Kolumnen

Vegas – nachgekartet

Von langjährigen guten Freunden (ich meine hier nicht meine Friends als Friend of Full Tilt Poker, sondern einfach Freunde im klassischen Sinne) wurde ich per finanziertem Buyin mit einem Angebot, das man nicht ablehnen kann, überredet, dieses Jahr mit zu spielen. So brach ich also kurzfristig mit meiner Überzeugung hinsichtlich der Schwierigkeit, live MTTs zu schlagen, ehe man verstirbt. PlusEV und Edge in allen Ehren, die Varianz zu schlagen ist innerhalb unseres bisschen Menschenlebens gar nicht mal so wahrscheinlich. Im Detail habe ich hierüber in diesem Artikel schon einmal philosophiert. Darum heute kurz und knapp: Ich spielte dieses Jahr das MTT der MTTs selbst mit. Hier mein Werdegang.

Natürlich fühlt man sich besonders in der Pflicht, wenn einem so großes Vertrauen entgegengebracht wird. $10k sind schließlich kein Pappenstiel – gerade bei 90% unplatzierten Bustos im Feld nicht. Mir kam es deswegen von vorne herein darauf an, gut vorbereitet und auf den Punkt fit zu sein. Ich spielte im Vorfeld mehr und absichtlich länger am Stück als sonst, trieb Sport, reiste rechtzeitig an und wählte meinen Starttag, sogar mein Outfit bewusst. Dann ging’s los. Grau ist alle Theorie.

Ein voller Bericht sprengt natürlich den Rahmen hier, doch im neuen Royal Flush Magazin werde ich meine Keyhands näher zerpflücken. Nicht immer bin ich 100% zufrieden mit meinen Entscheidungen. Doch so ist das eben im Pokersport. Man hat sich stets fort zu entwickeln, um auch morgen den Markt schlagen zu können. Das ist auch gut – ja notwendig – so.

Für meinen kurzen Bericht jetzt und hier möchte ich anmerken, dass mein Tag 1 eine klare Zweiteilung aufwies. Die Zeit mit dem Spinner zu meiner Rechten und die danach.

Im Teil 1 ging jeder Pot über ihn,
– der es fertig brachte, nach 2 Händen knapp 20k seines 30k Startstacks verblasen zu haben,
– der seinen Reststack immer wieder at Risk stellte und glücklicherweise mehrfach per Suckout zurück ins Spiel fand,
– der Livestraddles, Blindbets und Blind-min-raises spielte als wäre das Mainevent ein Geburtstagsfreeroll unter Freunden,
– der manchem am Tisch erklärte, dass er wohl als erster gehen müsse (natürlich von seiner Hand eliminiert),
– der eine Zeitstrafe für ungebührliches Verhalten kassierte,
– der letztlich – und wen sollte es wundern – mangels Jetons selbst als erster den Tisch verließ.

Leider verlor er seine Jetons gegen einen wirklich guten Spieler unmittelbar zu meiner Linken, was meine Situation verschlechterte. Ich war selbst kurz, hatte einen gut performenden und gut bestückten Spieler im Nacken.

Warum war ich eigentlich kurz? Ich hatte meinen halben Stack gegen Maja Geller verprasst. Und zwar so: Etwa einmal pro Orbit isolierte ich den Maniac per 3-Bet und spielte meine meist bessere Hand in Position bei (das darf ich – glaube ich – ohne anzugeben behaupten) besserem Postflopspiel. So baute ich langsam Jetons auf. Als ich dies ein weiteres Mal getan hatte (ich ging nach einem 600er Opening auf 2.600), pushte Maja mit ihrem erst kürzlich halbierte Stack All In. Ich musste gut 13k nachbezahlen, hatte danach gut 16k left und tat dies nicht einmal widerwillig. Schließlich hielt ich gerade jetzt Kings. Leider hielt Maja AA und gewann. Ich war sicher am oberen Ende meiner in diesem Spot weiten 3-Bet Range. Leider war sie am oberen Ende einer jeden Range.

Letztlich kämpfte ich mich in den späten Leveln des ersten Tages mehrheitlich über ungecallte 3-Bets zurück auf 26k und schloss den Tag bedingt zufrieden ab.

An Tag 2 ging es dann recht schnell. Bereits im ersten Level des Tages war ich bereit, alles zu setzen; letztlich alles zu verlieren. Ich war der einzige am Tisch der preflop 3-Bets spielte, hatte Erfolg damit und meinte, dass dies vor allem dem Chipleader etwas gegen den Strich ging. Eben hatte ich es wieder getan, als in der neuen Hand ein looser Spieler in early Position eröffnete und der Chipleader mal wieder callte. Ich dachte bei mir:“Hier folde ich fast sicher. Ich muss etwas runter vom Gas.“ Doch der Value von TT in meiner Hand am Button, passte mir ins Konzept. Ich war sicher die beste Hand in Position spielen zu dürfen und re-raiste auf 4k. Der Opener foldete, der Chipleader zahlte 3k nach.

Als der Flop J75 rainbow fällt, habe ich etwa 2x Pot und spiele nach seinem Check eine Conti von ca. 60% Pot. Er pusht mich All In und ich bezahle sein Set 77-7 aus. Wieder laufe ich gegen das obere Ende einer Range, kann also leider nicht beweisen, wie weit diese tatsächlich nach unten ging. Letztlich denke ich in diesem Spot oft gut zu sein, aber sicherlich gibt es auch Alternativen zu meiner Postflopline. Doch nun ist es zu spät. Es handelt sich einfach um eine Hand in einem Turnier, die ich zu entscheiden hatte. Ich weiß, was ich wollte, nämlich preflop for Value setzen und postflop einen Bluff induzieren. Beides ist schon oft geglückt, so nicht dieses Mal.

Beim Main Event

Mein Turnier war damit beendet. Ich möchte noch kurz auf mein Outfit eingehen. In „It’s all about Image“ hatte ich euch ja gefragt, wie meine beiden alternativen Outfits wirken. Ich hatte geplant, am ersten Tag, meinen schon oft breitgetretenen tight aggressiven Turnierstart über lockere Kleidung noch lukrativer zu machen. So trug ich das Sporttrikot, konnte daraus aber leider keinen Profit schlagen.

Nie – wirklich kein einziges Mal – konnte ich an diesem Tag klassisch for Value setzen. Im Gegenteil: Mein Sitz zu Beginn hinter dem Maniac und auch meine Existenz als Shorty vor dem neuen Chipleader zwangen mich zu pokertechnischen Moves, die letztlich immer auf erhoffte Folds beim Gegner hinausliefen. Da wäre mir mein Anzug lieber gewesen. Aber sei es darum, geklappt hat es auch so.

An Tag 2 dann trug ich den Anzug, legte es generell auch bewusst (wegen der angestiegenen Blinds und meinem geschrumpften Stack, also dem insgesamt gestiegenen Druck) auf Foldequity an. Doch im entscheidenden Spiel war die Intention eben Bluffinduce – also eine Variante aus der for Value Schiene. Am Pokertisch lässt sich eben nicht so leicht generalisieren. Das Turnier wollte mir einfach nicht gut laufen: Ich habe leider nie richtig hineingefunden, wohl aber hinaus.

Trotzdem danke für euer konstruktives Feedback bzgl. der Outfitwahl. Gerade der „Image-Bluff“, ein Begriff den „Icke“ in einem Comment geprägt hat, war mein Ziel auf dem Nebenschauplatz „Image“ der großen Bühne Poker.

Zahler zocken – Könner kalkulieren
Stephan M. Kalhamer
the-gambling-institute.de


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