Kolumnen

Die Wahrheit – Blogs

Erstaunlicherweise konnte man auch ohne permanente Erreichbarkeit überleben, wobei ich mir heute den Verzicht auf die Segnungen der modernen Technik nur schwer vorstellen kann.
Ich bin allem Neuen gegenüber aufgeschlossen, versuche, meinen Finger am Puls der Zeit zu haben und kann mittlerweile sogar einen PC bedienen.

Dennoch schaffte es ein Spieler bei der CAPT in Innsbruck, mich in Zweifel zu stürzen. Er beglückwünschte mich nämlich zu meinem gelungenen und amüsanten BLOG auf Pokerolymp. Ich bedankte mich artig und fing dann an zu grübeln. Ich dachte immer, dass ich Artikel verfassen würde. War ich zum BLOGGER mutiert, ohne es gemerkt zu haben? Und was ist überhaupt ein Blog und warum existiert er?

Ich bin mir sicher, dass es hier Leser gibt, von denen man genau wie von mir glaubt, dass in unserer Kindheit die Dinosaurier noch gelebt haben. Für diese Methusaleme hab ich mir die Mühe gemacht bei Wikipedia nachzuschauen:

Ein Weblog [ w?bl?g ] (Wortkreuzung aus engl. World Wide Web und Log für Logbuch), meist abgekürzt als Blog [ bl?g ], ist ein auf einer Webseite geführtes und damit öffentlich einsehbares Tagebuch oder Journal. Häufig ist ein Blog „endlos“, d. h. eine lange, abwärts chronologisch sortierte Liste von Einträgen, die in bestimmten Abständen umbrochen wird. Es handelt sich damit zwar um eine Website, die aber im Idealfall nur eine Inhaltsebene umfasst.

Zur weiteren Veranschaulichung erlaube ich mir im Anschluss die genehmigte Wiedergabe des ursprünglich auf www.Gehirndurchfall.de erschienen BLOGS des aufstrebenden Pokerspielers Hubertus Schweineschwartler, der dort seinen Werdegang der Öffentlichkeit zugänglich macht.


12.Feb.2006
WAHNSINN !!!
Ich muss es herausschreien in die Welt. Unglaublich! Aber lieber der Reihe nach.
Mein Name ist Hubertus Schweineschwartler. Ich lebe in Freising bei München mit meiner Frau Britta, unseren 2 Töchtern Anna und Therese und unserem Dackel Horst. Ich bin 35 Jahre alt und arbeite am Flughafen in der Gepäckabfertigung.
Gestern lud mich mein bester Freund Al Insetzer zu sich ein. Sie kennen Al sicher aus der Sendung „Deutschland sucht die Superschlampe“. Ab und zu veranstaltet er bei sich zu Hause eine kleine Casting-Orgie, bei der er mich gerne dabei hat. Nette kleine Abwechslung vom drögen Alltag. Nach einem kurzen formellen Vorstellen begannen die 10 Damen unverzüglich, sich zu entkleiden, mit Mousse au Chocolat anzuschmieren und dann gegenseitig sauberzulecken. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass jede der potentiellen Superschlampen versucht, durch möglichst obszöne Worte und Gesten Al’s Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Vergebens, denn Al war in einem Nebenraum, aus dem er mir winkend bedeutete, zu ihm zu kommen. „Hubsi“, sagte er, „vergiss, was da draußen abläuft, die wahre Action ist hier drinnen. Mit diesen historischen Worten deutete er auf seinen PC wo ein verwirrender Tanz aus Karten, Chips, Avataren und einer mitlaufenden Textzeile zu sehen war. Al erklärte mir, dass hier, direkt in seinem Arbeitszimmer, ein Pokerturnier abläuft. Er erklärte mir kurz die Regeln dann spielte er ein so genanntes „Sit-n-go“, ein 1 Tisch Turnier, bei dem er leider gleich als 3ter Spieler ausschied. Das Angebot, ob ich auch eines spielen wolle, lehnte ich ab, da es mir zu gefährlich sei, bei einem Spiel, dass ich gar nicht kann, Geld zu riskieren. NEIN, NEIN, sagte er, hier auf www.vollidiotenpoker.com kann man auch um Spielgeld pokern. Also gut, dann kann ich’s ja mal probieren. Und jetzt kommt der Hammer:
!!!!!!!!!!!!!! ICH HABE DIREKT 2 TURNIERE HINTEREINANDER GEWONNEN !!!!!!!!!!!!
Es ist offensichtlich, dass ich ein Naturtalent bin. Überglücklich bedankte ich mich bei Al, ohne den ich meine Bestimmung nie gefunden hätte. Im Hinausgehen lehnte ich sogar das freundliche Angebot der, mittlerweile wieder sauberen, „Superschlampen“ ab, bei ihrem netten Fessel und Peitschspiel mitzumachen. Ich musste dringend nach Hause. Meine neue Karriere planen.

13.Feb.2006
Die Vernunft hat die Überhand gewonnen. Ich habe beschlossen, zuerst praktische Erfahrung anzusammeln, bevor ich um echtes Geld spiele. Wahrscheinlich ist es Zeitverschwendung, da ich sowieso alle wegputzen werde, aber ich habe ja Familie und will vorsichtig ans Werk gehen. Also, hier ist mein Plan: Ich werde jeden Tag 10 Sit-n-gos spielen und meine Platzierungen sorgfältig notieren. Da immer die ersten 3 Spieler Geld bekommen, kann ich dann meine Ergebnisse übertragen und weiß somit, wie ich abgeschnitten hätte. Genial, oder?

14.Feb.2006
Probleme bereitete mir noch die Auswahl eines geeigneten Spielernamens. Nach Studium der (noch) aktuellen Weltspitze habe ich mich für eine leichte abgewandelte Zusammensetzung der Namen zweier Superstars entschieden. Watch out for: „Viel Brunzen“

15.Feb.2006

Habe die blödsinnige Beschränkung von 10 SnG aufgehoben. Je mehr ich spiele, desto schneller komme ich zu einem zuverlässigen statistischen Wert.

18.Feb.2006
WOW. Was für ein Wochenende! Ich habe von Freitagabend 21.00h bis Sonntagabend 23.00h durchgespielt. 1247 SnGs ! Hier meine Statistik :
1. Platz 0
2. Platz 0
3. Platz 2
4. Platz 15
5. Platz 4
6. Platz 83
7. Platz 156
8. Platz 249
9. Platz 740
Diese Idioten passen nie eine Hand. Obwohl ich total unlesbar bin, da ich jede Hand raise und demzufolge immer gefährlich bin, bringe ich keinen Bluff durch. Ich glaube das liegt nur daran, dass ohne Einsatz gespielt wird.
Ich habe beschlossen eine weitere Finesse einzubauen und spiele ab jetzt willentlich nur noch 99% meiner Starthände. He,He,wir werden schon sehen, ihr Weichbirnen!

12.Mai.2006

Meine Taktik ist aufgegangen. Habe soeben einen 1. Platz erzielt! Ich wage zu behaupten, dass nach nunmehr insgesamt 54.783 SnGs mein Spiel fundiert und abgerundet ist. Werde morgen meine erste Einzahlung tätigen.

14.Mai.2006
Na also. Nach 12 SnGs liege ich schon $ 2,34 vorne

16.Mai.2006
Ein erster kleiner Rückschlag. Von meinen Erfolgen übermütig geworden, habe ich mich auf ein Heads-up eingelassen. Na ja, der Mann hieß „Total Donkey“, wer kann da schon widerstehen?
Kein Problem, die $12.400 hol ich schon wieder rein. Nur ein bisschen an meiner Selbstkontrolle arbeiten und Impulshandlungen vermeiden. Ich muss zwischenzeitlich nur meine Lebensversicherung auflösen, damit Britta nicht merkt, dass ich unser gemeinsames Konto geplündert habe.

3.Juni.2006
Mein Chef ist ein ignorantes Arschloch! Er hat mir verboten, meinen Laptop in die Arbeit mitzunehmen. Wie soll ich denn da meinen Brand aufholen? Ich hab doch schon $38,17 gutgemacht!

4.Juni.2006
Wer zuletzt lacht, lacht am Besten. Ein befreundeter Hacker hat mir gezeigt, wie ich mich in den Computer der Flugsicherung einloggen kann. Da spar ich mir sogar noch die Internetgebühren. Hehe!

27.August.2006
Britta ist vor 4 Tagen mitsamt Kindern und Hund zu ihren Eltern gezogen. Bloß weil sie uns Strom und Wasser abgestellt haben. Sie versteht einfach nicht, wie ich unsere gesamten Ersparnisse beim Pokern verlieren konte. Pah! Verlieren! Ich nenne das intelligentes Investment. Lehrjahre sind keine Herrenjahre. Kein Problem, in ein paar Wochen habe ich die läppischen $120.000.- mit Profit zurückgewonnen, ich hab ja noch $643,12 auf meinem Account.

28.August.2006
Ich vermisse Horst.

12.September.2006
Ich verliere zuviel Zeit mit Einkaufen und Haushaltsführung. Und die Wucherpreise für Lebensmittel! Aber wer intelligent einkauft, kann jede Menge sparen. Doch das Hauptproblem ist der Zeitverlust. Muss mal überlegen, wie ich noch Zeit einsparen kann.

3.Oktober.2006
Ein Arbeitskollege meinte heute, dass ich stinke. Dabei ist er ein Knoblauchtürke und kann das doch gar nicht beurteilen. Egal, ich spar im Schnitt 18 Minuten pro Tag, wenn ich mich nicht dusche und keine Wäsche mehr wasche. Das steht locker dafür.

14.Oktober.2006
Ich bin entlassen worden. Die SOKO meint, die Ursache des gestrigen Flugzeugzusammenstosses sei das Ausfallen der Flugsicherungscomputer auf Grund eines Einhackens in ihr System. Die Blackbox würde dokumentieren, dass das Letzte, was der Pilot der einen Maschine gesagt hatte, war:
„Ich seh den künstlichen Horizont nicht mehr, sondern nur eine Pokerpartie.“
Da müssen sich die Herrschaften schon den Vorwurf gefallen lassen, dass die Sicherheitsstandards erschreckend niedrig sind, wenn sich jeder x-Beliebige da einhacken kann.

24.November.2006
Katastrophe! Der Preis für den Grundpfeiler meiner Ernährung ist von 39 Cent auf 45 Cent gestiegen. Dabei war in Whiskas alles drin, was ich für eine gesunde Diät brauche. Besonders die Sorten Thunfisch und Hühnchenstücke waren extrem lecker. Ich muss weg aus diesem Land!

3.Dezember.2006
Ein freundlicher Ex-Kollege hat sich bereit erklärt, mich auf die Maschine nach Kalkutta zu schmuggeln. Zwar in einer Hundebox, aber ich kann mir momentan beim besten Willen kein Ticket leisten. Ich habe alles außer meinem Laptop verkauft und meine Bankroll ist durch einen vorübergehenden Antilauf auf $82,57 geschrumpft. In Indien ist alles billiger und dort wird sich Alles zum Guten wenden. Das spüre ich, denn ich habe durch meine Pokerkarriere einen sicheren Instinkt entwickelt.

12.Februar.2007
Genau ein Jahr, seit ich mit Poker in Berührung gekommen bin. Die Menschen in den Slums von Kalkutta sind sehr freundlich zu mir. Sie halten mich für eine Art seltsamen Guru. Den Laptop kann ich bei der christlichen Mission anschließen. Die haben sogar Wlan. Super! Eine Mahlzeit täglich gibt’s noch obendrauf.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich mal in einem Freeroll cashe und dann geht’s wieder bergauf.

3.März.2007
Ich habe einen neuen Freund. Ich habe ihn gestern vor der Mission kennengelernt. Dr.Bhupindar Singh interessiert sich brennend für meine Online Poker Karriere. Er meint, nur schade, dass ich keine anständige Bankroll habe. So ein Talent wie ich.

5.März.2007
Bhupindar hat mir einen interessanten Vorschlag gemacht. Er könnte eine Transplantation für mich organisieren, bei der ich eine Niere verkaufen kann. Für $20.000. Klingt verlockend. Er sagt, die verbleibende Niere ist mehr als genug. Morgen gehe ich in seine Praxis für einen Bluttest.

6.März.2007

Schöne Praxis. Alles sehr sauber. Bhupindar sagt, ich hätte eine sehr seltene Blutgruppe, er hätte schon einen Käufer, der sogar $25.000 bezahlen würde. Gemacht! Morgen ist die OP.


Hier endet der Blog von Hubertus Schweineschwartler. Wahrscheinlich war ihm das Bloggen zu mühsam geworden und er verbringt lieber mehr Zeit am Pokertisch. Bringt wohl auch mehr. Wünschen wir ihm von dieser Stelle weiterhin alles Gute.

Hoffentlich ist nun auch den geistig schwerfälligen unter Ihnen der Unterschied zwischen einem BLOG und einem ARTIKEL klar geworden. Ich gebe hier mitnichten regelmäßige Einblicke in mein tägliches Leben. Die müssen Sie schon bei einem persönlichen Gespräch mit mir gewinnen. Natürlich nur, wenn Sie selber auch etwas Interessantes zu erzählen haben. Denn wie sagte H. Lecter so schön „Quid pro Quo“.

Phillip Marmorstein


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