Kolumnen

Der Kreislauf der Pokerwelt

Die Zahlen beim Online-Poker sind rückläufig, dafür steigt die Dichte der Live-Events. Längst ist der Pokerboom nicht vorüber und dennoch macht es den Anschein, als würde sich die Pokerszene selbst begraben.

Noch mehr Turniere, noch höhere Buy-Ins, noch größere Preispools. Poker ist abhängig von der Wirtschaftslage und eigentlich sollten sich die Pokerveranstalter daran orientieren. Zu groß ist aber die Gier und statt eines ausgeglichenen Kreislaufs vergiftet man die Wurzeln kleinweise und stetig.

Der Anfang vom Untergang ist der Re-Entry. Kaum einer bietet noch ein klassisches Freezeout an, da man die Teilnehmerzahlen dann eventuell für nicht attraktiv ansehen könnte. Ob bei einem € 200 Turnier 450 oder 650 Entries verzeichnet werden, macht im Preispool einen großen Unterschied. Vor fünf Jahren hätten 450 Teilnehmer bei einem solchen Turnier aber noch ein „Wow“ hervorgerufen. Jetzt gibt es ein „Nur?“ als trockenes Statement. Die WPT hat mit den Re-Entries den Stein ins Rollen gebracht und mittlerweile ist daraus eine unaufhaltsame Gerölllawine geworden, die in der unsagbar dämlichen Variante „unlimited Re-Entries bis Tag 2“ gipfelt. Warum soll man sich nicht gleich am Final Table einkaufen und ums Preisgeld flippen? Ist es wirklich der Sinn eines Turniers, sich beliebig oft einkaufen zu können? Bei einem Skirennen kann ich ja auch nur einmal antreten. Steig ich mir im Starthaus auf die Ski und verpasse schon das erste Tor, dann kann ich mich über mich selbst ärgern – aber sicher nicht noch einmal antreten. Wo bleibt der Konkurrenzkampf bei einem Turnier, wenn jeder sich gleich wieder hinsetzen kann. Dafür gibt es das Cashgame – das unter den Re-Entries zudem massiv leidet.

Die Re-Entries haben außerdem eine Kostenfalle aufgestellt, die kaum einer bedenkt. Jeder jammert über hohe Entry Fees. Aber die Turniere dauern nun mal um einiges länger und damit sind auch die Kosten höher. Längere Turniere bedeuten zudem natürlich auch wieder weniger Cashgames und damit auch weniger Einnahmen für den Veranstalter.

Die Steigerungsstufe ist dann noch die Zahl der Turniere an einem Tag. Man orientiert sich gerne an der EPT und wenn die fünf Turniere an einem Tag spielen, dann kann man das auch. Sollten es zu wenige Spieler sein, erhöht man kurzerhand die Late Registration und Re-Entry Option, um ein ansprechendes Ergebnis zu erzielen.

Die Veranstalter reagieren falsch auf den Markt, aber redet man mit den Spielern, dann scheinen sie recht zu haben. Angebot und Nachfrage regulieren sich selbst, sollte man meinen. Die aktuelle Entwicklung ist aber eine absolut negative, denn durch das extreme Angebot spielen viele unbemerkt über ihrem Limit. Wenn sie es bemerken, ist es meist schon zu spät und alle Ersparnisse sind beim Casino des Vertrauens gelandet. Es gab schon immer ein Kommen und Gehen in der Pokerszene, noch nie aber ging es so schnell. Wer vor sechs Monaten noch ein gefeierter Held war, kann jetzt längst schon broke in Vergessenheit geraten sein.

Alex Dreyfus versucht mit der Global Poker League einen Ausweg zu finden, um fremdes Geld in den Pokerzirkus zu bringen. Spieler müssen durch Leistung überzeugen und spielen um einen gesponserten Preispool, so ist das hoch gesteckte Ziel. Der Weg ist ein sehr guter, aber es ist fraglich, ob Poker jemals den Status in der „normalen“ Welt haben wird, um dieses Ziel wirklich zu erreichen.

Einen ganz anderen Weg müssten die Casinos einschlagen. „Back to the roots“ wäre angebracht. Die Buy-Ins auf normale Höhen reduzieren und im Daily Business wieder eine solide Basis aufbauen. Das schnelle Geld mit exorbitanten Buy-Ins und extrem hohen Cashgames sind fürs Fernsehen, nicht für die breite Masse der Spieler, für die Poker noch immer ein Hobby ist. Wer glaubt, dass 5/10 im Cashgame kein High Roller Limit ist, der soll es mal ein Jahr lang versuchen. Oder einfach mal alle EPTs, WPTs und WSOP Events spielen.

Die Online-Anbieter werden verteufelt, weil sie High Stakes Tische kürzen oder ganz abschaffen und das Programm auf die „Recreational Player“ ausrichten. Doch genau dort muss man wieder hin, denn nur mit Poker Pros wird es keine eigene Pokerwelt mehr geben. Das schnelle Geld reizt Spieler und Veranstalter gleichermaßen, doch nur wenn alle einen Step down machen, wird der Kreislauf aufrechterhalten bleiben.

Don Quijote


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