Kolumnen

Die Wahrheit – Spieglein, Spieglein

So, das Thema meiner heutigen Ausführung ist die ewige Spiegelfrage des Pokerns, wer denn nun der beste Spieler unseres Planeten ist. Diejenigen, die glauben, dass sie ja selber derjenige sind und deren extraterrestrisch gutes Spiel ihnen nur auf Grund widerlichster Pechsträhnen noch nicht die internationale Anerkennung beschert hat, die ihnen eigentlich zustände, haben zumindest schon mal meine uneingeschränkte Bewunderung. Denn wie gelingt es Ihnen, meinen Artikel zu lesen, wenn Sie, aus offensichtlicher Selbstverliebtheit, den Kopf bis zu den Schultern im eigenen Arsch stecken haben?

In den meisten anderen Sportarten ist die Frage nach dem Besten relativ schnell beantwortet. Hier helfen Weltrangliste und/oder Weltcup zumindest den Jahresbesten herauszufiltern. Weltmeisterschaften sind, und hier herrscht Analogie zum Pokern, weniger zuverlässig, da ein Einzelbewerb zuwenig aussagekräftig ist (Denken Sie hier an einen Abfahrts-Skiläufer, der im Weltcup jede Woche die Konkurrenz deklassiert, aber im Weltmeisterschaftsrennen stürzt).

Athleten, die Jahr für Jahr die Ranglisten anführen, beweisen dergestalt ihre überragende Klasse und erlangen Kultstatus wie Tiger Woods oder Roger Federer.

In Disziplinen, die ihre Preisgelder durch Verbände, Sponsoren oder Medien finanzieren, ist das alles transparent und einfach : Mein Verband zahlt die Startgelder, ich hau alle in die Pfanne, dann kommt Nike mit einem Millionendeal, der an Obszönität grenzt (Refinanzierung durch Lohneinsparungen bei asiatischen Kinderarbeitssklaven gesichert), danach bewerbe ich zum Abschmecken noch Videokameras, Frühstückscerealien, Shampoo und Abführmittel – die Welt ist schön.

Wie sieht’s denn aber in anderen, weniger populären Sportarten aus? Was hat man davon, weltbester Langstreckensackhüpfer zu sein? Sponsorenvertrag von einem Jutehersteller? Wohl kaum! Da muss man sich selber um Verdienstmöglichkeiten bemühen!

Genauso sah es noch bis vor kurzem beim Pokern aus. Außer Papa kein Sponsor weit und breit. Wer richtig Geld verdienen wollte, musste Cashgame spielen. Denn wenn das Durchschnittsturnier einen Preispool von unter € 20.000 generiert, wie soll dann die Turnierstatistik aussehen, die seinen Mann nach Abzug aller Reisespesen ernährt? Schauen Sie sich ruhig mal die Ergebnisstatistiken von Spielern an, die vor 2003 dem Turniercircuit gefolgt sind. „Garry – The Whacke r- Bush“ war 2.er der European Player of the Year Rankings 2001und gewann sie dann in 2002 mit einer Gesamtgewinnsumme von ca. $130.000 (35 Mal ITM).
!! WOW !! Was da wohl übrig blieb?

In Europa ging fast gar nichts und auch in den USA waren die Majors dünn gesät. Erst der Online-Boom hat ab 2003 die Turnierszene richtig aufgewirbelt. Denn Turnierergebnisse lassen sich besser nachhalten als Resultate von Cashgames, die wer weiß nicht wo stattfinden. Und um ihr Produkt mit einem gesponserten Spieler zu bewerben, braucht man ein messbares, vergleichsfähiges Bewertungssystem. Die folgende Preisgeldexplosion konnte niemand vorausahnen und so ist es mittlerweile eine immer schwierigere Aufgabe, den besten Pokerspieler zu lokalisieren. Bis 2005 hätte ich ohne Nachdenken nur an Cashgametischen gesucht.

Denn lassen Sie uns einmal definieren, wann man denn der beste Pokerspieler der Welt ist.

Da die Maßeinheit beim Pokern Geld ist, wäre es nahe liegend, dass der beste Spieler derjenige ist, der am meisten anschafft. Nur ganz so einfach ist es nicht. Denn die Ergebnisse der Cashgames werden nur bruchstückhaft bekannt. Speziell in den USA wären diejenigen, die ihre Gewinne nicht vor der IRS verschleiern in Gefahr von Freunden und Verwandten entmündigt und in die Klapsmühle eingeliefert zu werden. Außerdem ist vielleicht der beste Cashgame Gewinner aller Zeiten irgendein ahnungsloser schlechtspielender Beduinenfürst, der mit einem noch ahnungsloseren Kollegen Limit Hold’em mit der Struktur 1 Ölquelle – 2 Ölquellen spielt und momentan 247 Quellen im Gesamtwert von $4 Milliarden vorne liegt.

Eine weitere Eingrenzung ist die Versatilität. Niemand wird behaupten, dass der beste Tennisspieler derjenige mit dem härtesten Aufschlag ist oder der Führende der Torwandschießen – Rangliste im ARD Sportstudio der beste Fußballer aller Zeiten.

Wessen Fähigkeiten einzig im Spielen von No Limit Hold’em Turnieren liegt, kann also nicht Sieger im Wettbewerb um den besten Pokerspieler der Welt werden. Man muss sich schon in allen Disziplinen bewiesen haben. Hier fällt mein Blick zwangsläufig auf die großen Limit Partien, die in den USA gespielt werden.

2004 wurde ich in Vegas freudig von Steve Zolotow begrüßt. Ich sei im inoffiziellen „Phil“ Ranking auf Platz 2 der Cashspieler und auf Platz 4 der Turnierspieler. Eine Gruppe von Pros hätte dieses nämlich gerade letzte Woche aufgestellt (wahrscheinlich nach Zusichnahme alkoholischer Getränke). Obwohl die Wahrscheinlichkeit relativ groß ist, dass dieses Ranking aufgestellt wurde, um Phil Hellmuth zu ärgern, da seine Schwäche im Cashgame legendär ist, war ich trotzdem geschmeichelt.

PHIL – Cashrangliste

1 PHIL IVEY
2 PHIL MARMORSTEIN
3 PHIL LAAK
4 PHIL GORDON
5 PHIL HELLMUTH

PHIL – Turnierrangliste

1 PHIL IVEY
2 PHIL HELLMUTH
3 PHIL GORDON
4 PHIL MARMORSTEIN
5 PHIL LAAK

1,2,3 im Sauseschritt
eilt die Zeit, wir eilen mit            W.Busch

In diesem Sinne möchte hier, im Jahre 2008 durchaus angebracht, die inoffizielle PHIL-Onlinerangliste anfügen.

1 PHIL IVEY
2 PHIL LAAK
3 PHIL GORDON
4 PHIL HELLMUTH
99994 PHIL ISTER
99995 PHIL OSOPH
99996 PHIL ANTROP
99997 PHIL MRISS
99998 PHIL ZLAUS
99999 PHIL ODENDRON
100000 PHIL MARMORSTEIN

Die Suche nach dem Weltbesten muss heutzutage natürlich auch Online Performance mit einschließen. Hier gibt es mittlerweile einige Webseiten die Online Resultate, insbesondere im Highlimit Bereich, beobachten. Da aber Spieler ihren Nickname immer wieder mal wechseln bzw. man nicht alle ihre Nicks auf allen Pokerseiten weiß, gibt es hier eine gewisse Unschärfe.

So, dann haben wir wohl alle Komponenten zusammen, um den Favoritenkreis einzuschränken:

1. Beständige Turnierresultate
2. Konstanter Gewinner in allen Cashgamevarianten
3. Online Gewinner

Meine Auswahl der momentan 3 weltbesten Pokerspieler ist logischerweise subjektiv und stark von den Eindrücken beeinflusst, die ich selbst an den Tischen von ihnen gewonnen habe. Ich will hier nicht tiefer auf diese Treppchenorder eingehen, das würde schlicht zu lange dauern.

1. PHIL IVEY
2. PATRIK ANTONIUS
3. BARRY GREENSTEIN

Normalerweise rate ich Ihnen immer, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Hier ist der umgekehrte Fall eingetreten. Das Wissen, wer an der Weltspitze steht, ist für Sie im täglichen Spiel eher hinderlich. Sinnvoll ist nur, diesen Meistern bei Gelegenheit über die Schulter zu schauen oder sie auf DVD zu studieren.
Phillip Marmorstein


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