Kolumnen

Heimat, Vaterland und Pokernation und frische Fragen

In den vier offiziellen Landessprachen heisst mein Heimatland: Schweiz (Deutsch), Suisse (Französisch), Svizzera (Italienisch) oder Svizra (Räterormanisch). Als Schweizer sind wir im deutschsprachigen Raum in der Minderheit, aber als Paradox ist die Schweiz das grösste Zuwanderungsland der Deutschen. Vielleicht auch erstes Wiederabwanderungsland, für solche die gerne CD’s kopieren und damit reich werden wollen….

Während großer Pokerturniere wie bei der EPT Saalbach-Hinterglemm in Österreich, sind auch einige Schweizer am Start und wir Daheimgebliebenen schauen gespannt aus der Ferne zu. Speziell interessieren uns neben den üblich Verdächtigen auch unsere Landleute, welche von der internationalen Presse oft gar nicht erkannt werden.

So wurde Marcel Koller während des Turniers in Berlin zeitweise als Deutscher geführt, weil es ja auch einen Fußballtrainer in Bochum mit selbem Namen gab und der auch Schweizer ist. Egal ob Herbert Grönemeyer hier die Finger im Spiel hatte und dem nicht zockenden Schweizer Namensvetter postum die deutsche Staatsbürgerschaft verlieh. Für uns als solch kleines Land geht das gar nicht, wenn plötzlich ein erfolgreicher Schweizer zu einem Deutschen wird. Nach lautem Protest der Holdem Crew wurde der Ostschweizer von Pokerstars mit sofortiger Wirkung wieder in die Schweiz „eingebürgert“ und die heile Welt war wieder hergestellt.

Doch wie steht es mit den anderen „Schweizern“, die da untypisch heißen wie Besim Hot, Dogan Güngör oder Lukas Sasky? Sie alle leben in der Schweiz und sprechen das im deutschsprachigen Raum vielerorts unverständliche Schweizerdeutsch? Auch Lukas Sasky, welcher ursprünglich aus dem Osten stammt, wurde schon einmal als Schweizer geführt und jetzt ist er plötzlich wieder Slowake?

Das verwirrt mich, weil ich nicht weiss, ob die Landesbezeichnung beim Check-in der Pokerturniere von ihnen nach Lust und Laune angegeben wird oder wie diese sonst noch auf diese an die Presse übermittelten Spielerlisten kommen. Nimmt dies der jeweilige Spieler überhaupt genau? Wie empfindet er seine Heimat oder interpretiert diese?

Und wie steht es bei mir damit, wenn ich weg bin und zum Beispiel in Las Vegas leben würde, wie würde ich als bekennender Urschweizer auf die folgenden leicht geänderten Fragen von Max Frisch antworten?

– Worauf könntest Du eher verzichten, auf Vaterland oder auf Heimat?

– Wenn Du Dich in der Fremde aufhältst und Du Landsleute triffst, fühlst Du die wohler mit den Menschen welche aus Deinem Ursprungsland kommen oder von dem Land wo Du aktuell lebst?

– Was würde Dich heimatlos machen? Krieg? Leid? Pokerverbot?

– Kann Ideologie zur Heimat werden?

– Hat Heimat für Dich eine Flagge?

Von Besim Hot (Interview im Pokerfirma.de Magazin ab dem 5. April 2010) weiß ich genau, falls er ein großes Turnier gewinnen würde, ich ohne ihn zu fragen schreiben könnte: „Großer Schweizer Sieg“. Wie sieht es mit Lukas Sasky oder Dogan Güngör aus? Sie leben schon seit Jahren in der Schweiz und sind zum Teil auch hier aufgewachsen. Fühlen sie sich eher als Schweizer, eher als Türke oder Slowake?

Die Typen spielen gutes Poker und haben alle ein großes Potential. Gerade jetzt, wo sie so gut aufspielen, könnte einmal der ganzen Pokergemeinde kundgetan werden, wohin dann der Sieg wirklich gehen würde.

Für Lukas Sasky ist es klar. Er wohnt wie Besim Hot in Zürich hat aber nur den slowakischen Pass und möchte als Slowake geführt werden.

Besim möchte trotz Fehlens des Schweizer Passes als Schweizer geführt werden.

Dogan ist Schweizer türkischer Abstammung und hat beide Pässe. Er erklärte bei der Registration explizit: „Ich bin Schweizer“.

Falls sich mein Angstgegner Lukas Sasky dazu entscheiden würde, für die Schweiz zu starten, dann nehmen wir dies sicher gerne an. Auch ohne Einbürgerung.

Cheers,
Martin Bertschi


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