Der tatsächliche Nutzen bei der Beschäftigung mit Tells ist aber eher begrenzt. Als Spieler sollte man sich nur damit beschäftigen, wenn man sich auf anderer Art und Weise nur noch schwer verbessern kann oder um bei den ersten Auftritten im Live-Poker keine ganz schlechte Figur zu machen.
Der Mythos Pokerface
Es gibt wohl kaum jemanden, der davon noch nicht gehört hat. Das ändert aber leider nichts daran, dass viele eine falsche Vorstellung vom Pokerface haben. Die meisten sind der Meinung, dass es sich dabei um ein Gesicht handelt, das absolut keine Gesten und Zuckungen zu erkennen lässt. Das Fernsehen unterstützt diese Ansicht mit diversen Westernfilmen, wo man dunkle Gestalten 5-Card Draw Poker spielen sieht ohne dass sie sich bewegen selbst wenn sie gerade einen Royal Flush gezogen haben.
Das Pokerface ist nicht zwangsläufig ein emotionsloses Gesicht. Ein perfektes Pokerface ist ganz einfach ein Gesicht, aus dem nichts über die Handstärke abzulesen ist. Wenn Sie bei jeder Hand auf die gleiche Art und Weise grinsen, ist das im Grunde auch ein Pokerface, denn Ihre Gegner können durch Ihr Grinsen keine Rückschlüsse auf Ihre Hand schließen.
Zwei grundsätzliche Ansätze
Ein Pokerface reicht also von einem emotionslosen zu einem grinsenden Gesicht. Demzufolge gibt es natürlich auch verschiedene Ansätze zum perfekten Pokerface: Der Roboter-Ansatz und der Maniac-Ansatz.
Der Roboter-Ansatz wird zum Beispiel von Chris Ferguson nahezu in Perfektion ausgeführt. Er sitzt immer gleich am Tisch und versteckt sich hinter seiner Sonnenbrille und einem großen Cowboy-Hut. Auch seine Bewegungsabläufe sind einstudiert und einheitlich. Er gibt also sogut wie keine Tells von sich.
Der Maniac-Ansatz ist das genaue Gegenteil und wird unter anderem von Daniel Negreanu – offensichtlich erfolgreich – eingesetzt. Dabei achtet er nicht wie Ferguson darauf, möglichst keine Tells von sich zu geben, sondern überschwemmt seine Gegner regelrecht mit den unterschiedlichsten Tells. Auf diese Weise ist es für den Gegner kaum möglich die Tells zu interpretieren. Wenn Negreanu also sagt, er hat eine schwache Hand, dabei die Chips bei einem Einsatz mit vollem Einsatz in die Mitte wirft, darum betet, dass sein Gegner callt und einen selbstbewussten Eindruck macht, dann ist es offensichtlich, dass niemand bei diesen sich widersprechenden Tells einen Überblick hat.
Beide Ansätze haben ihre Vorzüge. Der Roboter-Ansatz ist eher defensiv, während der Spieler beim Maniac-Ansatz in die Offensive geht und versucht seine Gegner zu manipulieren.
Das große Problem bei Tells
Bisher klingt die Thematik mit den Tells recht plausibel und vielversprechend. Das Problem ist allerdings, dass es in der Praxis sehr schwierig ist sowohl einen oben erwähnten Ansatz auszuführen, als auch Tells zum eigenen Nutzen zu erkennen und auszubeuten. Leider sehen das viele nicht ein…
Das geht so weit, dass sich Spieler Mike Caro’s “Book of Poker Tells” kaufen, lesen und glauben, bald alle Spieler lesen und ausnehmen zu können. Diese Spieler haben weit gefehlt, denn ein solches Buch, das alt-bekannte Tells zeigt und sagt was sie bedeuten, hat kaum einen Wert für die Praxis. Das liegt daran, dass jeder Spieler individuell ist und man kein Rezept liefern kann wie er sich am Tisch bewegt und was dies bedeutet.
Das heißt aber nicht, dass man Tells in die Tonne treten kann, sondern nur, dass es nicht ganz einfach ist mit ihnen umzugehen und davon zu profitieren. Der einzige Weg ist es seine Beobachtungsgabe und sein Merkvermögen zu schulen und mögliche Tells am Tisch aufzusammeln und auszunehmen.
Auch bei Pokerstrategie gibt es verschiedene Möglichkeiten das Spiel zu lernen. Man kann dem Spieler ein Rezept geben (z.B. Raise AT in früher Position und geh am Flop allin wenn du getroffen hast) oder ihm zeigen worauf seine Entscheidungen fundieren sollten. Langfristig erfolgreicher kann nur die letzt genannte Möglichkeit sein und das ist bei den Tells auch nicht anders. Darum werden wir dies in Teil 2 über Tells versuchen umzusetzen.