Kolumnen

It never rains in Eastern California

Was nicht so ganz stimmt. Was irgendwie gelogen ist. Letzte Woche in San Francisco gab es Regen. Ich mittendrin. Statt Outdoor-Aktivitäten ein zwangsweise längerer Aufenthalt im Restaurant. Und entsprechend Zeit, bei einer guten Flaschen Golden State Zinfandel 2004 über das Leben im Allgemeinen und Poker im besonderen nachzudenken.

Zinfandel gilt in seiner Heimat analog zum südafrikanischen Pinoatage oder zum argentinischen Malbec als der originäre gegorene Traubensaft seiner Heimat. Die Geschichte des kalifornischen Weines ist noch nicht wirklich alt. Noch in den 70ern kein beschriebenes Blatt gelang ihm dann doch ein rasanter Aufstieg. So ging es Poker ja auch. Zwar immer schon irgendwie dagewesen. Eher unbetrachtet, unbeliebt und selten bis kaum gespielt. Eher unterrepräsentiert. Und auf einmal groß geworden, ganz groß.

udo san franWein aus Kalifornien ist aus der Weltkarte der qualitativen Weine nicht mehr wegzudenken. Es gibt eine enorme Bandbreite an höchst unterschiedlichen Weinen. Auch das ist eine Parallele zu Poker. Nicht mehr wegzudenken. Bekannt, beliebt und oft konsumiert. Mit einer Bandbreite an diversen Spielarten. Nicht immer fruchtig im Abgang. Wie auch der kalifornische Wein – ein lohnenswertes, wenn auch nicht unbedingt ein preiswertes Vergnügen. Was nichts kostet, kann auch nicht gut sein; pflegte schon meine Oma immer zu sagen.

Was also ist das Faszinierende an Poker, was ist das Vergnügliche an diesem Kartenspiel aller Kartenspiele?  Ist es der Kampf Mensch gegen Mensch gegen Karten, ist es ultimative Kick, den anderen Mensch rauszubluffen aus der 8-hoch-Hand? Ist es der komplexe Charakter gepaart mit den komplett simplen Spielregeln? Ist es das Vergnügen, jeden überall und jederzeit schlagen zu können? Ist es die Kombination aus Berechnung und Bauch, die Kombination aus Emotion und Nachdenken? Ist es die Dynamik, die sich stets verändernden Richtwerte? Ist es das menschliche Miteinander, in dem man dennoch der größte alle anwesenden Egoisten sein muss? Ist es die Gewissheit, dass jede der vielen Kartenkombinationen gewinnen kann, wenn man sie denn dann auch mal spielen würde? Ist es die Gewissheit, dass die beste Kartenkombination meistens schon auf dem Flop mausetot ist? Ist es die Wahrscheinlichkeit, die wahrscheinlich heute wieder nur beim Gegner ankommen wird? Ist es Glück? Ist Glück im Spiel, obwohl es kein Glücksspiel sein soll? Ist es der Spaß am Sieg oder tatsächlich sogar der Spaß am Spiel? Ist es mehr als nur ein Spiel, obwohl es nichts anderes als ein Spiel ist?

Ja, genau. Genau das ist es. Alles. Und vieles mehr. In diesem Sinne. Prost. Und ein gutes Blatt. Möge der River mit Euch sein. Und der Gott der Weine auch.


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