Kolumnen

Die systematische und staatliche Kriminalisierung der Pokerrunden

Auch wenn ab und zu einmal Journalisten der deutschsprachigen Pokerszene gewisse Verbrecher- und Puffromantik verfallen (nein Udo Du bist nicht gemeint; herzlich willkommen bei uns), dann doch meistens aus Nostalgiegründen und immer fortwährend mit blumigeren Geschichten, welche sie in Runden von sich geben können. Es ist entweder die Moderne welche sie stört oder heute ist alles so schnell und Poker ist nicht mehr das was es einmal war.

Wer meine persönliche Meinung kennt, weiss das ich nichts von illegalem Cashgame halte, und ganz gut ohne Puffs kann. Aber meine Meinung ist meine Meinung und ich lasse deshalb jeden in seinen Träumen schwelgen und mir ist es eigentlich egal, was jeder macht, wenn er es mit Respekt tut und die Contenance hält und dabei gewaltfrei vorgeht.

Dabei wird auch nicht gepetzt und die illegalen Etablissements der Zürcher Pokerszene werden nicht verraten. Das machen diese nämlich selbst, indem sie die Spieler mit hohen Rakegebühren ausnehmen und ihre Klienten mit notorischen Geldnöten aussetzen. Wenn diese dann als letzten Ausweg beim Sozialamt antraben oder aus Neid der Polizei Einzelheiten über diese illegalen Pokerclubs verraten, dann ist es diese Etablissements geschehen.

Seit dem Pokerverbot in der Schweiz im letzten Mai, sind alleine im Raum Zürich mir über ein Dutzend neue solcher Lokale bekannt geworden. Hinweise gibt es genügend; sie leben ja auch von Mundpropaganda, weil es auch da wie in den Casinos mehr Verlierer als Gewinner gibt, und die Rekrutierung neuer Spieler auch da wichtig ist.

Ein gefundenes Fressen für die Truppe um Frau Wolfer der Eidgenössichen Spielbankenkommission (ESBK). Denn seit Herbst 2010 hat sie aufgerüstet und dem Pokerspiel „affine Polizeibeamte“ nach rekrutiert und diese dürfen jetzt endlich „beissen“. Die verdeckten Ermittler spielen oder spielten auch Poker und kennen die Lokationen zum Teil sehr genau.

Daher verwunderte die Razzia im Club Limelite in Dübendorf am 9. März 2011 nicht. Denn die vierzigköpfige Terroreinheit der Kantonspolizei Zürich, schaffte es durch fünf Türen und über die Terrasse im fünften Stock den ultimativen Zugriff, wie sie es schon für Banküberfälle oder Entführungen probten. Schwer bewaffnet, mit Helm und Masken ausgerüstet, stürmten sie die angeblich illegale Cashgamepartie im Handumdrehen.

Natürlich gab es da mehr Geld zu konfiszieren als bei den bisherigen Turnierlokalen. Denn bei einer Cashgamepartie von Blinds um die 5/10 SFR, kann man schon davon ausgehen, dass jeder Spieler an diesem Abend etwa um die 1000 Schweizer Franken Barschaft auf sich trug. Macht bei 30 Personen etwa 30’000 Schweizer Franken. Dieses Mal wurden zusätzlich die Autos der Anwesenden durchsucht, so dass man auch wirklich alles Geld, welches man einsetzen könnte, beschlagnahmte. Die Beute neben dem Geld war ein Säckchen „Gras“, welches man bei einer Person fand, die dann auch ultimativ verzeigt wurde. Aber die illegalen Waffen oder Personen, welche man aus früheren Geschichten der Pokerromantik her kennt, fand man bei diesen „Harmlosen“ nicht.

Wer jetzt die Relation dieses riesigen Polizeieinsatzes zum Erbeuteten herstellt, erkennt schnell, dass diese Einsätze übertrieben sind, und den Schweizer Steuerzahler trotz den drohenden Bussen für Betreiber und Spieler belasten. Untersuchungskosten sind dabei nicht einmal eingerechnet.

Frau Wolfers Einsätze gegen die illegale Cashgameszene ist zwar endlich ein Schritt in eine nachvollziehbare Richtung, jedoch scheinen diese überdimensionierten Aktionen, eine Vorarbeit des Casinosverbands hinsichtlich der noch grösseren Casinodichte im Schweizer Land zu sein. Es geht um viel Geld und da lohnt das präventive Schiessen auf die Pokerszene. Für die Lizenzvergabe um ein Casino in Zürich, will man sich schliesslich alle Optionen offen halten.

Cheers,
Martin Bertschi

Update: Nun hat Frau Wolfer gesagt, dass keine Anzeigen erstattet werden. Das Geld wird zwar nicht mehr rausgegeben, weil es illegales Glückspiel war…, aber es wird keine Anzeigen geben, weil nicht klar war, wer der Veranstalter gewesen ist.


Abonnieren
Benachrichtige mich bei
7 Comments
Inline Feedbacks
View all comments