Kolumnen

Glück im Unglück

Liebe Pokis,
durch die Poker-Turniere auf der ganzen Welt und die ein oder andere TV-Ausstrahlung ist man es natürlich ein bisschen gewohnt, erkannt und mit Namen begrüßt zu werden. Das liegt sicherlich zum einen auch daran, dass ich stets in denselben Hotels einchecke und mich die Rezeptionistinnen einfach kennen und zum anderen, dass man sich als Poki sehr oft mit anderen Pokis umgibt. Ein eigener kleiner Mikrokosmos. Umso mehr war ich erstaunt, dass ausgerechnet in meiner Heimatregion mein Bekanntheitsgrad anscheinend unter dem sprichwörtlichen Nullpunkt liegt. Zumindest bei den Gesetzeshütern.

Doch fangen wir ganz vorne bei der Geschichte an: Das Turnier in Venedig hatte ich gerade mehr oder minder erfolgreich abgeschlossen, da rief schon der nächste Termin. Ein Online-Game, das ich nicht über irgendeinen Web-Zugang spielen wollte, sondern schon von Zuhause in Zagreb aus. Man stelle sich vor, ich sitze in irgendeinem Lokal mit Internet und zocke da lustig sieben bis acht Stunden vor mich hin. Ich hatte also wenig Zeit, um nach Kroatien zu kommen, aber laut Navi sollte ich es schaffen. Ich hatte sogar zwölf Minuten Puffer. Also gab ich Gas. Das Wetter war gut, die Autobahn frei.

Doch dann machte mir das Schicksal einen Strich durch die vom Navi aufgestellte Rechnung. In einer Senke konnte ich gut einige Kilometer vor mir erkennen, dass die Autobahn gesperrt war. Zig Blaulichter und ein kleiner Rückstau. Alles wurde von der Autostrada abgeleitet. Mir blieb nichts anderes übrig, als den Massen zu folgen. Der Puffer schrumpfte auf acht Minuten. Am Ende der Ausfahrt folgte ich zuerst den Umleitungsschildern und bog irgendwann einfach ab, weil mich der LKW vor mir mit seiner Fahrweise einfach aufregte. Nach einiger Zeit lotste mich in Schild Richtung Slowenien und ehe ich mich versah, hatte ich die renze passiert. Das muss zwischen einem Kuhstall und einem Gasthof gewesen sein. In der EU kann man sich da ja nicht mehr so sicher sein.

Ich versuchte mein Navigationsgerät eine neue Route berechnen zu lassen, doch die kleinen Dörfer und Straßen erkannte das System nicht. Ich hatte nur die CD von Deutschland und Italien dabei. Schließlich dachte ich, im ehemaligen Jugoslawien würde ich mich auskennen. Weit gefehlt.

Das Gaspedal berührte fast durchgehend den Boden und ich heizte durch die Dämmerung über Landstraßen und Feldwege auf der Suche nach einem Autobahnschild, das mich wieder auf die Straße nach Zagreb bringen sollte. In einem kleinen Dorf, bestehend aus vier Häusern und drei Stallungen zeigte endlich ein blauer Pfeil nach rechts. Ich bog scharf ab und beschleunigte mal wieder. Mit geschätzten 160 Sachen sauste ich durch Sloweniens Hinterland. Ich hatte die Hoffnung, rechtzeitig zum Turnieranfang anzukommen noch nicht aufgegeben. Vielleicht hatte ich ja sogar Glück und das hier war eine unbekannte Abkürzung. Als ich meinen hoffnungsvollen Berechnungen nachging kam mir auf einmal ein Polizeiauto entgegen. In dem Augenblick, als wir auf einer Höhe waren, ging das Blaulicht an und im Rückspiegel konnte ich erkennen, wie der Wagen eine 180-Grad-Chicago-Wende hinlegte, um mich zu verfolgen. Ein Blick auf den Tacho zeigte mir, dass ihnen die überhöhte Geschwindigkeit aufgefallen sein dürfte.

In meinem Kopf rasten die Gedanken: 60 Kilometer in der Stunde zu viel. Wie viel mag das wohl kosten? Schaffte ich es trotzdem noch, zur anvisierten Zeit in Zagreb zu sein? Sollte ich versuchen, die Biege zu machen oder sollte ich mich gleich stellen? Die fahren nur einen Opel, ich bin in einem X5 unterwegs. Beim letzten Gedanken drückte ich meinen Fuß ohne es zu merken wieder Richtung Bodenplatte.

Das Aufheulen der Sirene hinter mir riss mich aus meiner Gedankenwelt. Und ich beschloss anzuhalten. Ich war mir sicher, egal wie schnell ich fahren konnte, die Insassen des Verfolgerfahrzeugs würden sich hier sicherlich besser auskennen. Also setzte ich den Blinker und hielt an.

Es folgte eine Szene, wie aus einem amerikanischen Spielfilm. Zwei slowenische Polizisten stiegen aus dem Wagen und kamen mit gezogenen Waffen auf mich zu. Während der eine an mein Fenster klopfte, hielt mich sein „Partner mit dem kalten Schnauzer“ von hinten rechts in Schach. Eigentlich fehlten für eine Filmszene nur noch die Laserpointer. Ich ließ mein Fenster runtergleiten und wollte gerade fragen, was denn los sei. (Unwissenheit vortäuschen ist ja eine beliebte Vorgehensweise bei einem Kontakt mit der Polizei.) Doch bevor ich einen Ton von mir geben konnte, bellte mich der erste Polizist an, ich solle sofort die Hände aufs Lenkrad legen, während er mir mit seiner Dienstwaffe auf den Brustkorb zielte. Ich folgte seinem Befehl und wurde langsam nervös. Es kam mir komisch vor, einen solchen Tonfall zu hören, wegen einer Geschwindigkeitsübertretung. „Führerschein, Fahrzeugpapiere, Pass“, brüllte der Staatsdiener zu meiner Linken. Ich entspannte mich und griff zu meinem Portemonnaie in der Innentasche meiner Jacke. Just in dem Augenblick, als sich meine Hand um meinen Geldbeutel schloss, bellte Rambo wieder. „Hände aufs Lenkrad.“ Ich zuckte zusammen, legte meine Hand umgehend wieder auf das Steuer und ließ dabei meine Geldbörse fallen, die in meinem Schoß landete.

„Was soll das?“, schrie Rambo und im Rückspiegel konnte ich erkennen, wie Schnauzer seinen Finger am Abzug zittern ließ. Ich erwiderte, er habe doch selber gesagt, er wolle meine Papiere sehen, die lägen im Übrigen jetzt in meinem Schoß. Er schaute durchs Fenster und betrachtete mein Portemonnaie. Erst jetzt entspannte sich die Situation. Er rief seinem Kollegen zu, es sei keine Waffe und beide steckten ihre Schießeisen wieder weg.

Es folgten Fragen: Wo kommen sie her? Wo wollen sie hin? Welchen Grenzübergang haben sie genommen? Und genau da kam ich ins Stocken. Welcher Grenzübergang mag das gewesen sein? „Ich weiß es nicht“, musste ich zugeben und erregte damit erneut das Misstrauen der Polizisten. „Sie wissen nicht, über welchen Grenzübergang sie nach Slowenien gekommen sind?“, fragten sie ungläubig und ich konnte sehen wie die Holster langsam wieder geöffnet wurden. Ich konnte mir ein Lachen kaum verkneifen, denn ich wusste, wie unglaubwürdig ich mich gerade anhören musste. „Das muss irgendwo zwischen einem Kuhstall und einem Gasthaus gewesen sein“, grinste ich. Und erzählte den beiden die gesamte Geschichte. Zum Glück hatten sie von dem Unfall bei Triest gehört und auch von der Vollsperrung. Nach der ausführlichen Überprüfung meiner Daten gaben mir die Beamten meine Papiere wieder und wünschten mir eine gute Fahrt. Obwohl ich mich freute, dass es anscheinend kein Bußgeld gab, und ich nun wieder freie Fahrt hatte, siegte meine Neugier. „Sagen sie, wen suchen sie eigentlich?“ „Hier in der Nähe gab es einen Raubüberfall und sie erschienen uns verdächtig.“ Danach fragte ich noch nach dem Weg nach Zagreb und setzte nach ein paar Abschiedsfloskeln meine Fahrt fort.

Fazit des ganzen Tohuwabohus: Mit 60 Sachen zu schnell angehalten worden, wurde als Tatverdächtiger in einem Raubüberfall behandelt, wäre beinahe erschossen worden (jedenfalls fühlte es sich so an) und am Ende musste ich noch nicht mal ein Bußgeld zahlen. Das nennt man wohl Glück im Unglück. Das Turnier habe ich aber dann doch verpasst.

Und so sage ich es wie der Kapitän auf seinem Kutter: Kommt der Wind mal hart von vorn, dann mach es wie der Pokerstorm.

In diesem Sinne
Euer Dragan

 

Dieser Artikel erschien im Royal Flush Magazin Ausgabe 03/2011!
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