Kolumnen

Nicht meine Hand

Wie gerne redet man doch über die eigenen Siege, ja Triumphe – über die Niederlagen der „Opfer“: dieser Kreaturen, die den Namen Gegner „einfach nicht verdienen“. Poker ist wirklich super. Es bietet jedem die Option seine Siege uneingeschränkt zu feiern und Niederlagen einfach per Statement „massives Pech gehabt“ hinunter zu spülen. Heute will ich mal den Werdegang einer persönlichen Niederlage dezidiert abspulen.

Wir saßen in einem Level 2 Coaching von mir und Pokertronic schrieb mit (Protokoll PDF). Es wurde fullring und recht deep gespielt. Micha openraist bei 50-100 auf 250 aus mittlerer Position und ich bezahle im CO ohne Hand (J7s), weil ich an diesem Tisch gerne gegen Micha in Position spielte und im konkreten Fall glaubte, dass mein Call genügend Kraft hat, um HU oder maximal 3-handed meist in Position weiter zu spielen.

Nun aber raist Tim am Button auf 800 und nur der Initialraiser Micha bezahlt. Ich gebe hier beiden keine Hand: Micha nicht, weil er als Spielertyp imo eine wirklich gute Hand hier nie nur callen würde und Tim (Reese, Mitglied des Weltmeisterteams von London und auch per se ein sehr guter Spieler) nicht, weil er in der Lage ist, zu antizipieren, warum ich hier calle und dass ich dafür nicht notwendig eine Hand brauche.

Ich 4-bete also auf 2.100 und scheitere ebenso wie Micha an Tim’s 5-bet auf 4.600.

Im Video sieht das wie folgt aus:

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Ja, es gibt schmeichelhaftere Videos für mich… 😉

Wirklich zum (hoffentlich lesenswerten) Thema wird das Spiel imo nur deshalb, weil zu dieser Hand leider festzuhalten ist, dass nicht einfach die „größeren Eier“ nach „wildem Gebolze“
gewonnen haben, sondern MEIN Flatcall (aufgrund MEINES Wissenstands um das Spiel) im ersten Zug eine zu weite Range aufgemacht hat, als dass MEINE 4-Bet gegenüber Tim mit DESSEN Wissenstand um das Spiel an sich (und im besonderen um MEINE Spielauffassung) noch glaubwürdig genug sein kann. Tim hat hier also leider „for Value“ gegen mich ge-bluff-5-bettet. Möge es mir eine Lehre sein. 😉

Im Ernst: Es ist imo sehr wichtig für die Entwicklung eines jeden Pokerspielers, dass er immer in der Lage bleibt, eigene Fehler einzusehen. Mir gefällt meine Line im allgemeinen. Aber ich muss gestehen, dass sie von einem versierten Spieler, wie Tim es nun mal ist, ausgespielt werden kann (wie auch tatsächlich geschehen). Das habe ich im Eifer des Gefechts leider nicht bedacht und dafür bezahlt.

(Wie sich die Situation in Zahlen ausdrückt und warum Tim hier wissentlich wertschöpfend bluffen kann, liefere ich gerne in ein paar Tagen, wenn die Weihnachtsbraten besser verdaut sind. Frohe Festtage euch allen!)

Zahler zocken – Könner kalkulieren

Stephan Kalhamer für
gaming-institute.de


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