Kolumnen

Die Wahrheit – Ladykiller-Killerlady

Hier beginnt das deutlich stärkere Aggressionsverhalten der Jungen, sich bemerkbar zu machen und die Interessen beginnen auseinander zu driften. Hatte der 4-jährige überhaupt kein Problem mit Puppen zu spielen, ist es für den 8-jährigen schon völlig undenkbar geworden: „Das ist nur für Mädchen!“ Umgekehrt verlieren Mädchen den Bezug zu typischen Jungenaktivitäten wie Fliegen quälen oder Laubfroschsägearbeiten. Hierfür sind genetisch bedingte Veranlagungen verantwortlich. In Urzeiten, als wir noch Jäger und Sammler waren, hatte der Mann die Aufgabe Wild zu erlegen und Feinde abzuwehren, während die Frau Beeren und Wurzeln sammelte und sich um den Aufzug der Kinder kümmerte.

Diese Archetypen versuchte man im Laufe der Jahrtausende zu nivellieren. Da die Frau dennoch physisch schwächer ist, blieb das abendländische Ideal des ritterlichen Beschützers trotzdem lange Zeit bestehen. Erst mit Beginn der Industrialisierung konnte rohe Manneskraft durch den Einsatz von Maschinen ersetzt werden, was letztendlich zu einer Neubewertung der Geschlechterrollen führte. Das Entstehen der Suffragetten, als erste emanzipatorischer Organisation, Anfang des 20. Jahrhunderts ist vor diesem Hintergrund zu sehen. Das allgemeine Wahlrecht für Frauen war zu Recht nur die erste Gleichstellung von vielen, die im Lauf der letzten 100 Jahre folgen sollten.

In der heutigen hochtechnisierten Gesellschaft gibt es fast keine Aufgabe, die Frauen nicht mindestens genauso gut wie Männer lösen können. Computer und Roboter verrichten geschlechtslos und ermüdungsfrei Arbeiten, die man früher als männerspezifisch angesehen hätte.

Im Gegensatz dazu steht die einzigartige Fähigkeit der Frau, neues Leben hervorzubringen. So sollten die weltweit gut gefüllten Samenbanken uns Männern Grund zur Sorge machen, denn wir erscheinen durchaus ersetzbar. Ich jedenfalls fürchte mich vor dem Tag, an dem der Mann endgültig ausgedient hat, nämlich dann, wenn jemand einen Vibrator erfindet, mit dem man auch Gurkengläser öffnen kann.

In der Zwischenzeit versuche ich, so gut es geht, mich und meine humanistische Erziehung einer sich rasch verändernden Umwelt anzupassen. Schwer genug, denn einmal als richtig erkannte Prinzipien ändert man nur ungern.

Als ich gerade im ersten meiner eineinhalb absolvierten Semester BWL war, kam mein Vater mit einem überraschenden Angebot auf mich zu. Ob ich nicht Lust hätte, die Tochter eines bekannten Sektproduzenten zu heiraten (die Konfession muss ich wohl nicht spezifizieren). Die junge Dame wäre ein Einzelkind und schon die Mitgift sei astronomisch. Mit anderen Worten: Ich hätte ausgesorgt!

Der in mir aufkommende Gewissenskonflikt währte nur kurz. Obwohl die Aussicht auf Reichtum und Luxusleben verlockend schien und, da ich die Dame ja noch nie gesehen hatte, Liebe auf den ersten Blick zumindest theoretisch möglich gewesen wäre, musste ich rundweg ablehnen. Denn für den Kavalier gilt: MAN NIMMT KEIN GELD VON FRAUEN!

Aus dem gleichen moralischen Beweggrund blieben mir außer Schwiegersohn auch andere schwielenfreie Berufswege wie Zuhälter oder Bordellbesitzer verwehrt. Da werde ich doch lieber Berufsspieler!

Doch die Irrungen des Lebens zwangen mich, meine Position zu relativieren. Denn wie soll ich mich verhalten, wenn ich plötzlich Damen gegenübersitze, die mir mein sauer gewonnenes Geld abnehmen wollen?

Schon zu Backgammonzeiten tauchte die eine oder andere geldhungrige Amazone auf. So war z.B. die Gewinnerin der Weltmeisterschaft 1981, Lee Genud, definitiv ein Wolf im Schafspelz. Bei unserer ersten Begegnung, 1983 auf einem Turnier in Bad-Gastein, lud sie mich freundlich lächelnd auf ein paar Partien ein. Nach einigen Stunden und dem Verlust einiger Tausender brach ich die Partie mit der überlegenen Gegnerin ab, um meine Wunden zu lecken und mein Weltbild neu zu ordnen. Die Schieflage war offensichtlich, denn Ritterlichkeit war hier nicht angebracht.

Die Damen, die sich heute in die Pokerszene tummeln, sind ihren männlichen Mitspielern in keinster Weise unterlegen. Sie wollen auch nicht anders behandelt werden, was ja im Licht der Grundidee jedes fairen sportlichen Wettstreits betrachtet, selbstverständlich ist. Da jedoch beim Pokern alle legitimen Mittel erlaubt sind, erstaunt es nicht, wenn zusätzlich der geschickte Einsatz körperlicher Reize ausgenützt wird, um bei denen, die dafür anfällig sind, Fehlentscheidungen zu provozieren. Wenn Sie eine grenzwertige Entscheidung zu treffen haben, wären Sie nicht auch versucht, gegenüber dem lieblichen Geschöpf Gnade walten zu lassen? Falsch! Denn die Damen kennen auch keine Gnade. Manche haben sogar einen Poker Nickname, der entsprechende Rückschlüsse zulässt. Bad Girl, No Mercy, Lady Horror oder Siren, um nur einige zu nennen.

Wer jemals in einem Turnier mit Weltklassespielerinnen wie Annie Duke, Lucy Rokach oder Kathy Liebert an einem Tisch gesessen hat, wird ein anderes Problem nachvollziehen können: Ich habe oft genug Schwierigkeiten, den Gedankengängen von Frauen in Alltagssituationen zu folgen, was erst, wenn sie mich absichtlich in die Irre führen wollen?

Der beste Rat, den ich Ihnen geben kann, ist also, im Spiel gegen Damen jegliche ritterliche oder chauvinistische Regung zu unterdrücken und so hart zu spielen, wie gegen jeden anderen Gegner.

Und so sieht heutzutage mein Weltbild aus: Ich nehme Geld von Frauen!
Allerdings nur am Spieltisch und leider ist es schwer genug, da dranzukommen.

Phillip Marmorstein


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