Kolumnen

Alles Gewinner oder was?

Hi Pokerfans, nach dem letzten Artikel auf Pokerfirma.de muss ich euch sagen, es sind noch mehr Leute auf mich zugekommen. Und was wollten sie? Richtig geraten, sie wollten Kohle. Hey Jungs spart euch das. Ich werde stark bleiben, es gibt einfach nix mehr bei mir und dabei bleibt es auch.

Nun zu etwas anderem, was mich seit längerem beschäftigt. Es gibt beim Poker natürlich Gewinner und ich spiele jetzt selbst seit fünfzehn Jahren, erst Draw, dann Stud und schließlich Hold‘em. Seit sechs Jahren organisiere ich Events und verfüge deshalb über weit mehr Erfahrung als die meisten anderen. Viele habe ich getroffen und viele habe ich gewinnen sehen. Aber nur wenige ehrliche Verlierer haben sich bei mir geoutet. Wenn man den Leuten so zuhört, dann müsste man glauben, jeder gewinnt bei diesem Spiel. Und zwar wenn ich schreibe jeder, meine ich auch jeder. Lauter Sieger, aber woher kommt dann die Kohle?

Kürzlich ist mir folgendes passiert. Es war in einem Casino im grenznahen Tschechien. Wir sitzen an einem 5/10 Pot Limit Omaha Tisch. Erst waren wir fünf Spieler und die restlichen Plätze waren frei. Dann hat sich ein angeheiterter Gast mit Ostakzent dazu gesetzt und plötzlich waren wir umringt von Internet-Junkies, die totes Geld gerochen hatten und ihren Teil davon habe wollten.
Wie dem auch sein, jedenfalls positionieren sich die Jungs brav am Tisch wie es im Buche steht und greifen ins Spielgeschehen ein. Nach einigen Runden gehen die Diskussionen los, wie, wer, wo wann einen Bad Beat gehabt hat und das Übliche, was man halt gewohnt ist.
Nach kurzer Zeit merke ich, dass die Jungs enorm aggressiv spielen und keinerlei Furcht vor dem Geld haben. Ein wenig Small Talk, man kommt so ins Gespräch und irgendwann frage ich sie natürlich, wo sie sonst spielen. Sie haben bei allen großen Anbietern Accounts erzählen sie und nach fünf Minuten bin ich mitten drinnen in einer Fachdiskussion.

Deniz: “Und wie läuft es denn da so bei euch?”
Junge1: ”Ja sehr gut ich bin schön vorne” sagt der eine und die zwei andren bejahen seine Aussage.
Deniz: ”Aha und wenn ich fragen darf wie weit ist vorne? Oder wie viel ist für dich vorne?”
Junge1: “Ich spiele seit zwei Jahren und habe über € 200.000 gemacht.” Die beiden anderen bestätigen das wieder und erzählen, dass sie auch zirka so eine Bilanz haben.
Deniz: “Wow sage ich. Das heißt, ihr seid in der Gruppe zirka € 600.000 vorne in zwei Jahren.”
“Mindestens!” bestätigt der Wortführer
Dann fragt er mich: “Spielst du auch online?”
“Gelegentlich, früher mal mehr jetzt weniger.” Antworte ich wahrheitsgemäß.
Jetzt schauen mich alle drei fragend an und wieder der Wortführer:
“Und wie läuft es?”
“50k minus in acht Jahren.” sage ich und bleibe wieder bei der Wahrheit. Angefangen habe ich ja seinerzeit 2002 mit $ 30/60 Seven Card Stud.

Ungläubiges Staunen bei den drei Jungs. Verlieren im Netz scheint gar nicht zu gehen und ich lege noch nach: “Ich kann online keinen Blumentopf gewinnen und ich weiß das auch.”

Am Tisch wird gelacht. Und jetzt melden sich auch die anderen nach der Reihe. Jeder der Spieler, die mir den Tisch gestartet haben ist selbstverständlich auch vorne online. Und dann erwacht der betrunkene Russe und bestätigt ausführlich, dass er auch zu den Gewinnern im Netz gehört.

Das kann nicht wahr sein denke ich mir. – Alter, alle gewinnen und ich der einzige Verlierer! Oder bin ich der einzige Ehrliche, der wirklich sagt, was Sache ist. Wir spielten dann weiter Omaha und gegen Ende der Sitzung mussten die Jungs drei bis vier Mal nach Taschendorf zum Nachladen. Die letzte Lage bestand dann aus € 20 Scheinen und vereinzelt blitzte sogar der eine oder andere € 10 Schein hervor.

Sehr sonderbar und irgendwie machte mich das alles schon sehr stutzig. Junge Internet-Junkies, die alle einen Berg von Geld vorne sind und auf ihren Accounts angeblich die Hunderttausender stapeln finden dann nur noch Kleingeld zum Spielen. Am Ende der Partie war dann Zeit, Bilanz zu ziehen. Für die drei Jungs mit den angeblich fetten Online-Gewinnen endete der Abend mit einem Großbrand. Jeder aus dem Trio hatte seine € 2000 Minus. Der eine mehr, der andere weniger. Und ich war definitiv der größte Sieger am Tisch. Aber das Gespräch ließ mir keine Ruhe und ich fing an zu recherchieren. Redete viel mit Live-Spielern und Online-Kollegen. Nun hier die Fakten aus meiner privaten aber ernsthaften Studie.

Viele Live-Spieler, die ich seit Jahren zu große Gewinnern zähle sind – wenn man sie näher befragt – “flach” im Netz. Das heißt, sie gehören in der Online-Jargonsprache zu den Verlieren. Seltsamerweise sehe ich die angeblich immer zu den Online-Gewinnern zählen am Live-Game immer flach und finanziell dünn bestückt. Nach meiner Schätzung und was man mir so gesteckt hat verlieren 92% der Online-Gambler. Vielleicht vier Prozent sind pari oder leicht im Plus. Vier Prozent gewinnen tatsächlich richtig fette Summen. Von dieser Gruppe casht aber wieder nur ein Drittel aus, der Rest wird verschoben oder mit offenen Beträgen in der Community intern verrechnet.
Ob die Zahlen so genau stimmen, weiß ich nicht. Warum sich Menschen selbst belügen müssen, ist mir auch nicht ganz klar. Allerdings zwei Dinge weiß ich ganz sicher. Erstens Live und Online kann man überhaupt nicht vergleichen und zweitens ich gehöre zu den 92% Online-Gambler, die fix hinten sind und den Rest finanziert. Aber solange ich es mir leisten kann auch kein Problem.

In diesem Sinne – Bols Sans
Euer Deniz


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