das. Denn schon mittelfristig ist sonnenklar, dass ein Lostopfspieler mit einem Los schlechter „runt“ als der mit 20. In der karitativen Tombola des Abends konnte ich übrigens nichts gewinnen, obwohl ich mit mehrfach eingekauft hatte – war ja für den guten Zweck.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan Kalhamer für
gaming-institute.de


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