Kolumnen

5 Jahre Pokerfirma: „PROFIPOKERSPIELERIN – GUTES DATINGMATERIAL?“ (2011)

Hübsch und Pokerspielerin ist in der Single-Welt ein größeres Hindernis, als so mancher Mann dies glauben mag. Jamila von Perger und  Natalie Hof können ein Lied davon singen. Sind deshalb beide mit Pokerspielern liiert?
Im Pokerfirma-Magazin „Sex“ 12/2011 begab sich Corina Strauss* als vermeintliche Poker-Professionistin in die Single-Welt und kam ernüchtert wieder heraus.

PROFIPOKERSPIELERIN – GUTES DATINGMATERIAL?
Von  Corina Strauss (2011)

1111beachEs ist ja gemeinhin bekannt, dass die Angabe des Berufs eine ausschlaggebende Information beim Flirten ist. Und dass männliche Pokerprofis schnell zu Frauenmagneten werden, wissen wir auch. Einen Körper wie Hugh Jackman, das Lächeln von George Clooney, die Aura von Javier Bardem und den Coole-Sau-Stil eines Johnny Depp – nichts davon haben die meisten Pokerspieler und dennoch kann man auf jeder Players Party, bei jedem internationalen Turnier und bei jeder High-Roller-Runde beobachten, wie sich schöne Frauen um blasse, dünnarmige Hoodyträger scharen. Wie sieht es also umgekehrt aus, ziehen Profipokerspielerinnen die Männer ebenso an? In anderen Bereichen ist das ja eher schwierig, Profifußballer = hot, Profifußballerin = eher not. Männer könnten so gesehen einfach tief in sich hineinhorchen und die Frage selbst beantworten. Aber mit guter Recherche hätte dies erstens wenig zu tun, und zweitens, wo bliebe da der Spaß?

Ich soll also in die Rolle eines weiblichen Pokerprofis schlüpfen und Männer treffen. Die Aufgabe heißt zum Glück Flirten und nicht Pokern. Flirten kann ich, pokern… könnte ich gerne besser. Das muss für die Rolle reichen. Ich melde mich also für´s Speeddating an. Effizienz ist gefragt, ich muss in kurzer Zeit, möglichst viele Männer testen. Und das beste beim Speeddating ist, dass der Timer einem das Abschütteln erspart. Anstelle von „du ich muss dann mal weiter“ gibt’s einfach ein „Ping“ und Tschüß – sehr angenehm. Ein bißchen nervös bin ich schon, ich war noch nie beim Speeddating, und mein letztes Date ist schon verdammt lange her.

Ich betrete also eine spanisch-mexikanische-was-auch-immer-Cocktailbar in Berlin-Kreuzberg. Von der Kellnerin werde ich mit den Worten „dieser komische Speedating-Kram läuft da drüben“ in die hinterste Ecke des Ladens geführt. Die Ecke ist mit angenagten Pappwänden verhängt, offenbar schämt man sich der suchenden Singles wegen und will auf keinen Fall, dass sich die „normalen“ Gäste durch deren Brunftverhalten gestört fühlen. Die Mädels sitzen aufgereiht an Einzeltischen, denen jeweils ein Singlemann zugeteilt wird, Cocktails zum halben Preis, 7 Minuten pro Mann – machbar, und los geht´s. Mir gegenüber sitzt Frank. Frank ist extrem verkrampft und hat Mühe seinen auswendig gelernten Text vorzutragen: „Ich wohne in Reinickendorf, bin 33 Jahre alt, koche gerne, gerne auch für mehrere Leute, bin gerne an der frischen Luft, gehe gerne spazieren, mache gerne Sport, spiele gerne Badminton, ….“ Ich habe mich GERNE schon ausgeklinkt und frage mich, wann ich denn endlich mal dran bin. Will der sich bewerben oder fragt er irgendwann auch mal nach, was ich so mache? Nein, tut er nicht, also unterbreche ich ihn, sonst wird das hier nichts mit dem Test: „Ach Badminton spiele ich auch GERNE (man merke auf, ich passe mich an, um eine Verbindung zu schaffen), schließlich brauche ich einen Ausgleich, da ich im Job so viel sitze.“ Super Vorlage denke ich, aber er ist nur kurz irritiert: „Äh, ja und Fahrrad fahr ich gerne, außerdem lese ich gerne und …“ Oh Mann, ich grätsche dazwischen: „Das klingt ja super. Ich bin übrigens Pokerspielerin. Mittlerweile sogar beruflich.“ Sehr ungalant, ich weiss, aber ich scheine hier einfach nicht Thema zu sein. Er schaut mich fast ungehalten an, ich scheine ihn komplett aus dem Konzept zu bringen: „Was? Poker? Ähm, echt? Aber wie soll das gehen, beruflich?“ Ich gebe meine Kurzfassung des Lebens einer Profipokerspielerin zum Besten und sein tomatenrotes Gesicht wechselt sprunghaft auf Aubergine: „Ich habe nur einen Bürojob im Call Center.“ Er schlägt die Augen nieder, oh Gott, ich habe ihn entmannt. Es folgt eine lange unangenehme Schweigepause. Er hält seinen Blick gesenkt und setzt die Litanei mit heißerer Stimme fort „ja und äh ich habe einen Hund, mache gerne Spieleabende, verreise gerne, blabla gerne und gerne auch blaaa….“ Ich sitze es aus und hake diesen hier ab.

Erstes Zwischenfazit: die Berufsangabe Profipokerspielerin löst extreme Irritation aus. Ich weiß nur nicht genau, ob es an der Information an sich lag oder am eher forschen Unterbrechen seines Monologs.

Klingeling – endlich, der Nächste. Es folgt Uwe, Neuberliner aus München, Software-Dingsbums und sehr stolz darauf, denn er darf zehn Mitarbeiter befehligen wie er gleich zum Einstieg betont. Nun will dieser Typ Chef gleich wissen, was das blonde Mäuschen vor ihm beruflich macht und fällt fast vom Stuhl als ich ihm erkläre wie mein Arbeitstag angeblich so aussieht. Plötzlich nimmt er eine andere Körperhaltung an und geht aus der Chefpose in die Hündchenstellung, beide Hände liegen nebeneinander auf dem Tisch, er leicht geduckt, blickt mich von unten an, während ich mich aufrichte, nach hinten lehne und die Schultern breit mache. Er macht noch einen Versuch, seine anfängliche Überlegenheit wieder zu erlangen, schließlich sei Onlinepoker für ihn als Software-Dingens auch ein sehr spannendes Feld. Er schweift ab, kommt auf künstliche Intelligenz zu sprechen und startet Nerd-Talk. Da mein Mann im wahren Leben Action-Spiele entwickelt, ist dies für mich gewohntes Terrain und ich fange seine Versuche superschlau zu wirken relativ leicht ab. Es klingelt und er zieht mit einer Mischung aus „Wow“ und „Shit“ einen Tisch weiter.

Beim nächsten übernehme ich die Führung, ich muss die Sprache mehr aufs Pokern lenken. Es funktioniert, vor mir sitzt ein Typ, der sich vor Freude fasst einnässt. Poker ist sein Thema, er spielt mit Freunden und manchmal auch online . Er will wissen, ob ich schon in Vegas war und ob ich Pius Heinz persönlich kenne. Mein angeblicher Beruf scheint der perfekte Türöffner für (un)gezwungenen Small Talk zu sein. Er stellt mir tausend Fragen und notiert auf seinem Bewertungsbogen neben meinem Namen nur ein Wort: Poker (Ausrufezeichen!). Das haben übrigens alle gemacht. Da die Tische sehr klein waren, konnte ich meinem Gegenüber jedesmal genau auf den Zettel schauen. Manche, schrieben noch das Alter auf, aber sonst stand bei mir immer nur eins, Poker mit Ausrufezeichen. Ich weiss nicht genau, was ich davon halten soll. Stünde ohne meine ausgedachte Story dort gar nichts? Bin ich nur interessant, weil ich mich als Pokerspielerin ausgebe? Bin fast ein wenig beleidigt. Es folgt das pure Grauen. Der Typ stellt sich mit dem Nicknamen Peter Lustig vor, kann mein Augenrollen kaum zurückhalten – hypernervös, verschieden zuckende Tics im Gesicht und das Allerübelste ist, dicker weißer Speichelschaum in den Mundwinkeln. Ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren, obwohl er versucht, das Psychogramm einer Pokerspielerin zu erstellen – bislang eigentlich die interessanteste Reaktion. Während er meint, dass es doch schwierig sei jemanden wie mich zu daten, da ich als Spielerin bestimmt sehr gut lügen könne und er jetzt gar nicht wisse, wie er mich einschätzensolle, schreit mein Hirn im Inneren nur laut: Sprechkäse! Sprechkäse! Am Ende notiert auch er „Poker!“ auf seinem Zettel und sieht mich beim Weiterrutschen mit einem Blick an, als hätte ich ihm soeben womöglich die Brieftasche geklaut. Ich wette, er hat beim Aufstehen unterm Tisch heimlich seine Hosentasche gecheckt.

Es kommt David. David eröffnet mit den Worten „ich bin sehr kreativ“ und will damit ausdrücken „ich bin ein absoluter Loser.“ David hält nicht viel von sich selbst und ist von mir, der Profipokerspielerin komplett eingeschüchtert. Um es anders auszudrücken: insta-fold.

Er scheint keinerlei Chancen für sich zu sehen und appeliert von nun an nur noch an mein Mitleid. Er erzählt mir, dass er seit über sechs Jahren alleine sei (er sagt alleine, nicht Single), praktisch seit seiner Ausbildung arbeitslos und aus seinem letzten Job sei er auch nach kurzer Zeit geflogen, da er es einfach nicht gepackt habe. Und überhaupt, sei er einfach in nichts wirklich gut, nicht mal im Kreativsein, was er anfangs noch als USP (unique selling proposition. das Alleinstellungsmerkmal) herausstellen wollte. Er macht sich selbst so klein und schaut mich an, als sei er ein Unberührbarer und dürfe mir eigentlich nicht gegenüber sitzen. Ach du meine Güte. Ich fühle ich mich gezwungen auf ihn zuzugehen und behaupte, ich habe mein Studium abgebrochen und sei zum Spielen gekommen, weil es das einzige sei, in dem ich gut sei. Oweia, wie abgedroschen und es hilft ihm auch kein Stück, zum Glück klingelt es in diesem Moment.

Der nächste nennt sich Sparrow. Tatsächlich ähnelt sein Körperbau wirklich einem Spatz, er ist ganz klein und dünn und hüpft nervös von einem auf das andere Beinchen. Was wohl passieren würde, wenn jetzt ich meinen Müsli-Riegel aus meiner Handtasche ziehen und auf den Boden krümeln würde? Sparrow verreist leidenschaftlich gerne. Bislang kam er noch nicht viel rum – der Spatz ist kein Zugvogel – aber er hat große Pläne. Er hatte sich wohl vorgenommen, die Frauen an diesem Abend mit dem Aufzählen exotischer Länder zu verzaubern. Vielleicht hoffte er, dass sich das Weibchen gleich in seiner Phantasie eine Zukunft mit ihm auf allen sieben Weltmeeren ausmalt. Als wir auf den Beruf zu sprechen kommen dreht sich der Spieß wieder um. Er ist nun derjenige, der verzaubert ist. Ich will gar nicht wissen, was genau sich das Spatzenhirn ausmalt, aber er betont ungefähr dreizehn Mal in fast bettelndem Ton, dass wir uns unbedingt wieder sehen müssen, damit ich ihm mehr vom Pokern erzählen kann. Er will seinen Platz an meinem Tisch nicht mehr aufgeben und spricht selbst vom Nachbartisch aus noch zu mir. Die Glocke klingelt aber schon zum zweiten Mal, flieg Vögelchen, flieg!

Im Grunde läuft der Rest des Abends nach dem gleichem Schema ab. Der Mann hat sich eine Strategie zurecht gelegt, ein paar Infos mit denen er punkten will und hat sich vorgenommen, diese mehr oder weniger selbstsicher zu transportieren. Es ist wie im Tierreich, das Männchen will beeindrucken. Dann komme ich und passe als vermeintliche Profipokerspielerin so gar nicht in den Plan. Plötzlich sind die Männer diejenigen, die beeindruckt sind. Manche scheinen das zu mögen aber als anpassungsfähig was die vorher erdachte Flirtstrategie angeht, erweist sich keiner. Es ist, als würde ich dem Pfau zeigen, dass mein Rad doch sowieso viel größer sei und er seines gar nicht mehr schlagen brauche. Zunächst immer das Gleiche: „Wie bitte? Du machst was?“ Das Wort Pokerspielerin scheinen Männer aus einem Frauenmund nicht wahrnehmen zu können. Nachfragequote 100%. Danach gibt es im Grunde zwei Reaktionen.

Entweder leuchtende Augen, offener Mund und ein langezogenes „geil!“ oder völliges Einknicken. Manche wollen gar nicht mehr den Tisch wechseln bis sie von der Speeddating-Hostess einen Platzverweis erhalten. Andere verlieren ihre vorher eingeübte Selbstsicherheit und fallen aus der Rolle, so entschuldigt sich der Zahnarzt plötzlich für seinen langweiligen Beruf, ein anderer fragt doch wirklich nach meinem Kontostand. Fazit des Abends. Eine weibliche Profipokerspielerin wirkt definitiv sexy! Aber auf die meisten auch extrem einschüchternd. Und ein Mann ist doch gerne der Held, der dem schwachen Weibchen das Marmeladenglas öffnet. Der Mann will die Welt erst erobern und sie uns anschließend erklären.

Eine Frau, die sich mit anderen Männern die Nächte am Pokertisch um die Ohren schlägt, ist eine scharfe Phantasie. Aber eine, an die man sich fast nicht rantraut. Da muss schon ein echtes Alphatier her..

*Corina Ullmann war jahrelang im Management eines Pokeranbieters beschäftigt, ist seit zwei Jahren glücklich verheiratet und hat eine einjährige Tochter.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
5 Comments
Inline Feedbacks
View all comments