Kolumnen

Machos, Musketiere und Macheten

Berlin gilt als jung, aufregend, kreativ, ohne Regeln und verdammt cool – genug Gründe also, warum man sich als Pokerspieler die EPT in Berlin nicht entgehen lassen sollte. AAufregend, das war sie für alle Beteiligten. Kreativ auch irgendwie. Ich weiß gar nicht, wann das letzte Mal ein Raubüberfall mit Dönerspieß-Machete in Kombination mit Hochwasserhosen und rotem Pullover begangen wurde.

Cool sieht anders aus. So etwas kann es tatsächlich nur in Berlin geben. Immerhin saßen die Masken da, wo sie hingehörten. Das verdient Applaus. Applaus gibt es auch für die durchdachte Planung des Coups. Einzig und allein das Timing hatte gestimmt. Um sich vorher zu stärken, waren alle vier kurz vorher noch undercover beim Edelburger McDonald’s neben dem Hyatt und bestellten sich vier Juniortüten. Eine doppelte Portion Traubenzucker wäre wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen.

Ob sie die allerdings davor bewahrt hätte, folgende dümmlichste Fehler zu begehen, wage ich dennoch zu bezweifeln. Denn wer von unseren vier Gangstaaaaas hat denn bitteschön die Tasche zu Hause vergessen? Und welcher unserer Helden kam auf die Idee, das Ganze ohne Handschuhe durchzuziehen? Wird mir doch schon als geneigter „Tatort“-Zuschauer allsonntäglich vorgeführt, wie schnell mich dieser Fehler hinter schwedische Gardinen bringen kann … Als es unseren Maskierten dann schnell zu heiß unter der schwarzen Baumwolle wurde, dachten sie sich: einfach runter damit und rein in das videoüberwachte Shopping-Center. Am anderen Ende stand der auf Papi zugelassene Fluchtwagen, und dann ging’s auch schon ab zum Flughafen. Dumm nur, dass der Libanon und die Türkei bei Amnesty International nicht so beliebt sind, wenn es um die Zustände in Gefängnissen geht. Also dann doch lieber zurück nach Deutschland und rein in die JVA. Mannomann, Danny Ocean und Rusty wäre das nie passiert. Mr. Cool und seine Ocean’s Eleven-Crew hätten mit Witz, Charme und Raffinesse die Pokermillion erbeutet. Die Medien hätten sie als Helden gefeiert, und Mädels hätte es obendrein auch noch jede Menge gegeben. By the way … das ist der Stoff für Ocean’s 14.

Raubüberfall beim Pokerturnier. Nicht irgendeinem, nein, dem Main-Event bei der WSOP! Matt Damon spielt ja eh schon mit und kann der Informant im Spielsaal sein. Don Cheadle, ebenfalls schon am Tisch, lenkt mit einem – sagen wir mal – arrangierten Royal Flush die Aufmerksamkeit sämtlicher  Medienleute auf sich, und Al Pacino fängt draußen eine Schlägerei mit Brad „Rusty“ Pitt (*schmacht*) an, damit die Sicherheitskräfte abgelenkt sind, während George (*wieder schmacht*) mit den Kassiererinnen zu daten versucht. Erfolgsaussichten: 100 Prozent. In dieser Zeit räumt der Rest der Ocean’s-Crew die Millionen beiseite. Ich stehe (enttäuscht nach meinem Bust out – Quads vs. Quads) genau in diesem Moment ungünstig im Weg und werde als Geisel genommen. Die Geisel verliebt sich nach dem Coup in ihre Entführer (ja, Plural!), und sie alle verbringen zusammen den Rest ihres Lebens mit den erbeuteten Millionen. (Bei Interesse an dieser Synopsis: Sandra Naujoks, [email protected], Preis verhandelbar). So geht’s.

Da müssen uns die Amerikaner wieder zeigen, wer „cool“ erfunden hat. Berlin übt das noch und geht bei Hollywood in die Lehre. Aber in einer Sache können die Stars and Stripes von uns lernen: Zwei Stunden danach fliegen bei uns wieder die Karten. In den Staaten stünden wir heute noch unter Schock und würden tiefbetroffen vor jedem Turnier unter Einspielung der Nationalhymne eine Gedenkminute halten sowie eine Anti-Räuber-Einheit organisieren, um gegen die Achse des Pokerbösen vorzugehen. Berlin dagegen steht ab jetzt für „The show must go on – shuffle up and deal!“ Auch nicht ganz uncool. „Ick bin ain Berliner“, und in diesen Tagen sind wir alle Berliner. In diesem Sinne. C u next year in … Berlin.


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