Kolumnen

Zum Andreas Gann Geflame

Eine Hand am Finaltisch der Irish Open 2015. Der Livestream-Reporter hetzt „Justice is done for Deutschland“, und sogar Daniel Negreanu twittert „Justice is served on this hand: (…)“. Ich habe mir den Beitrag,  die Videosequenz und die Kommentare auf PokerFirma dazu angesehen und bin schockiert.

Wie schnell, endgültig und dabei vernichtend meint man hier urteilen zu dürfen?
Was wissen wir denn wirklich? Nicht viel.

Ein Pokerfirma-Kommentator namens „Andreas Gann“ schreibt „sorry, aber ich dachte ich habe könig-herz und dame-karo… also 2nd nuts flush draw… und bekomme vielleicht noch einen besseren spot…. deswegen habe ich laenger ueberlegt. die donks zu hause brauchen sich ja deswegen nicht gleich aufzuregen!!!“

Es ist dabei gar nicht wichtig, ob das wirklich Andreas Gann geschrieben hat und ob das ggf. wirklich seine Gedanken waren. Persönlich stelle ich hier nur Folgendes fest:

Es gibt einfach unglaublich viele, die sich unglaublich gerne über unglaubliche Belanglosigkeiten aufregen wollen. Ja, ein Slowroll ist keine gute Schule. Gar nicht. Mich hat das auch schon gestresst. Ich kenne die Wut darüber – und die Ohnmacht, die man da verspürt. Man verliert eine Hand, und der Gegner hat einem zuvor unnötig Hoffnung verspüren lassen. Das verbittert. Aber hilft es denn irgendjemanden, wenn man diesem zweifelhaften Spot nun zum Anlass nimmt und alles selbst erlebte Leid herausbrüllt?

Es nützt niemanden. Aber es gibt durchaus Opfer dieser sinnlosen Hetze. Andreas Gann ist selbstredend brutal getroffen. Er spielte ein großes Pokerturnier. Und zwar offenbar erfolgreich. Ich kenne ihn oder seinen Werdegang nicht, aber es ist nicht unwahrscheinlich, dass dieser TV Tisch sein bisher größtes Erlebnis war. Vermutlich ist er von der Relevanz und dem Echo überwältigt und bekommt nun so viel öffentliche Schelte ab, dass sein Preisgeld zum Schmerzensgeld verkommt.

Genau das ist es, was mich zu diesem Beitrag bewegt. Mann! Müssen wir Pokerspieler denn immer so aggressiv super schlau sein? Dieses ewige Hauen und Stechen gegen vermeintlich Schwächere kostet unserem Spiel immens öffentliches Ansehen und schadet uns somit selbst. Ein wirklich guter Spieler beschwert sich nie darüber, wenn seine Gegner am Limit sind und sich potentiell verfehlen. Auch dann nicht, wenn sie hin und wieder „ungerechtfertigt“ gewinnen. Das ist das Wesen des Spiels. Explizit so entsteht massives Edge.

Der Gegner von Andreas Gann, Donnacha O’Dea, ist ein wahrhaft großer Spieler. Er war als einziger wirklich betroffen, aber von ihm hört oder liest man kein Geflame. Er war auch cool, bevor seine Sechs zum Full House kam. Er bemühte keine Polemik wie „Justice“  für diese letztlich relativ unbedeutende Hand.

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan Kalhamer für
gaming-institute.de


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